Die Verknappung des Fahrpersonals führt bereits heute dazu, dass Busunternehmen teilweise bestimmte Fahrten – hier aktuell insbesondere im Reiseverkehr – nicht anbieten können.

Hinzu kommt, dass viele Busunternehmen infolge der Corona-Krise Personal an andere Branchen verloren haben. In Bayern z.B. vermehrt an die Industrie und den Güterverkehr, bestätigte Stephan Rabl, Geschäftsführer des Landesverbands Bayerischer Omnibusunternehmen (LBO), im Gespräch mit dem Bus Blickpunkt. Dass das Problem des Fahrpersonalmangels sehr akut ist, bekräftigte auch Christian Gladasch, Geschäftsführer des Verbands Nordrhein-Westfälischer Omnibusunternehmen (NWO). „Das scheint aber regional sehr unterschiedlich zu sein“, sagte Gladasch, sowohl betriebsintern, als auch NRW-weit. Der Mehrbedarf an Fahrern sei aktuell vor allem auch durch die Flutkatastrophe, Schülerverstärkerfahrten, Schienenersatzverkehre etc. zustande gekommen. Was den Reiseverkehr angeht, so sagte der NWO-Geschäftsführer: „Viele Busunternehmen hätten mehr Reisen durchführen können, wenn sie mehr Personal gehabt hätten. Busse stehen zur Verfügung, aber kein Personal.“

Stephan Rabl appelliert nachdrücklich an die Busunternehmen, offene Stellen an die Arbeitsagenturen zu melden. Denn der Beruf des Berufskraftfahrers sei immer noch nicht als Mangelberuf anerkannt. Der Grund dafür sei, dass viele Busunternehmen offene Stellen nicht meldeten. Das hat zur Folge, dass der eklatante Mangel durch das statistische Raster der Bundesagentur für Arbeit nicht erfasst wird und die Branche von den damit verbundenen Vorteilen nicht profitieren kann. Das sind verpasste Chancen. Denn die Änderung des Status würde u.a. die Akquise von Personal aus dem nicht EU-Ausland deutlich erleichtern.

Molo fordert, dass der Berufskraftfahrer dezidiert als Mangelberuf anerkannt wird, und die Förderpraktiken für die Verkehrsbranche bei den Arbeitsagenturen und Jobcentern ausgebaut und zielgerichteter ausgestaltet werden. Auch könne es nicht sein, dass der Zugang zum Beruf des Kraftfahrers in den letzten Jahren zunehmend erschwert worden sei, etwa durch ein restriktives Führerscheinrecht. Der Verband kritisiert zudem die Kosten des Führerscheinerwerbs, die mehr als das Doppelte dessen betragen, was beispielsweise ein Führerschein in Österreich koste.
Wie sinnvoll eine intensive Zusammenarbeit u.a. mit Arbeitsagenturen und Jobcentern sein kann, berichtete Tim Blankennagel, Geschäftsführer der Blankennagel Gruppe in Wuppertal. Das Wuppertaler Busunternehmen ist größtenteils im ÖPNV tätig. Tim Blankennagel befasst sich schwerpunktmäßig mit dem Thema Personal im Unternehmen. Der Jungunternehmer kümmert sich intensiv um die Personalgewinnung. „Ich arbeite zwölf Monate im Jahr dauerhaft, damit wir unsere Leistung auf die Straße bringen“, verdeutlicht er den Aufwand an Zeit und Mühe, die investiert werden müssen und fügt an: „Das ist ein dauerhafter Prozess.“ Das Ergebnis kann sich sehen lassen: Wie Tim Blankennagel verrät, herrscht kein akuter Fahrermangel in seinem Betrieb, aber ein Bedarf sei immer da. „Wenn ich aufhören würde zu suchen, dann hätten wir ein massives Problem.“ Das Unternehmen schöpft bei der Personalsuche alle Kanäle aus, neben der Zusammenarbeit mit den Arbeitsagenturen, bildet man Personal im eigenen Betrieb aus und pflegt auch eigenständig Kontakte zu anderen europäischen Ländern. Vor Corona hat die Blankennagel Gruppe zudem Bewerbertage in Zusammenarbeit mit der Arbeitsagentur veranstaltet.

Verknappung des Personals wird massiv befeuert

Wie dramatisch der Fahrermangel ist, zeigt der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) auf: „Für die Mobilitätswende werden bis 2030 rund 110.000 Fachkräfte allein für den ÖPNV gesucht. Hinzu kommt der Personalbedarf im Fern- und Güterverkehr auf der Schiene.“ Bis 2030 muss für fast die Hälfte der rund 151.000 Beschäftigten im öffentlichen Personenverkehr eine Neubesetzung gefunden werden“, teilte der Verband auf Bus Blickpunkt-Anfrage mit. Viele werden in den Ruhestand gehen in den kommenden Jahren, und es gilt diese Stellen zu besetzen, um das Angebot aufrechtzuerhalten. Warum wurde das Problem nicht schon früher erkannt und angegangen?

Auf diese Frage antwortete Eike Arnold, stv. Pressesprecher des VDV: „Über Jahre und Jahrzehnte wurde beim ÖPNV vor allem auf den Kostendeckungsgrad geschaut: Öffentlicher Nahverkehr durfte nichts kosten, die Unternehmen wurden auf Effizienz getrimmt. Mit der Verpflichtung auf die internationalen Klimaschutzziele wird nun seit einigen Jahren eine Mobilitätswende hin zu mehr ÖPNV gefordert.“ Man soll digitaler werden, das Ticketing umstellen, On-Demand-Verkehre einführen, künftig auch autonom fahren. Was einen Mehrbedarf an Infrastruktur, Fahrzeugen – und vor allem an Personal nach sich zieht. Dadurch wird die Verknappung des Personals massiv befeuert. Wer soll all diese zusätzlichen Dinge umsetzen?

Fakt ist, der Markt braucht verkehrspolitische Unterstützung und wirksame Fördermaßnahmen. „Es ist unbedingt erforderlich, gemeinsam mit der Politik die Arbeitsbedingungen für das Fahrpersonal zu verbessern. Darüber hinaus muss dringend nach Lösungen gesucht werden, wie der Berufszugang verbessert werden könnte. Dabei wäre eine Ausweitung der Förderprogramme von Aus- und Weiterbildung im Verkehrsgewerbe absolut angebracht“, so Molo-Geschäftsführer Heiko Nagel.