Nach VDV-Berechnungen waren 2023 rund 9,5 Milliarden Fahrgäste in Deutschland mit Bussen und Bahnen unterwegs. Zugleich blieben jedoch die Kosten für Personal, Strom und Diesel bei den Unternehmen auf hohem Niveau: 2023 zahlte die Branche im Vergleich zu 2020 im Schnitt 57 Prozent mehr für ihren Strom und 54 Prozent mehr für Dieselkraftstoff. Die Ticketpreise sind hingegen, bedingt vor allem durch das Neun-Euro-Ticket und das Deutschland-Ticket, im selben Zeitraum branchenweit um durchschnittlich über 23 Prozent gesunken. Hohe Kosten bei sinkenden Einnahmen stellten die Branche daher vor große wirtschaftliche Herausforderungen, so VDV-Präsident Ingo Wortmann.
Dennoch: Die Menschen nutzten wieder deutlich häufiger den ÖPNV, die Fahrgastzahlen sind um rund acht Prozent gestiegen. Wortmann bewertet das positiv und sieht eine Verknüpfung mit der Einführung des Deutschland-Tickets. Zugegebenermaßen brächten dessen Abonnenten aber weit überwiegend keine zusätzlichen Einnahmen, sondern sorgten vielmehr für „erhebliche Verluste in der Branche“, die durch Bund und Länder ausgeglichen werden müssten.
„Wir brauchen eine ehrliche und umfassende Debatte darüber, was der ÖPNV in Deutschland künftig leisten soll und unter welchen finanziellen Bedingungen er im Stande ist, dies zu tun“, so Wortmann. „Ticketpreise zu minimieren und gleichzeitig das Bus- und Bahn-Angebot maximieren zu wollen, um Klimaschutzziele im Verkehrssektor zu erreichen, wird als Gesamtrechnung nicht aufgehen.“ Außer Bund und Länder würden erhebliche zusätzliche Investitionen tätigen.
Preis-Index für Deutschlandticket gefordert
Rund elf Millionen ÖPNV-Nutzer in Deutschland verfügen mittlerweile über ein Deutschlandticket und zeigen sich nach VDV-Angaben zufrieden damit. Dennoch bleibt aus der Sicht des VDV die Frage der vollständigen Finanzierung des Tickets weiterhin offen – und das, obwohl die Verkehrsunternehmen längerfristige Planungssicherheit bräuchten. Wortmann: „Aktuell wissen wir nicht, wie lange die zugesagten Finanzmittel des Bundes und der Länder ausreichen, um die Verluste auszugleichen. Und wir wissen nicht, was danach kommt.“ Deshalb müsse man schnell miteinander über eine dauerhaft tragfähige Finanzierung des Deutschland-Tickets sprechen und Maßnahmen abstimmen. 15 Millionen Deutschlandticket-Abonnenten seien als Wachstumsziel anzupeilen. Hinsichtlich der künftigen Preisgestaltung empfiehlt der VDV die Entwicklung eines Index, „an dem rechtzeitig, transparent und auf Basis tatsächlicher Preis- und Kostenentwicklungen der monatliche Preis des Deutschland-Tickets festgelegt“ werde. Für die Nutzer solle nicht der Eindruck einer jährlich willkürlichen Preisfestsetzung entstehen.
Modernisierung der ÖPNV-Infrastruktur: Rekordzahl an Projektanmeldungen
Im so genannten Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz (GVFG) haben die Verkehrsunternehmen im vergangenen Jahr mehr Infrastrukturprojekte zur Förderung angemeldet als je zuvor. Das Gesetz war 2020 novelliert worden. Damit verbunden war eine finanzielle Aufstockung, die mittlerweile zu einer Verdreifachung der angemeldeten Projekte geführt habe, so Wortmann. Aktuell seien im GVFG insgesamt 407 Projekte aus den Bereichen „Grunderneuerung“, „Reaktivierung“, „Elektrifizierung“ und „Bahnhöfe, Stationen, Haltestellen“ angemeldet. „Wir betonen seit jeher, dass der eigentliche Hebel für einen nachhaltig bessern und leistungsfähigeren Nahverkehr nicht in den Strukturen oder beim Ticketing liegt, sondern bei der Infrastruktur und dem darauf fahrenden Angebot.“
Aus Sicht des VDV wäre es angesichts dieser Rekordzahlen und vieler weiterer förderfähiger Bauprojekte in der Branche angebracht, die Mittel im GVFG ab 2025 von zwei auf drei Milliarden Euro zu erhöhen. Eine Milliarde zusätzlich sei gemessen am Gesamthaushalt des Bundesverkehrsministers ein relativ geringer Betrag, der daher auch in haushalterisch schwierigen Zeiten umsetzbar wäre. „Die Erhöhung der Fördermittel im GVFG auf drei Milliarden jährlich ab 2025 hätte eine extreme Hebelwirkung, um unsere Infrastrukturen noch schneller und konsequenter mit Blick auf die Erreichung der Klimaschutzziele im Verkehrssektor um- und ausbauen zu können“, so das Fazit des VDV-Präsidenten.