„Das Deutschlandticket ist da! Bestell dir in nur wenigen Minuten dein persönliches 49-Euro-Ticket und du bist grenzenlos in ganz Deutschland mobil“ – mit diesen Sätzen wird man auf der Startseite der Website „Deutschlandticket.de“ begrüßt und wer möchte da nicht gleich online seine „All-inklusive“-Eintrittskarte für den bundesweiten Nahverkehr kaufen?

Die Realität könnte doch ab dem 1. Januar 2024 ähnlich aussehen, wie im gerne zitierten Eingangstext aus den berühmten Asterix-Comics: „Ganz Gallien ist von den Römern besetzt. Ganz Gallien? Nein! Ein von unbeugsamen Galliern bevölkertes Dorf hört nicht auf, dem Eindringling Widerstand zu leisten.“ Im Fall des Deutschlandtickets hieße das: „Wir schreiben das Jahr 2024, mit dem Deutschlandticket können Sie mit Bus und Bahn durch ganz Deutschland fahren. Ganz Deutschland? Nein! Denn wenn Sie im Landkreis Stendal in einen Linienbus einsteigen wollen, müssen Sie dort trotzdem eine Fahrkarte lösen.

Was war passiert? Ganz einfach, der Kreistag in Stendal (Sachsen-Anhalt) hatte beschlossen, finanziell beim Deutschlandticket nicht ins Risiko gehen zu wollen – im Raum steht eine Summe von rund 40.000 Euro im Jahr – was dann eben zur Folge hätte, dass im Landkreis das Deutschlandticket ab 2024 in Bussen nicht mehr akzeptiert würde. In den Bahnen im Landkreis hingegen allerdings schon, da für diese das Land zuständig ist, was einem Fahrgast schwer vermittelbar sein dürfte.

In den Verkehrsministerien einiger Bundesländer scheint man den Fall Stendal in Sachsen-Anhalt noch gelassen zu sehen. So nannte das zuständige Infrastrukturministerium in Magdeburg die Entscheidung des Kreistags von Stendal einen „Einzelfall“. Auch das Verkehrsministerium in Nordrhein-Westfalen meinte, dass in NRW „ähnliche Vorhaben nicht bekannt“ seien und Bayerns Verkehrsminister Christian Bernreiter (CSU) sah für Bayern zumindest Mitte Dezember noch „keine Entscheidungen wie die aus Stendal“ nahen.

Woanders sieht man die Sache hingegen etwas dramatischer. So schloss nach der Entscheidung von Stendal der Bayerische Städtetag einen Ausstieg kommunaler Nahverkehrsbetreiber in Bayern aus dem Deutschlandticket nicht aus. Achim Sing, Sprecher des Bayerischen Städtetags, hielt es für „durchaus möglich, dass sich kommunale Aufgabenträger aufgrund einer angespannten Haushaltslage dafür entscheiden müssen, das Deutschlandticket nicht weiter zur Anwendung zu bringen“. Den Fortbestand des Deutschlandtickets sah er als „ernsthaft in Frage gestellt“. Im Gebiet des Münchner Verkehrsverbundes MVV hatten Landkreise, etwa Erding und Freising, ihre Zustimmung zum Deutschlandticket an die Bedingungen geknüpft, dass dieses Ticket für die Kreise „kostenneutral“ ist und dies auch bleibt. Dirk Flege, Geschäftsführer des Verbands „Allianz Pro Schiene“, warnte: „Wir dürfen nicht darauf warten, dass jetzt Landkreis um Landkreis diese Debatte führt und schlimmstenfalls aus dem Deutschlandticket aussteigt.“

 

An warnenden Stimmen hat es nicht gefehlt

Völlig aus heiterem Himmel kommt das Ganze nebenbei bemerkt auch nicht. Schon sehr früh hatte es an mahnenden Stimmen nicht gefehlt, doch wollte man diese Warnungen seitens der politisch Verantwortlichen im Bund gar nicht und auch auf Länderebene nicht, eben nicht hören. Zu jenen, die schon seit Monaten gebetsmühlenartig gewarnt hatten, gehörte auch der Bundesverband Deutscher Omnibusunternehmen (bdo). Ohne einen klaren Anwendungsbefehl für das Deutschlandticket werde es zu einem „Anwendungs-Flickenteppich“ kommen, hatte der bdo die Verantwortlichen früh ermahnt – leider meist vergebens. Bisher ist Thüringen ist das einzige Bundesland, das eine solche Tarifanordnung erlassen hat. Überall sonst setzten die Verantwortlichen wohl auf das Motto: „Augen zu und durch“. Sie setzten vielleicht auch darauf, dass kommunale Aufgabenträger und die Verkehrsunternehmen bei dem ganzen unausgegorenen Projekt Deutschlandticket schon mitziehen würden, denn wer würde sich schon getrauen, da auszusteigen, so vielleicht die Überlegung.

Wie der Fall Stendal zeigt, könnte sich dies als Trugschluss erweisen. Bund und Länder wären daher gut beraten, sich zügig auf eine auskömmliche und langfristig gesicherte Finanzierung des Deutschlandtickets zu einigen. Beide sind hier in der Pflicht, am meisten jedoch steht der Bund in der Verantwortung, denn wie überall sollte der Grundsatz gelten: Wer bestellt, der ist auch für das Bezahlen der Rechnung verantwortlich. Was gar nicht geht, ist, dass man bestellt, sich feiern lässt und die Kosten dann an die Aufgabenträger vor Ort und die Verkehrsunternehmen nach unten weiterreicht.

Im Landkreis Stendal gibt es in Sachen Deutschlandticket inzwischen eine Fortsetzung. Denn nachdem das Land Sachsen-Anhalt zusätzliche zehn Millionen Euro für den Busverkehr im Land angekündigt hat, will der Kreistag am 20. Dezember noch einmal über eine Fortführung des Deutschlandtickets beraten, wie die Landkreisverwaltung mitteilte. Wie es in Stendal weitergeht, scheint derzeit völlig offen. Im besten Fall war es ein lauter Warnschuss für den Bund und Herrn Wissing, der mal dringend nötig war.

Thomas Burgert

 

Hinweis: Die hier kommentierte Entscheidung des Kreistages Stendal wurde mittlerweile in einer erneuten Abstimmung revidiert.