FVW Medien berichtet unter Berufung auf "mehrere mit der anvisierten Transaktion vertraute Personen", dass die Verhandlungen "sich offenbar in fortgeschrittenem Stadium befinden". Im Unternehmensumfeld seien die Gespräche bestätigt worden, aber offiziell sagen beide Unternehmen nichts zum Thema, was in einer solch prekären Anbahnungsphase durchaus normal ist.

Ob die Transaktion zwischen DER Touristik und FTI zustande komme, soll vor allem an einem etwaigen massiven Schuldenschnitt bei FTI hängen, heißt es in dem Presse-Bericht unter Berufung auf Kreise der DER-Touristik-Mutter Rewe. Durch den spekulierten Schuldenschnitt würden nach Branchenkennern zudem die staatlichen WSF-Kredite nicht mehr auf FTI lasten, was die Zukunft des Unternehmens in eigenständigerem Licht erscheinen lässt. Auf dem anvisierten Konkurrenten FTI lasten demnach Schulden in Höhe von rund einer Milliarde Euro. Bei FTI stehe ein hälftiger Schuldenerlass, also in einer Höhe von rund 500 Mio. Euro im Raum, dem die Gläubiger im Zuge der Übernahme zustimmen müssten.

 

Investorengruppe Sawiris und Staat waren Retter in Corona-Not

Die FTI Group gehört seit den finanziellen Schwierigkeiten der Branche durch die Corona-Pandemie mehrheitlich der ägyptischen Familie Sawiris. Der langjährige Minderheitsgesellschafter Samih Sawiris, der seine Anteile inzwischen an seinen Sohn Naguib übertragen hat, hatte im Frühjahr 2020 mit einer Kapitalerhöhung seinen Anteil von bescheidenen 33,7 auf satte 75,1 Prozent aufgestockt, Firmengründer Dietmar Gunz schied Ende 2020 aus. Wer das gemeinsame Unternehmen nach einer Übernahme führen könnte ist ebenso unklar, wie die Frage, ob die Synergien in Produktprogramm und Vertrieb überhaupt sinnvoll zu heben sind.

Die FTI Group erzielte im Geschäftsjahr 2020/21 laut der im Bundesanzeiger veröffentlichten Bilanz einen Umsatz von 1,048 Mrd. Euro und einen Verlust vor Zinsen und Steuern von 209,8 Mio. Euro. Im abgelaufenen Geschäftsjahr 2021/22 stieg der Umsatz zwar, wie im Gesamtmarkt, dank einer guten Sommersaison wieder stark an, auch das Ergebnis soll dem Vernehmen nach deutlich positiv ausgefallen sein. Ob eine Fusion von DER Touristik und der FTI Group kartellrechtlich überhaupt möglich wäre, ist jedoch nach Branchenkennern durchaus unklar. Immerhin handelt es sich nach der Pleite von Thomas Cook um die Nummern zwei und die Nummer drei in Deutschland und Europa unter den Touristikkonzernen, es geht also durchaus nicht um „Peanuts“. Außerdem gibt es große Überschneidungen beim Produktangebot, beide Veranstalter bieten die gesamte Palette von Nah-, Mittel- und Fernstreckenzielen. Beide Unternehmen verfügen zudem über eine eigene Hotelsparte. Bei einer Übernahme und vor allem beim geplanten Schuldenschnitt müsste auch der staatliche WSF mit an Bord geholt werden. Außerdem zieht das Reisegeschäft wieder an, und FTI könnte die WSF-Hilfen durch den von CEO Ralph Schiller eingeleiteten Schwenk hin zu mehr Marge und Rendite in den nächsten Jahren vermutlich aus eigener Kraft zurückzahlen. Es dürfte sich also noch Einiges tun, bevor diese beiden ungleichen Riesen zusammengehen können.

 

Verband VUSR sieht "zweckdienliche Kröte", die zu schlucken sei

Der Reisebüroverband VUSR hat derweil eine mögliche Übernahme von FTI durch DER/Rewe als „nicht schön, aber trotzdem zweckdienlich“ für die Tourismusbranche bewertet. Verbandschefin Marija Linnhoff sieht in der gegenwärtigen Erholungsphase der Tourismuswirtschaft nach Corona und im Schatten eines Krieges in Europa mehr Vor- als Nachteile durch die mögliche Übernahme. So oder so "gebe es ein finanzielles Risiko für den Steuerzahler". Und weiter: "Um den Totalverlust der stillen Beteiligung des Bundes an FTI zu vermeiden und auch das Ausfallrisiko für Deutschen Reisesicherungsfonds zu minimieren, müsse man auch ernsthaft einen teilweisen Schuldenschnitt wenigstens prüfen," so eine Mitteilung des VUSR.

Linnhoff sagte weiter: „Man muss eine Übernahme von FTI durch Rewe nicht feiern, aber in der jetzigen Situation würde es zur Stabilisierung der Reisebranche beitragen, die jahrelang unter Corona gelitten hat und jetzt unter dem Eindruck eines schrecklichen Krieges in unmittelbarer Nachbarschaft arbeiten muss. Jetzt wo die Buchungszahlen dennoch wieder auf das Niveau von 2019 oder darüber steigen, ist das Letzte, was die Branche braucht, eine Debatte über die Leistungsfähigkeit eines sehr großen Anbieters. Deshalb muss man diese Gespräche nicht großartig finden, aber die Kröte kann und sollte man im Interesse der ganzen Branche schlucken. Es wäre auch ein erster Schritt zur Wiederaufnahme der Konsolidierung der Branche, die durch Corona unterbrochen wurde, nur dass sie in einem Übernahmeszenario geordneter und planbarer vonstattengingen.“

 

Kartellrechtliche Bedenken hält der VUSR hingegen für überschaubar. "Vorbehaltlich einer genauen Prüfung durch die zuständigen Behörden, kann man bereits jetzt erkennen, dass bei einer Übernahme der FTI durch Rewe keine marktbeherrschende Stellung entstehe", so Linnhoff, die Prüfung durch die Behörden gewissermaßen vorwegnehmend.

 

Diese Meldung wurde aktualisiert am 16. Januar 2023