Denn wer in die Fußstapfen der Eltern tritt, weiß meist sehr genau, was das beruflich für ihn bedeutet. Man hat jahrelang erfahren dürfen, wie der Arbeitsalltag der Eltern aussieht, hat miterlebt, was für besonderen Stress gesorgt hat, welche Punkte besonders spannend und interessant waren und worauf die Eltern lieber verzichtet hätten.

Britta Dirr sieht in der Unternehmensnachfolge eher eine Chance. Die junge Frau arbeitet seit 2014 im mütterlichen Betrieb an der Seite ihrer Mutter Barbara Dirr in der Geschäftsleitung von Ostertag Reisen mit. Ihr Aufgabenumfeld ist dabei umfassend. „Apropos Aufgabenbereich“, sie muss herzlich lachen und erklärt: „Ich bin Mädchen für alles. Unser Busbetrieb ist klein und in einem kleinen Betrieb macht jeder irgendwie alles.“ Von der Geschäftsleitung über Personal, Werkstatt bis hin zu Websitebetreuung und Reinigungsarbeiten gehören unterschiedliche Bereiche zu ihrem täglichen Aufgabenspektrum. Insgesamt beschäftigt Ostertag Reisen elf Mitarbeiter. Das Unternehmen ist auf Busreisen spezialisiert, Flugreisen spielen eine untergeordnete Rolle. Zum Fuhrpark des im Jahr 1927 gegründeten Familienunternehmens gehören vier Reisebusse und drei Linienbusse.


Mit ihren 28 Jahren ist Britta Dirr noch sehr jung. Daher ist es nicht verwunderlich, dass ihr Plan für ihre berufliche Laufbahn ursprünglich anders aussah: Zuerst absolvierte sie nach der Schule ihre Ausbildung zur Kauffrau für Bürokommunikation bei Evobus in Ulm und hängte dann eine Verkäuferweiterbildung bei der Daimler AG dran. Anschließend bildete sie sich zur Industriefachfrau weiter, erwarb den Ausbilderschein und legte die Unternehmerprüfung ab. Das Ziel für die im bayerischen Günzburg (Landkreis Heidenheim) geborene Britta Dirr war, weiterhin für die Daimler AG zu arbeiten und zunächst einmal ins Ausland zu gehen. Es kam dann doch anders: Als ihre Mutter aufgrund privater Umstände die Geschäftsführung alleine übernommen hatte, entschied sie sich, ein Jahr lang probeweise in den mütterlichen Betrieb reinzuschnuppern. Indessen arbeitete sie Teilzeit bei Daimler weiter. „Dann hat es mir im Busbetrieb so gut gefallen, dass ich geblieben bin“, sagt sie. „Reisen ist für mich das Schönste im Leben und durch meinen Beruf gebe ich das auch an andere Menschen weiter.“


Britta Dirr arbeitet eng mit ihrer Mutter zusammen. Dabei lässt Barbara Dirr ihrer Tochter den nötigen Freiraum, den sie braucht, um sich zu entfalten und ihre eigenen Ideen einzubringen. „Es gibt nur wenige Differenzen“, sagt Britta Dirr. Wer die beiden kennt, weiß, sie sind ein Herz und eine Seele. Ein wichtiger Faktor für die harmonische Zusammenarbeit mit ihrer Mutter ist, so Britta Dirr, dass sie ihre Lehre nicht im mütterlichen Betrieb absolviert hat. So habe sie von Anfang an gelernt, dass ihre Mutter die Chefin sei und damit auch das letzte Wort habe. „Sie lässt mir viel freien Raum und lässt mich auch ausprobieren“, erklärt Britta Dirr und veranschaulicht ihre Aussage mit einem Beispiel: „Als wir das erste Mal gemeinsam den Reisekatalog gemacht haben, habe ich sehr viele neue Reiseprogramme zusammengestellt und im Katalog integriert, weil ich fest davon überzeugt war, dass man nicht immer die gleichen Reisen anbieten, sondern auch neue entwickeln sollte. Mindestens 50 Prozent neue Reisen im Katalog.“ Mutter Dirr habe ihre Tochter machen lassen, wohlwissend, dass ihre Klientel diese Reisen nicht annehmen werden. Es habe sich dann schnell rausgestellt, dass alle alten Reisen gut gelaufen waren, die neuen aber floppten. „Ein Lernprozess für mich“, sagt Britta Dirr rückblickend. „Meine Mutter lässt mich meine eigenen Erfahrungen machen.“


Verschiedene Generationen haben unterschiedliche Vorstellungen und Interessen. Auf diese Weise entstehen neue Perspektiven und Ziele, und ein Unternehmen entwickelt sich im Idealfall weiter. Konfliktpotenzial zwischen Jung und Alt sieht Britta Dirr eher im Bereich der Neuen Medien. „Ich würde im Gegensatz zu meiner Mutter grundsätzlich mehr in diesen Bereich investieren“, verrät sie. Den Mehrwert, der dadurch erzielt werden könne, erkenne ihre Mutter nicht in dem Maße, wie ihre Tochter. Hier sei noch viel Luft nach oben. Man arbeite aber daran.
Entwicklungspotenzial in der Bustouristik, speziell bei Ostertag Reisen, sieht Britta Dirr darüber hinaus vor allem bei Alleinreisenden. „Es gibt sehr viele Menschen, die alleine verreisen und das am liebsten mit dem Bus“, beobachtet sie. Und in Zukunft, davon ist sie überzeugt, wird es immer mehr Alleinreisende geben. Deshalb hofft sie, dass sich die Problematik der Einzelzimmerzuschläge verbessert. Des Weiteren vernetzt sich das kleine Familienunternehmen seit ein paar Jahren verstärkt mit anderen Busunternehmen aus der Region. Gerade bei größeren Reisen bündelt man die Kompetenzen und arbeitet zusammen. Man schreibt größere Reisen gemeinsam aus und garantiert
so die Durchführung, da die Mindesteilnehmerzahl erreicht wird. So ermögliche man es seinen Kunden, an Reisen teilzunehmen, für die man selber das Know-how nicht hat oder die Durchführung nicht garantieren kann. Dadurch binde man den Kunden stärker an sich. Denn, auch wenn der Reisegast am Ende beim Partnerunternehmen mitfahre, so laufe die komplette Abwicklung und Kommunikation über Ostertag Reisen und umgekehrt. Der Kunde bleibt erhalten. „Eine Win-Win-Situation also“, bezeichnet Britta Dirr eine solche Partnerschaft. Wertvoll sei zudem auch der besondere Austausch zwischen den Busunternehmen. Als kleiner Busbetrieb sei man auf solche Kooperationen angewiesen. Das soll kontinuierlich ausgebaut werden. Britta Dirr hofft für die Zukunft, dass die Klientel in der Bustouristik offener wird gegenüber Neuem, damit auch kreativere Reiseangebote Anklang finden.