Busunternehmer Theobald Tiger hat für seine zehn Fahrzeuge eine eigene Waschanlage auf dem Betriebshof und beschäftigt auch einen Arbeitnehmer, der ausschließlich für die Wäsche und Pflege der Fahrzeuge verantwortlich ist. Dieser Mitarbeiter bekommt eine Vergütung von 8,00 Euro/Stunde. Neulich hatte Theo eine Kontrolle vom Zoll. Der Beamte meinte anschließend, der in der Fahrzeugwäsche eingesetzte Mitarbeiter habe Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn von 9,00 Euro und verwies Theobald Tiger auf mögliche Beitragskonsequenzen.
Muss der Busunternehmer den Hinweis ernst nehmen? Wie soll er sich verhalten?

 

Der Beamte irrt. Zutreffend ist, dass Arbeitnehmer im Reinigungsgewerbe, die mit Reinigungsarbeiten beschäftigt sind, seit dem 1.1.2013 einen gesetzlichen Mindestlohnanspruch von 9,00 Euro im Westen und 7,56 Euro im Osten haben. Wird die Grenze unterschritten, drohen zumindest Beitragsnachforderungen. Der Mindestlohnanspruch setzt allerdings voraus, dass die betroffenen Arbeitnehmer mit Reinigungsarbeiten beschäftigt sind und der Betrieb oder ein selbstständiger Betriebsteil dem Reinigungsgewerbe zuzuordnen ist. Die erstgenannte Voraussetzung liegt ohne Zweifel vor, wenn der Arbeitnehmer ausschließlich – wie hier – oder zumindest überwiegend mit Busreinigungsarbeiten beschäftigt wird. Der entsprechende Rahmentarifvertrag für das Reinigungsgewerbe führt nämlich die Unterhaltsreinigung von Omnibussen ausdrücklich auf. Daher sollte bei der Beauftragung von Fremdfirmen oder „ausgelagerten Teilen“ auf die Einhaltung der Mindestlöhne geachtet werden. Vorliegend geht es aber um die Bewertung des eigenen Mitarbeiters und da fehlt es an der weiteren Voraussetzung für den Mindestlohn. Theobald Tiger hat einen Busbetrieb und kein Reinigungsgewerbe. Das dürfte wohl auch dem Zoll-Beamten klar sein. Vermutlich geht er aber davon aus, dass die von der Busunternehmer auf seinem Betriebsgelände betriebene Waschanlage eine eigenständige Betriebsabteilung darstellt, was für den Mindestlohnanspruch ausreichend wäre. Die Annahme ist allerdings falsch. Der Begriff „selbstständiger Betriebsteil“ ist im Zusammenhang mit tariflichen Regelungen durchaus wörtlich zu nehmen und setzt nach allgemeiner Ansicht eine gewisse Eigenständigkeit im Aufgabenbereich und der Organisation der jeweiligen Abteilung voraus. Besteht die Abteilung nur aus einem Arbeitnehmer, kann man die geforderte Eigenständigkeit (in der Regel) verneinen. Theobald Tiger kann sich nun überlegen, ob er dem Zoll seinen Standpunkt mitteilt oder das weitere Geschehen abwartet. Das ist – wie häufig – Ansichtssache.