Gegenstand der Berichterstattung war, dass der Hamburger Rechnungshof die Beteiligung der Stadt an dem Busreiseveranstalter beanstandete und diese aufforderte bei der RRH auszusteigen. Auch der Bund der Steuerzahler Hamburg kritisierte die Beteiligung Hamburgs am Reisering.
Nun sind seither fast zwei Jahre vergangen. Viel hat sich nicht getan. Doch Ende 2021 ließ ein Bericht des NDR (Norddeutscher Rundfunk) die Busbranche aufhorchen. Demnach hat die RRH bereits vor Corona – in 2019 – ein Minus erwirtschaftet, das von den VHH übernommen wurde. Zudem wurde durch den NDR-Bericht bekannt, dass Beschäftigte der RRH u.a. in den Liniendienst der VHH integriert werden. Eine klare Vermischung. Sicherlich gilt auch hier das Gebot der Trennungsrechnung, damit staatliche Mittel nicht auf Umwegen einem Unternehmen zufließen und so einen Wettbewerbsvorteil begründen. Darüber hinaus stellt sich die Frage: Warum betreibt ein kommunales Unternehmen überhaupt eine Reisesparte? Ein Geschäftsfeld, das mit dem Prinzip der Daseinsvorsorge nichts zu tun hat und das von privaten Busunternehmen seit jeher erfolgreich betrieben wird. Das ist Wettbewerbsverzerrung in Reinkultur und eine Praxis, die hierzulande verbreiteter ist, als man denkt!


Wo kein Kläger, da kein Richter – ein vergleichbares Szenario spielt sich auch in Thüringen ab. Das Verkehrsunternehmen Wartburgmobil (VUW) gemeinsame kommunale Anstalt öffentlichen Rechts (gkAöR) hat nämlich ein ähnliches Konzept. Der feine Unterschied zur RRH ist, dass es sich bei Wartburgmobil um eine AöR, also Anstalt des öffentlichen Rechts handelt und nicht um eine GmbH. Um diese Thematik verstehen zu können, habe ich u.a. mit dem Rechtsanwalt Martin Kupfrian und mit Elke Gabriel gesprochen. Gabriel, die auch mit einem privaten Busunternehmer verheiratet ist, ist seit 2019 kommunalpolitisch aktiv und setzt sich u. a. für mittelständische Unternehmen ein – so auch in diesem besagten Fall. Im Thüringischen Landkreis Wartburgkreis wurde bis Ende Mai 2019 der ÖPNV durch die Verkehrsgesellschaft Wartburgkreis mbH betrieben, die Inhaberin der Konzessionen im ÖPNV war. Gesellschafter waren zwei kommunale und zwölf private Busunternehmen. Die Zusammenarbeit lief reibungslos. Ab 2019 wurde die EU Verordnung 1370/2007 umgesetzt, die die Vergabe von Verkehrsleistungen im ÖPNV und deren Finanzierung durch die öffentliche Hand regelt. Durch den Landkreis Wartburgkreis erfolgten Direktvergaben. Um den neuen Anforderungen nachkommen zu können, mussten sich die privaten Verkehrsunternehmen neu strukturieren. Acht von ihnen schlossen sich zu drei OHGs (offene Handelsgesellschaft) zusammen und gründeten die eigene Verkehrsgemeinschaft Werra-Hainich UG (haftungsbeschränkt), die den privaten Verkehrsunternehmern heute als Managementplattform dient. Die drei OHGs betreiben heute mit 28 Linienbussen ca. 22 Prozent des ÖPNV in Thüringens größtem Landkreis als eigene Konzessionäre.


Im August 2017 wurde mit Beschluss des Stadtrates Eisenach und des Landkreises Wartburgkreis das kommunale Verkehrsunternehmen PNG in die gemeinsame kommunale Anstalt des öffentlichen Rechts Wartburgmobil (gkAÖR Wartburgmobil) umgewandelt. Seitdem betreibt das kommunale Unternehmen auch verstärkt Anmiet- und Gelegenheitsverkehr – subventioniert mit Steuergeldern. Das Thüringer Landesverwaltungsamt (Aufsichtsbehörde) hat dafür die Genehmigungen erteilt. Man kommt bei dieser Vorgehensweise nicht umhin zu mutmaßen, dass der Freistaat Thüringen auf diese Weise Ausgleichsmittel spart.


Interessant ist, dass der Landkreis schon immer einen Reisebus besaß, er aber ab 2018 auch werbetechnisch neue Wege ging und seinen Anmiet- und Gelegenheitsverkehr offensiv bewarb. Die Umsätze im Anmiet- und Gelegenheitsverkehr sind für jeden in den öffentlichen Wirtschaftsplänen der Gesellschaft einsehbar. Demnach hat Wartburgmobil von 2017 bis 2019 jährlich ca. 600.000 Euro Umsatz mit Anmiet- und Gelegenheitsverkehr erwirtschaftet. Der Reiseverkehr wird auch mit Hochbodenlinienbussen betrieben – Bussen, die aus Steuermitteln für den ÖPNV gekauft werden und ausschließlich dem ÖPNV, einer kommunalen Daseinsvorsorge, zugutekommen müssen – ebenso wie das Personal, der Diesel, der Betriebshof etc. Wo bleibt da die saubere Trennung nach EU VO 1370? Private Busunternehmer müssen das Geld für ihre Fahrzeuge im Reiseverkehr selbst verdienen und können nicht auf Mittel öffentlicher Haushalte zurückgreifen.


Ein weiteres Problem ist, dass der freigestellte Schülerverkehr im Wartburgkreis nicht mehr öffentlich ausgeschrieben wird. Das Ganze läuft über Inhouse-Vergaben, also man handhabt es wie ÖPNV, was nach unserer Lesart unzulässig ist. Gabriel hat nun als „interessierte Bürgerin“ zu diesen Themen Petitionen beim Thüringer Landtag eingereicht und die acht privaten Verkehrsunternehmen bringen gerade eine Beschwerde bei der Europäischen Kommission auf den Weg. Eventuell aus dem Reiseverkehr entstehende Defizite müssen im Fall von kommunalen Betrieben die Steuerzahler tragen, im Fall der gKAÖR Wartburgmobil gibt es sogar eine „Anstaltslast“. Die Thüringer Kommunalordnung stellt zudem fest, dass eine AöR nur im Rahmen der Daseinsvorsorge tätig sein darf, das interessiert den Freistaat Thüringen allerdings augenscheinlich recht wenig. Der Eingriff in den Kernmarkt von privaten Verkehrsunternehmen durch kommunal finanzierte Unternehmen bringt die privaten Anbieter in Bedrängnis. Nicht zu vergessen ist, dass private Unternehmen auch Arbeitsplätze sichern und Steuereinnahmen der Kommunen wesentlich mitbestimmen.


Wartburgmobil und Reisering Hamburg sind keine Ausnahmen, im Gegenteil: Es gibt bundesweit noch mehr kommunale Verkehrsunternehmen, die Reiseverkehr betreiben. Allerdings tragen kommunale Unternehmen kein wirtschaftliches Risiko. Auch der private Mittelstand im Reiseverkehr hat in diesen Zeiten der Pandemie schwer zu kämpfen. Es ist weder zielführend noch rechtmäßig, dass die Verantwortungsträger in Land und Kommunen die Situation durch solches Verhalten noch erschweren.n