Wie schon oft seit 1981 begrüßte der langjährige Bustourismus-Profi Dieter Gauf rund 200 Gäste im historischen Kurhaus in der hessischen Hauptstadt unter dem Motto: „Neue Normalität – zurück in die Zukunft.“ Denn der 40. „Tag der Bustouristik“ ist auch ein Jubiläum des Branchenforums, das am 7. November im Kurhaus in Wiesbaden zelebriert wurde. Nach einem hybriden Format in 2021 und einer weiteren Verschiebung des ersten Termins vom Januar 2022 auf den November, freute sich der Veranstalter jetzt über eine von der Pandemie weitgehend ungetrübte Präsenzveranstaltung, deren Organisation sein Sohn Wolfgang Gauf als Projektleiter ab 2023 übernehmen wird.

Karl-Reinhard Wissmüller, Vorsitzender des LHO Landesverband Hessischer Omnibusunternehmer, schloss mit seinem Grußwort den Kreis zum ersten “Tag der Bustouristik“, dessen Schirmherrschaft der LHO 1982 auch hier in Hessen innehatte. Er appellierte gleichzeitig an die Städte und Kommunen, gegenüber dem Bustourismus eine Willkommenskultur zu etablieren, da der Bustourismus ein „wichtiger Wirtschaftsfaktor“ sei. Wissmüller äußerte sich auf Nachfragen aus dem Publikum und vom Bus Blickpunkt auch kritisch zu einer Einbindung des Fernbusses in das neue „Deutschlandticket“, das vom Dachverband bdo bisher deutlich forciert wurde.  

Stadträtin Christiane Hinninger (Bündnis90/Die Grünen), Wirtschaftsdezernentin von Wiesbaden, adressierte in ihrer Grußrede die Relevanz der Busreisegäste für die hessische Landeshauptstadt und vice versa deren Attraktivität für die Bustouristik aufzeigen. „Wir werden auch die Situation der Bushalte in der Stadt nochmal überprüfen, wir haben gier genau zugehört,“ sagte sie in Ihrem Vortrag.

Die Position der internationalen Touristik trug Sean Taggart, von der European Tourism Association ETOA – die auch Schirmherr des “Tag der Bustouristik“ ist, in brillantem Deutsch-Englisch vor. Dieser europäische Verband mit britischen Wurzeln stellt auch kritische Fragen zu den Auswirkungen des Brexits auf die globale Reiseveranstaltung über Großbritannien in die EU. Von den rund 700 Mitgliedern kommen rund 50 aus Deutschland. Vor allem machte Taggert darauf aufmerksam, dass die neue europäische Margenbesteuerung sowie die Einreisebedingungen aus England in die EU, im Jahr 2023 den praktischen Tourismus drastisch verschlechtern würden. Seine These: die COVID Ersparnisse, die 2022 ausgegeben wurden, werden 2023 aufgebraucht sein und dann wieder für stagnierendes Geschäft sorgen.

 

International ist auch die Sicht von Romeo Draghicchio, Vorstand des Corps Touristique und Direktor der Touristikverbands von Kroatien, der Interessengemeinschaft der ausländischen Touristboards in Deutschland, die ja Inspiratoren globaler Tourismus Vielfalt sind. Die Disparitäten in den verschiedenen Destinationen im Spagat zwischen Öffnung und Lockdown stellen erhebliche Herausforderungen an Reiseveranstalter: einige Länder geben bereits wieder Gas beim Tourismusmarketing, während andere noch Restriktionen unterliegen. Vincent Dewaele, General Manager Busworld International, fokussierte wiederum Innovationen und Nachhaltigkeit auf den weltweit größten Busmessen. Erstmals wird seine Organisation 2023 in Argentinien und auch in den USA mit einer Messe vertreten sein. „Ich bin ein Fan der EU, nicht unbedingt ihrer Organisation, aber wie ale Europäer haben in der Welt etwas zu sagen, und Deutschland ist eines der Länder, die hier vorangehen sollten,“ so Dewaele.


Martin Michel, Geschäftsführer von Wiesbaden Congress & Marketing GmbH stellt dem eine deutsche Alternative gegenüber. Denn 37,8% der Busurlaubsreisenden besuchten vor der Pandemie inländische Ziele. „Kirchturmdenken hat keine Zukunft – Destination Wiesbaden Rheingau – ein Bestpractice Beispiel für die Gruppentouristik“ lautete sein Diskussionsbeitrag, der die neue Kooperation „2023 – Wiesbaden im Rheingau“ beider renommierter Destinationen am Rhein vorstellt. „Nachhaltige Reisedestinationen wie unsere sind eine absolute Zukunftsaktie,“ so Michel, der sich über sechsstellige Fördermittel des Landes für diese neue Ausrichtung freut.

Der Krieg in der Ukraine strahlt gerade auch auf die Destinationen von Gruppenreisen in Osteuropa und Zentralasien – Domänen mittelständischer Spezialisten – wie Jochen Szech, Inhaber von GO-EAST Reisen und Vorstandsmitglied der Allianz Selbständiger Reiseunternehmen ASR Bundesverband beleuchtete. Wie mehrfach in der Veranstaltung anklang, bestätigt auch er, dass der Krieg in der Ukraine durchaus negativ auf andere, benachbarte aber nicht betroffene Destinationen „abfärbt“.


Wie die Bus- und Tourismuswirtschaft an frisches Geld kommen kann, zeigte wiederum Volker Schatten, Gesellschafter von "Geldwerk 1" auf, der Prof. Dr. Ralf Beck vertrat. Er fragte „Brauchen wir noch Banken“als eine provozierende Publikation des Fachmanns zu Crowdinvestment (siehe auch den Fachbeitrag von Prof. Dr. Ralf Beck in Bus Blickpunkt Ausgabe September 2022).


In 85 Jahren hat der Omnibusbetrieb Philippi bereits vielen Krisen getrotzt. Mark Philippi vom LHO setzt sich mit den Perspektiven der Busunternehmen nach den Krisen auseinander. „Bis 2019 waren wir alle noch Experten,“ so sagte der Unternehmer in dritter Generation, den sein Großvater schon mit auf die Bustouren genommen hatte. „Nach der Pandemie müssen wir alle wieder viel lernen, vor allem, das wir nur gemeinsam vorwärts kommen. Wir müssen die Kunden wieder begeistern, deren Vertrauen wird verloren hatten.“ Dazu müsse auch das Fahrpersonal deutlich besser geschult werden.

Der bekannte Bus- und Unfallexperte des RDA Johannes Hübner leitete als langjähriger Moderator die Expertendiskussion unter dem Motto „Themen – Thesen – Zwischenrufe“.

 

Die Diskutanten auf dem Podium mit der bewährten Moderation von Johannes Hübner (Mitte).   Foto: T. Wagner

 

Wiesbaden und der Rheingau kooperieren

Die hessische Landeshauptstadt Wiesbaden mit ihrem facettenreichen Kultur-, Freizeit- und Kulinarikangebot war Gastgeber der Fachtagung und ein überaus beliebtes Ziel von Bus- und Kulturreisen. Hier konnten die Teilnehmer des „Tag der Bustouristik“ wieder den Dreiklang von Inhalten, persönlichem Austausch in besonderer Atmosphäre erleben. Wiesbaden wollte dabei nicht nur Location für die Plattform sein, sondern sich den führenden Vertretern der Bustouristik als attraktive Destination präsentieren. „Mit ihrem vielseitigen Angebot an Freizeit- und Kultureinrichtungen sowie der unmittelbaren Nähe zum Rheingau, ist Wiesbaden ein ideales Reiseziel für Busreisen. Gerne möchten wir mit unseren abwechslungsreichen Angeboten und Programmbausteinen aktiv bei den Teilnehmern des renommierten Branchenforums für Wiesbaden als bustouristisches Ziel werben“, sagt Martin Michel.

 

Die Landeshauptstadt Wiesbaden ist malerisch in den Rheingau eingebettet.                             Foto: Stadtmarketing Wiesbaden

 

Rolle der Bustouristik nach der Pandemie

Die Bustouristik hatte vor der Pandemie mit rund 100 Mio. Fahrgästen von Reisen, Ausflügen, Gelegenheitsverkehren und Incoming maßgeblich zum Deutschlandtourismus beigesteuert. Busurlaubsreisen sowie Kurz- und Städtereisen bilden wichtige Säulen der Tourismuswirtschaft im In- und Ausland. Über 10 Milliarden Euro Umsatz hatte die Branche für die Volkswirtschaft erwirtschaftet und gerade auch mit Vereinsreisen wichtige gesellschaftspolitische Funktionen erfüllt. Mit maßgeschneiderten Reisen hat die Bustouristik maßgeblich die touristische Erschließung von Osteuropa vorangetrieben.
„Dazu hat der Tag der Bustouristik 40mal Impulse gesetzt und will Szenarien und Innovationen entwickeln, wie die Branche ihre Marktstellung in die Zukunft projiziert“: Johannes Hübner, Moderator der größten unabhängigen Plattform für aktuelle Fragen der Bus- und Gruppentouristik.
„Es ist wichtig, dass wir jetzt in die Zukunft schauen, auf Erprobtem aufbauen und der Branche wieder Perspektiven aufzeigen – mithin zurück in die Zukunft “ gibt sich Dieter Gauf, Veranstalter des „Tag der Bustouristik“ kämpferisch. „Der beliebte Termin als Kick-off in die Touristiksaison knüpft an die erfolgreichen Tagungen an. Face-to-face, so, wie es die Branche braucht.“

Der 41. Tag der Bustouristik wird wieder in der gewohnten Terminierung zu Jahresbeginn am 15. Januar 2024 stattfinden, zum zweiten Mal in Halle an der Saale. Neben anderen interessanten Locations sei auch das neue Planetarium der Stadt als architektonisches Highlight in Prüfung, so die beiden Vertreterinnen des Stadtmarketings, Marie-Kristin Gering und Daniela Rühs zu Bus Blickpunkt.