In dem 16-seitigen Papier der Ampelkoalition heißt es konkret: „Im Verkehrssektor gilt es, die Dynamik in Richtung Klimaneutralität zu beschleunigen und gleichzeitig bezahlbare Mobilität für alle Menschen in diesem Land zu gewährleisten. Dafür braucht Deutschland ein moderneres und klimafreundlicheres Mobilitätssystem. Maßnahmen wie das Deutschland-Ticket, das zum 1. Mai flächendeckend mit einem Einführungspreis von 49 Euro startet oder der Masterplan Ladeinfrastruktur II, sind dafür ein guter Start. In diesem Paket werden weitere Schritte vereinbart, die insbesondere die Dekarbonisierung unseres Straßenverkehrs und die Modernisierung der Bahn beschleunigen werden.“
Im Einzelnen geht der bdo auf diese Punkte ein:
Anpassung der Klimaschutzgesetzgebung
Die Emissionsminderungsziele der Bundesregierung, die das Erreichen der Pariser Klimaziele sicherstellen sollen, bleiben grundlegend bestehen. Allerdings werden die Verantwortlichkeiten für deren Erreichen anders geregelt als bisher vorgesehen. Jeder Sektor (für die Busbranche vor allem der Verkehrssektor) wird weiterhin einzeln bilanziert. Aber es werden letztendlich alle Sektoren in einer Gesamtschau betrachtet: wenn insgesamt ausreichend Emissionen eingespart werden, einzelne Sektoren ihre Ziele jedoch verfehlen, kommt es zu keinen zusätzlichen Maßnahmen. Dies nimmt vor allem den Druck von Verkehrsminister Volker Wissing (FDP), gesonderte Klimaschutzmaßnahmen aufzulegen, die vor allem von den Grünen seit langem gefordert werden.
Konkret bedeutet dies eine Abkehr von der aktuellen Systematik der „Klimaschutzsofortprogramme“. Der Verkehrssektor verfehlt bekanntermaßen seit mehreren Jahren die Minderungsziele. Entsprechend hätte das Verkehrsministerium Maßnahmen auf den Weg bringen müssen, um sicherzustellen, dass man die Ziele künftig erreicht. Dies ist jedoch in den letzten beiden Jahren nicht erfolgt und hat für große Kritik gesorgt. Künftig soll die Bundesregierung gemeinsam über Maßnahmen beschließen, wie die Emissionsminderungsziele dennoch erreicht werden können.
„Stärkung der Schiene“ aber keine Busmaut
Dazu sollen laut Koalition unter anderem die Netze schneller digitalisiert und die Trassenpreise für den Güterverkehr dauerhaft gesenkt werden. Besonders relevant sei dabei die Nutzung von Einnahmen aus dem neuen CO2-Zuschlag auf die Lkw-Maut für die Sanierung des Schienennetzes, die erstmals so umgesetzt wird. Zum 1. Januar 2024 werden eine CO2-Differenzierung der Lkw-Maut und ein CO2-Aufschlag in Höhe von 200 Euro pro Tonne CO2 eingeführt. Emissionsfreie Lkw werden bis Ende 2025 von der Infrastrukturgebühr befreit, anschließend werden lediglich 25 Prozent des regulären Satzes erhoben. Eine Busmaut, die schon öfters in der Diskussion war, ist diesmal scheinbar nicht im Instrumentenkasten der Politik aufgetaucht.
Verwendung von E-Fuels für Nutzfahrzeuge
Diese synthetischen Kraftstoffe, die idealerweise unter Verwendung von erneuerbaren Energien produziert werden, sollen jetzt grundsätzlich auch für Nutzfahrzeuge zugelassen werden (nicht zu verwechseln mit den HVO100 Kraftstoffen, deren generelle Zulassung auch für private Unternehmen zwar angedacht, aber immer noch nicht in der Praxis umgesetzt ist!). So sollen „rechtliche und administrative Regelungen, die aktuell einer Ausweitung der Nutzung entgegenstehen, beseitigt“ werden. E-Fuels können so zukünftig an Tankstellen verkauft werden. Zeitgleich soll ausgeschlossen werden, dass paraffinische Reinkraftstoffe aus fossilen Quellen oder kritischen biogenen Rohstoffen unbeabsichtigt gefördert werden – hierzu sind neue Sensoriken im Gespräch, die sich zum Beispiel bei Iveco schon in Entwicklung befinden sollen. Gerade für die Bestandsflotten und Reisebusse, für die es derzeit noch keine Alternativen gibt, werden diese eine bedeutende Rolle spielen.
Aufbau Infrastruktur-Grundnetze für batterieelektrische und Wasserstoff-Lkw und Reisebusse
„Der vorausschauende Aufbau eines initialen Netzes an Ladeinfrastruktur („Megawatt-Charging“, MCS) und Wasserstofftankinfrastruktur für schwere Lkw bis 2025 soll sichergestellt werden (erste Ausschreibungen beginnen ab Q3 2023). Für batterieelektrische Lkw wird ein bedarfsgerechtes Grundnetz entlang der Bundesautobahnen geschaffen.“ Ob und inwieweit dies auch für Reisebusse gelten wird, ist allerdings noch völlig offen und wird sicher erst ab Ende des Jahrzehnts in Angriff genommen, wenn erste Anwendungen zur Verfügung stehen, so zum Beispiel die neuen Systeme des Joint Ventures Cellcentric von Daimler und Volvo.
Emissionsfreie Busse und öffentliche Fuhrparks
„Die Vorgaben des Saubere-Fahrzeuge-Beschaffungsgesetzes werden dahingehend geändert, dass im Rahmen der öffentlichen Auftragsvergabe ab 2030 nur noch bilanziell emissionsfreie Fahrzeuge (insb. Nahverkehrs-Busse) beschafft werden dürfen. Die bestehende Förderung klimaneutraler Busse einschließlich Infrastrukturen wird bis 2028 verlängert.“
„Insbesondere der letzte Punkt hat für unsere Branche erhebliche Auswirkungen,“ so der bdo in seiner Handreichung. Damit positioniere sich die Bundesregierung klar, so der Verband. Sie weite ihre bisherigen Ziele in diesem Sektor aus (Elektrifizierung von 50 Prozent der Stadtbusse bis 2030) und setze eine „Wegmarke für die Zeit nach den Regelungen der CVD (bis 2030 65 Prozent saubere und emissionsfreie Busse)“. Gleichzeitig werde angekündigt, dass die Bundesregierung weiterhin die Anschaffung von klimaneutralen Bussen und deren Infrastruktur fördert, der dritte Förderaufruf der aktuellen BMDV-Förderrunde wurde auf der Elekbus-Konferenz des VDV gerade von der NOW als zuständigem Projektträger für das dritte Quartal 2023 locker avisiert. „Dies sind weitgehende Ankündigungen, die mit nicht unerheblichen Herausforderungen für die Unternehmen und Aufgabenträger einhergehen,“ so der bdo. „Allerdings bleiben die Ziele der Bundesregierung hinter den Vorschlägen der EU-Kommission zurück. Diese hatte im Februar vorgeschlagen, dass ab 2030 nur noch emissionsfreie Stadtbusse neuzugelassen werden dürfen.“
Die Bundesregierung beziehe sich jedoch „klar auf das Saubere-Fahrzeuge-Beschaffungsgesetz, das zum einen KMU-Ausnahmen macht und eigenwirtschaftliche Verkehre grundsätzlich nicht mit einbezieht“, freut sich der bdo. Darüber hinaus werde in den Beschlüssen des Koalitionsausschusses von „bilanziell emissionsfreien Fahrzeugen“ gesprochen. Damit bleibt die Tür für den Einsatz von CO2-neutralen alternativen Kraftstoffen wie Biogas offen und die neuen E-Fuels blieben eine nutzbare Option.
Der bdo wolle sich in den kommenden Gesetzgebungsverfahren dafür einsetzen, „dass es weiterhin bei den bestehenden Ausnahmen des Saubere-Fahrzeuge-Beschaffungsgesetzes bleibt und E-Fuels natürlich auch im Bus-Bereich als emissionsfreie Option gelten“. Darüber hinaus sei der Verband bereits in Brüssel aktiv und setze sich dafür ein, dass das überambitionierte 100 Prozent Ziel für emissionsfreie Fahrzeuge der Kommission angepasst wird.