Was spricht für ein solches Bus-System? Gelenkbusse oder solche mit Personenanhänger brauchen nach Auffassung der Projektbeteiligten zu viel Energie und sind nicht flexibel genug einsetzbar, um auf stark schwankende Fahrgastzahlen reagieren zu können. Platooning biete sich als Lösung des Problems an. Dabei fahren mehrere Fahrzeuge mittels elektronischer Steuerung in engem Abstand hintereinander. Diese Kolonnen könnten beliebig an den jeweiligen Bedarf angepasst werden.
„Beim Platooning muss nur das vorderste Fahrzeug durch einen Fahrer gesteuert werden, alle nachfolgenden können diesem automatisiert folgen“, erläutert Eric Sax, Leiter des Instituts für Technik der Informationsverarbeitung (ITIV) am KIT. Verbunden sind die Einheiten der Formation dabei nicht physisch, sondern nur informationstechnisch. Die „elektronische Deichsel“ kann leicht entkoppelt und Platoons somit leicht geteilt und wieder verbunden werden. „Durch Platooning können wir den Busbetrieb optimal an den Bedarf je nach Tageszeit oder Linie anpassen – besonders im städtischen Umland“, sagt Svenja Reiß von den Stadtwerken München (SWM). „Da sich die Platoons teilen und verbinden, wie es die Nachfragesituation erfordert, können wir unseren Fahrgästen ein passgenaues Angebot bieten.“
In München sollen alle Busse langfristig durch elektrisch angetriebene Fahrzeuge ersetzt werden. Um auf Nachfrageschwankungen im ÖPNV an verschiedenen Tagen oder zu unterschiedlichen Tageszeiten zu reagieren, werden hier bislang Personenanhänger eingesetzt. „Bei Elektrifizierung der Zugfahrzeuge müsste enorme elektrische Energie eingesetzt werden, um die Anhänger mitzubewegen“, konstatiert Sax. Zusätzlich den Anhänger zu motorisieren, sei weder kosten- noch energieeffizient. Eine rein elektronische und informationstechnische Kopplung wie beim Platooning erlaube hingegen, vollständige Fahrzeuge zu koppeln. „Da dabei gängige Fahrzeugtypen eingesetzt werden, ist die Elektrifizierung einfacher und preiswerter“, so der Experte.
„Wir entwickeln jetzt die Konzepte für das Platooning von Stadtbussen und anschließend die entsprechenden Algorithmen für die Automatisierung“, sagt Nicole Rossel vom ITIV. Diese sollen dann in einem Bus-Prototypen zum Einsatz kommen, den die Forschenden des KIT gemeinsam mit den SWM und dem niederländischen Elektrobushersteller Ebusco bis Mitte 2022 verwirklichen. Dieser soll dann auf dem neuen Testfeld für elektrifizierte und automatisierte Fahrzeuge im öffentlichen Personennahverkehr im Norden der bayerischen Landeshauptstadt getestet werden. „Unser Ziel ist es, die neuen Fahrzeuge ab Mitte des Jahrzehnts auf die Straße zu bringen“, sagt Sax.
Das Projekt TEMPUS „Testfeld München – Pilotversuch Urbaner automatisierter Straßenverkehr“ unter anderem mit den Projektpartnern KIT, SWM und Ebusco startete Anfang 2021 und wird vom Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) für die Laufzeit von zweieinhalb Jahren mit rund 12 Millionen Euro gefördert. Die Federführung liegt im Mobilitätsreferat der Landeshauptstadt München. Für die realitätsnahe Erprobung von automatisierten und vernetzten Fahrzeugen im realen Verkehrsgeschehen errichten und betreiben die Landeshauptstadt München und der Freistaat Bayern ein urbanes Testfeld für automatisierte und vernetzte Fahrzeuge im Norden von München.