Kai Otto war damals für die spanische Hotelkette Riu in leitender Position tätig. Ferner legte der Ausbruch des Vulkans Eyjafjallajökull auf Island im April 2010 die Reisebranche lahm.
Kai Otto stammt aus einer touristischen Unternehmerfamilie. Seine Eltern waren beide in der Branche aktiv. Er ist in München geboren, aber in Spanien aufgewachsen – in der Wahlheimat seiner Mutter, die dort eine Ferienwohnanlage leitete und parallel dazu ein Restaurant an der Costa Brava betrieb. So wuchs Otto quasi in der Touristik auf und lernte alles von der Pike auf. In den Sommerferien besserte er sein Taschengeld auf, indem er als Reiseleiter arbeitete oder in Wechselstuben aushalf. Nach der Schule absolvierte er in München eine Ausbildung zum Hotelkaufmann und heuerte bei Tui an, wo er dann zum Reiseverkehrskaufmann ausgebildet wurde. Als Azubi wurde er in das damals neu aufgelegte Projekt „Tui Urlaubscenter“ (heute Tui Reisecenter) mit eingebunden.


Als aus dem Tui Urlaubscenter dann ein eigenständiges Unternehmen wurde, überzeugte ihn der neue Chef der Firma, bei der Tui zu bleiben und „das Baby mit aufzubauen“, erinnert sich Kai Otto. Er blieb. Daraus wurden acht Jahre (1991-1998). Im Jahr 1999 kam dann der Wechsel zu der spanischen Hotelkette Riu Hotels & Resorts. Er ging nach Mallorca. Bis 2009 war er bei Riu, wo er die Internationalisierung des Riu-Partnerclubs vorantrieb. Sein Zuständigkeitsbereich erweiterte sich aber rasch, so hatte er daneben die Katalogproduktion, den Kundendienst und zum Teil die Gruppenreisen zu verantworten.


Allmählich packte ihn der Inselkoller. Als seine Frau und er beschlossen, wieder aufs Festland zu ziehen, erreichte ihn ein verlockendes Angebot von der Hotelkette Bahia Principe. Er sollte dafür sorgen, die Hotelgruppe auf dem europäischen und vor allem dem deutschen Markt zu etablieren. Kai Otto sagte zu und blieb weitere fünf Jahre auf der Insel. Aufs Festland kam er dann über eine Investmentfirma, die ihn abwarb. Wenig später kontaktierte ihn ein Headhunter im Auftrag der PTI Panoramica. Werner Maaß, Inhaber und Geschäftsführer der PTI, wollte sich in den Ruhestand begeben und war auf der Suche nach einem geeigneten Nachfolger.


Kai Otto traf sich mit Werner Maaß und „wir verstanden uns gleich auf Anhieb gut“, erzählt Otto. So ließ er sich auf das Projekt ein und übernahm im Jahr 2015 das Kommando bei der PTI. Der Rostocker Reiseveranstalter wurde gleich nach der Wende von Werner Maaß als Reisebusunternehmen gegründet. Maaß als erfahrener Touristiker – er war vorher beim Reisebüro der DDR tätig – erkannte sehr schnell, dass mit dem damaligen Militärflughafen Rostock-Laage, der auch zivil genutzt werden konnte, ein weiterer lukrativer Geschäftsbereich erschlossen werden konnte. So nahm er auch Flugreisen mit ins Reiseprogramm auf. „Die ersten Chartermaschinen, die von hier aus losflogen, waren PTI-Maschinen“, weiß Otto zu berichten. Die Flüge gingen bis nach Kanada. Das lukrative Geschäft zog wenig später die Aufmerksamkeit von großen Veranstaltern auf sich. Sie begannen, die Regionalflughäfen für sich zu nutzen. Daraufhin zog sich die PTI zurück, „da Werner Maaß wusste, dass er als kleiner Reiseveranstalter mit ihnen nicht konkurrieren konnte“, berichtet der jetzige PTI-Chef und betont: „Er wollte Qualität und keinen Mainstream anbieten“.


Heute steht die PTI auf vier Säulen, Busreisen sind nach wie vor die stärkste Säule. Die PTI ist ein Reiseveranstalter ohne eigenen Fuhrpark, mietet aber Reisebusse an. Die zweite Säule sind Flusskreuzfahrten. Flugreisen sind die dritte und Hochseekreuzfahrten die vierte Säule des Unternehmens. Letztere lag viele Jahre brach. Der neue Firmen-Chef hat das Thema wieder stärker aufgenommen. Auch den Flusskreuzfahrtenbereich hat PTI weiter ausgebaut. „Flusskreuzfahrten waren vor Corona schon ein wachsender Markt. Durch Corona erlebt dieser Bereich sogar einen Boost“, sagt der PTI-Chef. Flussreisen hat der Rostocker Reiseveranstalter seit 28 Jahren im Programm. In der Corona-Zeit hat PTI in Zusammenarbeit mit der Schweizer Reederei Navibelle Cruises mit „Fluss 1“ eine neue Marke für den Bereich Flusskreuzfahrten entwickelt. Im Laufe des Jahres 2022 soll Fluss 1 ein eigenständiges Unternehmen werden. Die Firmengründung gestaltete sich bisher als sehr schwierig durch viele coronabedingte Hürden.

 

Stabiles Fundament
Für seinen Vorgänger Werner Maaß findet Kai Otto lobende Worte: „Ich möchte das Unternehmen in seinem Gedankengang weiterführen. Er hat eine hervorragende Arbeit geleistet. Aufgrund seiner guten Arbeit haben wir einen guten Ruf – auch in Westdeutschland. Wir stehen auf einem sehr guten Fundament. Für mich geht es jetzt darum, das Rad etwas intensiver zu schmieren.“ Das Rostocker Unternehmen zeichne sich aus durch Qualität und ein gutes Preis-Leistungsverhältnis.


In der Pandemiezeit habe sich vor allem die Strategie bewährt, sich nicht einzuigeln, sondern immer aktiv zu bleiben. Es sei für den krisenerprobten Manager erschreckend gewesen, zu beobachten, wie viele Unternehmen zu Beginn der Corona-Pandemie in Schockstarre gefallen seien. „Man muss solche Situationen kalt und nüchtern analysieren und darf sie nicht emotionsgeladen handhaben“ empfiehlt Kai Otto und erläutert: „Es gibt manchmal Situationen, auf die man keinen Einfluss nehmen kann, da kann man nur noch Schadensbegrenzung machen. Also muss man sich auf das konzentrieren, was man tun kann. Es ist wichtig, sich auf die Lösung zu konzentrieren und daraus für zukünftige Krisensituationen zu lernen. Ich bin der Chef, ich kann mir keine Panik leisten.“ Er hat, ausgehend von seinen eingangs erwähnten Erfahrungen in Sachen Krisenmanagement, gleich im Februar 2020 – wohl ahnend, dass etwas Großes auf die Branche zurollt – eine Strategie ausgearbeitet und seinen Mitarbeitern vorgestellt. „Ich weiß noch, welche verheerenden Auswirkungen die Schweine-grippe in Mexiko auch auf das Personal hatte“, erinnert er sich. „Das wollte ich alles umgehen.“ So war er, als es dann Mitte März 2020 zum Lockdown kam, gut vorbereitet und konnte den Banken, Versicherungen und anderen Institutionen und Behörden einen bereits vollständig ausgearbeiteten Plan für sein Unternehmen vorlegen. „Wir haben in der Vergangenheit gut gewirtschaftet, deshalb hatten wir keine Liquiditätsengpässe zu befürchten“, zeigt sich Kai Otto dankbar.


Auch was die Themen Reisestornierung und Gutscheine betrifft, zog er vor, zweigleisig zu fahren und parallel zu den politischen Diskussionen ein eigenes Konzept zu entwickeln. Gesagt, getan. Die Idee: Restzahlungen wurden komplett an die Kunden zurückbezahlt. Für die Anzahlung hat man den Kunden angeboten – wenn er sich dafür entscheidet, diese bei der PTI zu belassen – dass er dann einen Aufschlag in Höhe von zehn Prozent darauf erhält. Das kam bei den Kunden sehr gut an. Nur ein sehr geringer Anteil der Kunden habe auch die Anzahlung zurückverlangt. Auf die Weise blieb die PTI auch weiterhin in Kontakt mit den Kunden, beriet sie über neue Reiseangebote und baute Unsicherheiten im Gespräch ab.

 

Busreisen schmackhaft machen
Der Bus- und Gruppentouristik prognostiziert Kai Otto eine sehr gute Zukunft: „Wir haben einen großen Vorteil in der Bustouristik. Der demografische Wandel spielt uns in die Karten. Deutschland wird immer älter und wird immer länger ‚fitter‘ älter. Unser Ziel ist es jetzt, den demografischen Wandel für uns zunutze zu machen und die Kunden an uns zu binden. Durch Qualität und gutes Preis-Leistungsverhältnis.“ Seiner Meinung nach entdecken die Menschen den Bus als Reiseverkehrsmittel leider heute viel später – also erst mit 65 – als es noch früher war. „Uns muss es jetzt gelingen, diejenigen früher in den Bus zu bekommen, die erst später auf den Bus steigen“, so Otto weiter. Man müsse entsprechend aktiv werden, z.B. auf Messen, und potenzielle Kunden gezielt ansprechen, das Produkt Busreisen vorstellen und die Vorzüge des komfortablen Reiseverkehrsmittels herausstellen sowie vor Ort erlebbar machen. Will heißen: Busreisen schmackhaft machen. Neue Kunden könne man auch über andere Wege wie etwa Non-Bus-Produkte wie Flugreisen generieren. Wer gute Erfahrungen mit einem Reiseveranstalter gemacht hat, den könne man auch für andere Produkte begeistern. Ein weiterer Trumpf, den es als Reisebusbranche gekonnt auszuspielen gilt, sei das Thema Klima. Hier könne der Bus mit seiner hervorragenden Klimabilanz punkten.


Fakt sei, so Kai Otto, die Menschen seien hungrig nach Reisen – wie die Reaktion der Reisebuskunden nach dem Lockdown in 2021 deutlich gezeigt habe: Ende Mai hat die PTI ihren Winterkatalog herausgegeben. „Es wurde gebucht wie verrückt“, berichtet der PTI-Chef. „Die ersten Wochen waren die besten der letzten Jahrzehnte“, freut er sich. Man habe verglichen mit 2019 sechs Prozent mehr Umsatz generiert.
„Wir müssen in der Bustouristik lernen, offener zu werden, wir sind teilweise sehr verbohrt. Bei uns fehlt der rege Austausch, weil sich keiner in die Karten schauen lassen möchte. Etliche Unternehmer wären besser durch die Corona-Zeit gekommen, wenn sie offener gewesen wären und wenn sie vorher den Austausch gesucht hätten“ stellt Kai Otto bedauerlich fest. Positiv sei aber, dass sich die nächste Generation offener und kommunikativer zeige.
Askin Bulut