Die Sonne gleißt über der Muschelbucht und dem Hafen. Ab dort ist es ein Katzensprung in die Altstadt mit ihren Kneipengassen, den Kirchen und dem Hauptplatz. Dort verraten Nummern über den Balkonen, dass einst Logen für Stierkämpfe vermietet wurden. Keine Frage, die Kulissen und gastronomischen Angebote in der Küstenstadt San Sebastián sind verlockend - und ein gefundenes Fressen für Reiseveranstalter, die den Zulauf mit Myriaden an Gästen befeuern. In spanischen Städten sind die Anwohner zusehends genervt von den Invasionen, die Gedränge und Lärm verursachen. Nun greifen Maßnahmen, um diesem sogenannten Overtourism gegenzusteuern, wie beispielsweise in folgenden Städten:
San Sebastián: geteilte Gruppen, verbannte Megafone
Die Küstenstadt San Sebastián begrenzt Gruppen auf 25 Teilnehmer. Diese Grenze gilt nun bei geführten Stadtrundgängen, um die Zuströme zu kanalisieren. Veranstalter, die Besuchermassen umherführen, sind gezwungen, die Gruppen zu teilen und mehr als einen lizenzierten Fremdenführer unter Vertrag zu nehmen. Die Mehrkosten dürften die Reisen verteuern. Die Benutzung von Ohrhörern ist obligatorisch, Führungen mit Megafon sind untersagt. Zudem muss jeder Guide ein ausgefülltes Besuchsformular bei sich haben. Zuwiderhandlungen kosten bis zu 1.500 Euro Strafe.
Valencia: bessere Routen, weniger Mega-Schiffe
Auch in der ostspanischen Großstadt am Mittelmeer greifen Gruppenlimits, obgleich die Maßnahme laut der offiziellen Guide-Vereinigung noch kein Gesetz ist und Regelverstöße bislang nicht geahndet werden: maximal 25 Personen in der Stadt, 20 im historischen Zentrum. Die Guides sollen ihre Routen besser miteinander abstimmen, um nicht an denselben Sammelpunkten wie in der Markthalle zusammenzutreffen. Vor allem Mega-Kreuzfahrtschiffe sind ein Dorn im Auge. Deren Ankünfte sollen nach den Worten von Valencias Bürgermeisterin María José Catalá ab 2026 stark eingeschränkt werden. „Die schwimmenden Städte sind schlecht“, so Catalá. Sie entsprächen nicht dem touristischen Modell, auf das die Stadt setze. Von einer kompletten Verbannung der Riesen ist allerdings keine Rede. Und konkrete Zahlen zur Beschneidung des Kreuzfahrttourismus wurden auch bisher nicht genannt.
Barcelona: frühe Warnungen, Eintrittskarten online
Unter dem Zulauf des Kreuzfahrttourismus stöhnt gleichermaßen die Hauptstadt Kataloniens im Nordosten. Im vergangenen Jahr machten 3,6 Millionen Passagiere Station, mitunter nur für wenige Stunden. „Wir kommen ans Limit. Es ist offensichtlich, dass die Stadt nicht jährliche Steigerungen von acht Prozent verkraften kann“, äußerte unlängst Barcelonas Bürgermeister Jaume Collboni. Er plädiert in Zukunft für eine Begrenzung der Kreuzfahrtschiffe und – „falls es nötig wäre“ die Schließung des ein oder anderen Kreuzfahrtterminals.
An alle Besucher richtet sich die im Juni gestartete Kampagne „Barcelona, unser Zuhause. Und eures“, die 400.000 Euro gekostet hat und bis Ende August läuft. Sie appelliert an den Respekt gegenüber den Einwohnern. Bald soll es, so die katalanische Digitalzeitung „El Nacional.cat“, eine Art Warnsystem geben. So sollen Touristen gewisse Zonen und Attraktionen gar nicht erst aufsuchen können, in denen bereits Überfüllung herrscht. Dazu zählen der Park Güell, dessen Eintrittskarten nur noch online erhältlich sind, und der Markt La Boqueria. Auf Bildschirmen in Kreuzfahrtterminals taucht auf, ob es aktuell noch Eintritte für die Sagrada Família gibt.
Toledo: ungeliebte Kurzzeitgäste, angedachte Touristensteuer
Die Altstadt, die Gassen, die historischen Spuren der Mauren und Juden, das Museum des Malers El Greco - die Metropole südlich von Madrid ist eine Klasse für sich, ächzt aber unter dem Zulauf. Im Durchschnitt sieht sich Toledo täglich von einer halben Hundertschaft Touristenbussen überrollt. Zumeist handelt es sich um Ausflügler, die weder übernachten noch einkaufen oder konsumieren. „Unglücklicherweise hinterlassen sie in vielen Fällen gar nichts für die Stadt“, sagt Bürgermeister Carlos Velázquez Romo. Um „diese Belastung zu kompensieren“, stehe derzeit eine Touristensteuer als Tagesgebühr zur Debatte. Über die Höhe und praktische Umsetzung, diese abzukassieren, ist noch nichts bekannt.
Santiago de Compostela: kein Konsens
„Tourist go home“ hat irgendjemand auf eine Hauswand nahe dem Stadtpark gepinselt. Doch diese Aufforderung bleibt ebenso unbeachtet wie eine Tafel bei der Kathedrale. In mehreren Sprachen - Galicisch, Spanisch, Englisch - betont sie unter anderem das Recht der Bewohner auf Nachtruhe. Doch die Tafel ist unscheinbar und mit zu viel Text unübersichtlich gestaltet.
Laut Stadtführer Francisco Esteban Palomo sind die Diskussionen um Overtourism in Santiago de Compostela entfacht, aber bei möglichen Maßnahmen gebe es bislang keinen Konsens. Zudem gibt Palomo zu bedenken: „Welchen Sinn würde es machen, wie in San Sebastián, eine Fünfziger-Gruppe in zwei Gruppen von je 25 zu splitten? Das wären nicht weniger.“ Außerdem würden sich die Händler beklagen, wenn er mit seinen Gruppen um bestimmte Gassen einen Bogen machen müsse, um nichts zu blockieren.
In einem Interview mit der Regionalzeitung „La Voz de Galicia“ hat sich Tommi Alvarellos, der Vorsitzende der regionalen Guide-Vereinigung von Galicien, für eine Touristensteuer für Tagesausflügler ausgesprochen.
Was Massenandrang ebenfalls mit sich bringt: Bei der Zwölf-Uhr-Pilgermesse in der Kathedrale sollte man sich mittlerweile mindestens eine Stunde vorher einen Sitzplatz sichern.
(dpa)