Dass ältere Dieselbusse im ÖPNV durch moderne Fahrzeugtechnik und emissionsarme Abgassysteme auf die aktuelle Euro 6-Norm nachgerüstet werden können, ist inzwischen kein Novum mehr. Wie sieht’s aber aus mit der Umrüstung eines Dieselbusses auf Elektrobus? Unvorstellbar? Nicht für das Münchner Engineering-Unternehmen In-Tech. Das inhabergeführte Unternehmen mit den Schwerpunkten Elektronik und Software hat ein Umrüstsystem entwickelt – „e-troFit“ genannt – das Dieselbussen ein zweites Leben als E-Fahrzeuge verleihen soll. Zunächst stehen die Fahrzeugmodelle Mercedes-Benz Citaro I und II sowie MAN Lion’s City im Fokus dieses Projekts, das vor Kurzem mit dem Deutschen Mobilitätspreis ausgezeichnet wurde.

Deutsche Bushersteller können aktuell noch keine vollelektrischen Busse liefern, die die Anforderungen des ÖPNV erfüllen. Genau in diese Lücke springt das Münchner Dienstleistungsunternehmen In-Tech, das seit vielen Jahren in den Bereichen Automotive, Maschinenbau und Verkehrssysteme tätig ist, mit seinem Projekt „e-troFit“. Bis die deutschen Bushersteller soweit sind, dass sie vollelektrische Busse in Serie und in großen Stückzahlen liefern können, bietet In-Tech mit seiner Umrüstlösung die Möglichkeit, bestehende Dieselfahrzeuge auf Elektrobusse umzurüsten und das Leben dieser Fahrzeuge zu verlängern. „Wir sehen uns als Laufzeitverlängerer“, erklärt Matthias Kerler, Projektleiter „e-troFit“. Im Vergleich zum Neukauf soll eine Umrüstung bis zu 50 Prozent günstiger sein, lautet das Versprechen des Unternehmens. „Mit ‚e-troFit‘ bieten wir eine E-Mobility-Umrüstung an, die modular und individuell an die Kundenanforderungen angepasst ist – und gleichzeitig den Qualitätsanspruch an ein Serienprodukt erfüllt, so Matthias Kerler weiter. 

Und so funktioniert das Ganze: Zunächst wird das Liniennetz des jeweiligen Busbetreibers analysiert und die Anforderungen an Batteriereichweite, Motorleistung und Ladekonzept ermittelt. Kurzum: eine Anforderungsanalyse wird vorgenommen. Darauf aufbauend wird ein maßgeschneiderter Antriebsstrang ausgelegt, der nur so viel Batteriekapazität enthält wie notwendig. Nicht zu viel, nicht zu wenig. Denn die „Kosten hängen massiv von der Batterie ab, sie ist die teuerste Komponente im Bus“, erklärt Kerler. Diese könne über die Hälfte der Kosten ausmachen. Darauf habe aber der Betreiber entscheidenden Einfluss, verrät er und ergänzt: „Wenn der Busbetreiber ein Fahrzeug haben will, das auch bei widrigsten klimatischen Bedingungen 300 Kilometer Reichweite haben muss, dann braucht er eine sehr große Batterie.“ Das bedeutet mehr Gewicht und mehr Kosten. Die Batteriegröße wird schrittweise über den modularen Ansatz angepasst. Dabei handele es sich um Li-Ionen-Batterien, die auf zylindrischen Zellen basieren, ähnlich wie sie auch im Tesla zu finden seien, erläutert Kerler.

In-Tech stellt die Batterie nicht selbst her, sondern kauft diese zu, genauso wie die elektrifizierten Nebenaggregate im Bus, die in das „e-troFit“-System integriert werden. Systemintegration gehöre neben Testen und Absichern zu den Stärken der Firma In-Tech. Das nötige Know-how dazu bringe das Unternehmen aus seinen langjährigen OEM-Geschäften mit, erläutert Kerler. Die Umrüstung des Busses findet dann in einem Partnerwerkstattnetz auf Basis der spezifizierten Komponenten statt. Das Münchner Unternehmen forciert die komplette Vernetzung des Fahrzeugs mit der digitalen Infrastruktur, bis hin zum intelligenten Lastmanagement im Stromnetz. Im Rahmen der Umrüstung erhalten die Fahrzeuge standardmäßig ein Telematikmodul, das sämtliche Betriebsdaten des Fahrzeugs an den Betreiber übermittelt.

Matthias Kerler ist überzeugt von diesem Konzept. Er hat Maschinenbau an der TU München studiert. Mit E-Mobilität hat sich Kerler sowohl während seines Studiums als auch danach intensiv auseinander gesetzt. Abgeschlossen hat er sein Studium 2012. Anschließend promovierte er weitere fünf Jahre ebenfalls an der TU München am Lehrstuhl für Fahrzeugtechnik bei Prof. Markus Lienkamp. Dieser forscht seit vielen Jahren auf dem Gebiet der Elektromobilität mit dem Ziel, neue Fahrzeugkonzepte zu erstellen. Kerler hat hier verstärkt im Bereich der Batterietechnologie geforscht. Im Herbst 2017 wechselte er zu In-Tech, wo er jetzt die Abteilung „e-troFit“ leitet. „Hinter dem ‚e-troFit‘-Konzept steckt ein Unternehmen, das seit sehr vielen Jahren im Dienstleistungsbereich tätig ist und das Seriengeschäft mit OEMs gewohnt ist. Wir wissen auch, welches Qualitätsniveau gerade im Busbereich notwendig ist. Deshalb entwickeln wird sehr kundennah“, verdeutlicht Kerler. Der Grund, warum man sich bei der Umrüstung zunächst einmal auf die Fahrzeugmodelle Citaro und Lion’s Coach beschränkt habe sei, dass diese beiden Modelle in großen Stückzahlen auf dem deutschen Fahrzeugmarkt unterwegs seien. „Die Entwicklungskosten müssen abgedeckt sein und das erreicht man nur mit Fahrzeugen, die in großen Stückzahlen im Fuhrpark der Betreiber fahren“, bringt er auf den Punkt.

Wie sieht’s eigentlich mit Praxisbeispielen aus? Aktuell gibt es eine Kooperation mit den Stadtwerken Landshut. Die haben einen Bus zur Verfügung gestellt, der auf E-Antrieb umgerüstet wird – ein Prototyp. Dieser soll 2019 in den Linienbetrieb gehen. Doch vorher soll der Bus auf einer Teststrecke laufen. Parallel zu diesem Projekt sollen weitere Fahrzeuge umgerüstet werden, die dann im Linienbetrieb erprobt werden sollen. „Wir setzen auf bewährte Technik und machen keine Experimente“, stellt Matthias Kerler klar. Nächstes Jahr rechnet er bereits mit den ersten Aufträgen. Man habe mit vielen Städten und privaten Betreibern gesprochen. „Die ersten Kunden stehen in den Startlöchern“, kündigt Kerler an.