Bei der Gestaltung des ÖPNV haben sich die Vorzeichen gedreht – und zwar dramatisch gedreht, wie auf dem 30. ÖPNV-Kongress des Verbands Baden-Württembergischer Omnibusunternehmen (WBO) am 26. Juni in der Stadthalle Sindelfingen deutlich wurde. Statt einer Ausweitung der Verkehre unter dem Zeichen von Mobilitätswende und Klimaschutz, geht es darum, das bestehende Angebot zu erhalten.
Die Angebotssicherung sei „das Gebot der Stunde“, machte WBO-Präsident Klaus Sedelmeier gleich zum Auftakt des Kongresses deutlich. Dem geplanten Angebots- und Qualitätsausbau des ÖPNV und dem teuren Deutschlandticket stünden leere Kassen der öffentlichen Hand gegenüber, was nicht ohne Folgen bleibt und sich in vielerlei Hinsicht auf die Busunternehmen, aber auch alle anderen Akteure im ÖPNV auswirkt.
WBO-Präsident Klaus Sedelmeier bezeichnete die Angebotssicherung im ÖPNV als Gebot der Stunde / Foto: Thomas Burgert
„Wir haben dieses Jahr wirklich eine neue Situation, weil die Finanzsituation bei Bund, Ländern und Kommunen eine andere ist. Die Vorzeichen haben sich hier wirklich verändert und wir müssen hier reagieren“, bestätigte auch Gerd Hickmann, Leiter der Abteilung Öffentlicher Verkehr im Verkehrsministerium Baden-Württemberg.
Auch Thomas Hachenberger, Geschäftsführer des Verkehrsverbunds Stuttgart (VVS) warnte vor der Unsicherheit bei der ÖPNV-Finanzierung. Er kritisierte auch, dass die Aufgabenträger von der Politik bei der Finanzierung allein gelassen würden. Franz Schweizer, Geschäftsführer von Schweizer Reisen in Waldachtal und WBO-Vizepräsident warnte vor einer Abbestellung der Bestandsverkehre angesichts der Finanzierungsprobleme. es sei „in der Tat so, dass Bestandsverkehre gefährdet sind. Wenn kein Geld da ist, dann können Sie alles streichen, was nicht Pflicht ist“, sagte Schweizer.
WBO fordert eine Branchenvereinbarung
Schweizer fügte hinzu, dass er quasi nahezu alle Vorhaben unter Finanzierungsvorbehalt sehe. Dazu zählt auch – Stichwort Clean Vehicles Directive (CVD) – die Umstellung der Busflotten auf alternative Antriebe. Diese wird nach der Streichung der Bundesförderung bei den E-Bussen anspruchsvoll genug, doch in Baden-Württemberg hatte das Verkehrsministerium in einem ersten Entwurf des Landesmobilitätsgesetzes noch eine Übererfüllung der CVD-Quoten angepeilt.
„Wir werden in der Fläche die Umstellung auf E-Busse nicht zeitlich schaffen“, sagte Schweizer. Er sprach sich für eine Branchenvereinbarung bei der Erfüllung der Quoten aus – wie sie das Bundesgesetz auch vorsieht – um mit Hilfe der Ballungsräume die Quoten zu erreichen. „Ballungsräume und Fläche können sich hier sinnvoll ergänzen“, so der WBO-Vizepräsident. „Wir brauchen zwingend eine Branchenlösung bei der Antriebswende, sonst fällt die Fläche hinten runter“, warnte Schweizer.
Mit Blick auf die Umstellung der Busse auf alternative Antriebe sagte Hickmann, dass die komplett entfallene Bundesförderung und die aktuelle Haushaltslage durchaus „eine Rolle bei der Lösungsfindung spielen“ würden, wenn das Landesmobilitätsgesetz festgezurrt wird. Weiter festlegen wollte er sich nicht, da das Gesetz sich noch „in der Werkstatt“ befinde.
Die Busunternehmen bräuchten langfristige Finanzierungszusagen und auch Technologieoffenheit bei den Antrieben, forderte WBO-Präsident Sedelmeier, der in diesem Zusammenhang klar stellte, dass der WBO angesichts der leeren Kassen bei der Antriebswende jegliche Übererfüllung von EU- und Bundesvorgaben ausdrücklich ablehne.
Weiterhin sagte Sedelmeier, er wünsche sich, dass die Politik wieder stärker auf das Know-how und die Erfahrung privater Unternehmen vertraut.
Im Rahmen der Veranstaltung in Sindelfingen sagte Klaus Sedelmeier, dass dies letztmals eine Begrüßung von ihm als Präsident bei einem ÖPNV-Kongress gewesen sei. Er werde im Dezember Tätigkeit seine Tätigkeit im Vorstand des WBO nach 34 Jahren – davon 15 Jahre als Präsident – beenden.