auf den ohnehin schon hart umkämpften Wettbewerbsmarkt – sowohl im Gelegenheitsverkehr als auch im ÖPNV und im Fernlinienverkehr. Und die gesetzlichen Rahmenbedingungen, national wie auf EU-Ebene, tun ihr Übriges. Der Reiseveranstalter Wörlitz Tourist in Berlin, gegründet 1990, gehört heute zu den erfolgreichsten Unternehmen in der Bus- und Gruppentouristik. Im Bus Blickpunkt-Gespräch erklärt Uli Basteck, Geschäftsführer von Wörlitz Tourist, wie er mit dem Wandel und den damit verbundenen Herausforderungen im Reisesektor umgeht. Er attestiert der Bustouristik großes Potenzial für die Zukunft – allerdings nur unter bestimmten Voraussetzungen.

Herr Basteck, Ihr Unternehmen ist in Berlin ansässig. Wie kommt der Name Wörlitz Tourist zustande?

Wörlitz Tourist ist ursprünglich in Sachsen-Anhalt gegründet worden mit dem Ziel, Tourismusmarketing zu betreiben. Daraus ist dann im Laufe der Jahre ein Reiseveranstalter, ein Omnibusbetrieb und eine Reisebürokette erwachsen. Als Reiseveranstalter konzentrieren wir uns nicht nur auf deutschland- und europaweite Busreisen, wir haben mittlerweile ein sehr umfangreiches Portfolio im Bereich Flug- und Rundreisen sowie ein anspruchsvolles Angebot an Wellness- und Kurreisen, Konzertreisen sowie Fluss- und Hochseekreuzfahrten. Die reine Busreise macht bei uns 50 Prozent des Umsatzes aus.

Welche Chancen hat das private Omnibusgewerbe Ihrer Einschätzung nach, um aus dem Wandel des Busreisemarktes, bedingt durch die sich dramatisch verändernden Rahmenbedingungen, als Gewinner hervorzugehen?

Die Branche darf nicht rückwärtsgewandt denken und sich auf dem Erfolg der Vergangenheit ausruhen, denn das bringt einen nicht weiter. Wir leben im Hier und Jetzt, deshalb müssen wir heute über das Geschäftsmodell von morgen nachdenken und diskutieren. Wie kann ich neue Kunden generieren? Wie sehen die Bedürfnisse und Ansprüche der Kunden heute aus? Wie kann ich mit meinem Produktportfolio und meinem Reiseangebot die Anforderungen der Kunden erfüllen? Mit diesen und ähnlichen Fragen müssen wir uns als Bus- und Gruppenreiseveranstalter stärker auseinandersetzen. Es ist ja nicht so, dass Busreisen rückläufig sind. Wir, Wörlitz Tourist, haben nach wie vor ein umfangreiches Busprodukt. Im Bereich Studien- und Rundreisen zum Beispiel war für uns 2018 ein sehr erfolgreiches Geschäftsjahr. Ich kann aber nicht behaupten, dass die Busreise generell boomt. Wir sind froh, wenn wir sie auf einem hohen, stabilen Niveau halten. Die Wachstumsfelder liegen in anderen Bereichen wie etwa im Flugreisesegment, Kreuzfahrten, Wellness oder Eventreisen.

Wo sehen Sie die größten Kundenpotenziale?

In der Gruppe der Generation 50plus steckt ein sehr großes Potenzial. Diese wachsende, internetaffine Klientel der Best Ager müssen wir stärker ins Visier nehmen und neue, auf deren Ansprüche zugeschnittene Produkte kreieren. Die Kommunikation muss dabei ins Internet verlagert werden. Denn diese Zielgruppe ist sehr internetaffin. Letztlich muss jeder regionale Reiseveranstalter für sich selbst den richtigen Weg finden, wie er seine Klientel generell begeistern und an sich binden kann.

Ist es Ihnen gelungen, diese Zielgruppe zu erschließen?

Wir sind auf einem guten Weg. Gerade im Flugbereich merken wir, dass wir deutlich jüngere Kunden dazugewinnen – wir reden dabei über 40-, 50- und 60-Jährige. Eine unserer Stärken ist, dass wir uns in jeder Problemlage auf die bestmögliche Weise um unsere Kunden kümmern – und das wird wahrgenommen und geschätzt. Folglich sorgt das für Kundenbindung und neue Kunden.

Muss sich Ihrer Ansicht nach die Branche neu erfinden?

Die Branche muss sich neu erfinden, definitiv. Generell muss ein Umdenken stattfinden: Die Reise sollte stärker in den Mittelpunkt gerückt werden, nicht das Beförderungsmittel. Die Reisedestination bleibt immer gleich. Ausschlaggebend ist jedoch das Reiseprogramm. Die Herausforderung dabei ist, die Reise so zu gestalten, dass dadurch ein Mehrwert für die jeweilige Zielgruppe geschaffen wird, wodurch sich auch 50-Jährige angesprochen fühlen und sich einer Gruppenreise anschließen.

Was sind die größten Herausforderungen, mit denen die Bus- und Gruppentouristik im besonderen Maße zu kämpfen hat?

Die Rahmenbedingungen verschlechtern sich dramatisch. Sei es die Datenschutzgrundverordnung, die Pauschalreiserichtlinie oder die gewerbesteuerliche Hinzurechnung von Hotelleistungen – die Bandbreite der Hürden, die wir überwinden müssen, ist groß. Hinzu kommen Themen wie Mobility Package, Dieselfahrverbote und fehlende Busfahrer. Letzteres verhält sich bei den Reiseleitern auch nicht anders. Alle unsere Reisen werden von fachkundigen Reiseleitern begleitet. Auch hier wird es nicht einfacher, kompetente und versierte Fachkräfte zu finden – insbesondere wenn man eine jüngere Zielgruppe anspricht und sich außerhalb von Busreisen bewegt.

Welche Auswirkungen werden Fahrverbote für Dieselfahrzeuge, die europaweit um sich greifen, auf das Bus- und Gruppenreisegeschäft haben?

Dieselfahrverbote werden uns in den nächsten Jahren große Schwierigkeiten bereiten. Für uns stellt sich die Frage, wie will ich meinen Gästen – speziell die Generation 70plus – in den Städten diverse touristische Attraktionen zeigen, wenn ich mit dem Bus die Sehenswürdigkeiten oder Museen nicht mehr anfahren darf? Das wird eine riesen Herausforderung für uns alle werden. Auf der einen Seite unternimmt der Gesetzgeber alles dafür, um den Verbraucherschutz hoch zu halten. Daher muss ich reiserechtlich betrachtet dem Kunden Diverses zusichern und hafte ja auch dafür. Wenn mir aber dann eine andere politische Instanz beispielsweise die Einfahrt in die Innenstädte verwehrt, habe ich rein reiserechtlich gesehen ein großes Problem.

Kann man Politikern nicht ins Gewissen reden?

Man kann mit vielen verantwortlichen Politikern überhaupt nicht mehr sachlich über dieses Thema reden. Diesel ist out, es lebe die E-Mobilität. Dabei gibt es auch zu Diesel saubere, alternative Antriebsstoffe. Das registriert aber keiner, weil alle nur noch über E-Mobilität reden. Diesel komplett zu verdammen, ist schizophren, die Autobranche hat in den vergangenen zwei Jahren viel dafür getan, dass genau das passiert ist. Und wir sind diejenigen, die das ausbaden müssen.

Sie haben Ihr in Berlin ansässiges Busunternehmen 1990 gegründet. Innerhalb von knapp drei Jahrzehnten hat sich Wörlitz Tourist zu einem äußerst erfolgreichen Busreiseveranstalter entwickelt, der mit seinem vielseitigen Portfolio viele verschiedene Zielgruppen anspricht. Worauf ist Ihr Erfolg begründet? Schließlich haben Sie Ihr Unternehmen von Null aufgebaut.

Wir setzen auf Qualität, Preis ist nicht mein Thema. Wir haben in den Berliner Reisemarkt sehr viele Innovationen getrieben. Wir sind von Anfang an sehr servicestark gewesen. Bei jeder Reise in unserem Programm, von der Tagesfahrt bis zur Flug- und Rundreise, ist ein Reiseleiter mit an Bord. Das wissen unsere Gäste zu schätzen. Servicestark heißt auch, dass wir für alle Reisen ab vier Tage einen Haustürservice anbieten: Der Gast bucht automatisch mit dem Reisepreis einen Platz im Taxi oder einem Mietwagen und wird von zu Hause abgeholt und nach der Reise auch wieder nach Hause gebracht. Mit diesem Service waren wir Vorreiter in Berlin. Hinzu kommt, dass wir eine sehr gute Busflotte haben, darunter sieben Fünf-Sterne-Busse für gehobene Rundreisen. Und letztlich haben wir ein tolles Team, das diese Innovation und die Servicebereitschaft vorantreibt. Wörlitz Tourist hat sich zu einer Marke in Berlin für alle Themen rund ums Reisen entwickelt – von der Eigenveranstaltung bis hin zum Reisebüro-Full-Service. Hier haben wir uns eine hohe Akzeptanz und Expertise erarbeitet, die die Menschen, die mit uns reisen, wertschätzen. Das leben wir auch vor.

Wie groß ist Ihr Team?

Beim Veranstalter in Berlin arbeiten 53, im Busbetrieb als separate Firma arbeiten 35 und bei unserer Reisebürokette arbeiten 90 Leute.

Für den Erfolg Ihrer Businessstrategie spricht auch die von Ihnen traditionell zum Jahresende organisierte große „Dankeschönfahrt“ als Saisonabschluss-Veranstaltung. Ende 2018 fuhren Sie zwei Mal mit jeweils 31 Reisebussen und jeweils 1.380 Reisegästen nach Dresden. Wie schaffen Sie es, so viele Menschen auf einmal und in dieser Dimension in Ihre Reisebusse zu locken?

In Zeiten, in denen vieles immer technischer und an vielen Stellen der Umgangston untereinander manchmal ruppiger wird, wollen wir unseren Reisegästen mit unserer jährlichen Dankeschönfahrt einen harmonischen und emotionalen Tag bieten. Diese Fahrt hat bei uns bereits eine langjährige Tradition und wird immer im November zum Abschluss der Reise-Saison durchgeführt. Wir laden langjährige Stammkunden zu stark vergünstigten Konditionen zu einer Tagesfahrt mit exquisiter Kulinarik und einem großen Programmpaket ein, das vor allem Emotionen weckt. Dieses Jahr sind wir am 16. und 18. November mit jeweils 1.380 Gästen nach Dresden gefahren. Unsere Stammgäste freuen sich jedes Jahr aufs Neue auf diese Reise und warten gespannt darauf, ob sie eingeladen werden, denn die Teilnahme ist an bestimmte Buchungskriterien gebunden. So schaffen wir Kundenbindung.

Und wie verhält es sich mit dem logistischen sowie organisatorischen Aufwand bei Ihren „Dankeschönfahrten“?

Bei so vielen Gästen müssen wir exakt planen, welcher Bus wann und welchen Rasthof anfährt. Auch die kleinen Pausen zwischendurch müssen präzise geplant werden. Zudem stellt uns die Programmauswahl immer wieder vor neue Herausforderungen. Denn wir wollen mit einmaligen Erlebnissen unsere Kunden begeistern und an uns binden. Dafür lassen wir uns jedes Jahr außergewöhnliche Programmpunkte einfallen. Mit einem guten Team und einem guten Konzept ist das aber machbar. Dabei müssen alle an einem Strang ziehen. Ich habe junge Mitarbeiter, die das mit Begeisterung tun. Am Ende hat man Erfolg und das motiviert unheimlich. Das Ganze haben wir zu viert gestemmt.

Könnten Sie uns ein paar Programmbeispiele nennen?

Zu den Highlights zählen zum Beispiel das Brandenburgische Landgestüt in Neustadt Dosse, wo wir 2012 mit 2.400 Gästen eine exklusive Pferde- und Musikshow gestalteten, bei der wir Dressurvorführungen, historische Kutschenpräsentationen und eine Operettengala in einzigartiger Weise kombinierten. In 2016 erlebten unsere Gäste das unbekannte Halle an der Saale und im Steintor-Varieté ein Film- und Musikkonzert der Extraklasse. In diesem Jahr stand in Dresden neben unbekannten touristischen Attraktionen ein exklusives Konzert in der Frauenkirche auf dem Programm.

Welches Potenzial steckt Ihrer Ansicht nach auch in Zukunft noch in der Bustouristik?

Ein großes. Es kommt immer darauf an, wie man sein Produkt vermarktet. Wir haben uns bereits vor vielen Jahren dafür entschieden, als Reiseveranstalter mit einem breiten Produktportfolio aufzutreten und haben uns nicht ausschließlich auf Busreisen fokussiert. So werden wir auch wahrgenommen. Den Bus braucht man auf jeder Reise, egal ob Schiff- oder Flugreise, eine Rundreise kann man nur im Bus machen. Und genau das ist der Knackpunkt. Wir müssen es schaffen, den Bus als Reisemittel in die Köpfe der Menschen zu transportieren. Dafür müssen wir viel mehr in den digitalen Bereich, Social Media & Co, investieren. Wenn wir nicht darauf reagieren, werden wir von anderen Anbietern überrannt. Auch bei uns steckt dieser Bereich noch in den Kinderschuhen. Das wird auch für uns eine große Herausforderung sein in den nächsten Jahren, aber wir haben einen Plan. Wir wollen uns Schritt für Schritt anpassen. Dieses Jahr haben wir groß investiert und eine neue Website gelauncht sowie die Buchungsmaschine auf den neuesten Stand gebracht.

Worauf wird es Ihrer Meinung nach künftig in der Bus- und Gruppentouristik ankommen?

Das Busunternehmen, das sehr stark touristisch ausgerichtet ist, muss alle Facetten des Tourismus abdecken. Es muss versuchen, die Kundenwünsche in ihrer Vielfalt zu bedienen oder zu erfassen. Und dazu gehören auch, wie eingangs erwähnt, Kreuzfahrten, Flug- und Eventreisen. Damit holt man neue Zielgruppen ab. Die Kommunikation und Vermarktung der Reisen wird zum Großteil digital sein. Wenn wir digital die Menschen nicht erreichen und sie auf uns aufmerksam machen – nämlich, dass auch Busreisen eine schöne Reiseform sind, um Land und Leute kennenzulernen – ist es nicht abwegig, dass wir abgehängt werden. Mundpropaganda und darauf zu hoffen, dass Stammkunden wiederkommen, ist zwar gut, aber das reicht nicht mehr aus.

Das Interview führte Askin Bulut