Busunternehmer Harry Huhn ist als Buspartner für einen Fernbusanbieter unterwegs. Die meisten Fahrgäste zahlen bargeldlos direkt an den Anbieter. Seine Fahrer verfügen jedoch über eine Handkasse für den Fall, dass Reisende direkt am Bus zahlen. Nun kam es vor, dass dem Fahrer Ludger Lamm die Handkasse – so behauptet dieser jedenfalls – geklaut wurde. Nähere Angaben, wann, wo und wie das geschah, konnte Ludger Lamm nicht machen. Nachdem sich der Vorfall genau bei diesem Fahrer einige Zeit später wiederholte und Ludger Lamm wiederum keinerlei Angaben machen konnte, glaubt Busunternehmer Harry Huhn nicht mehr an einen Zufall und will reagieren. Aber wie?

Nun, es kann doppeltes Pech für Ludger Lamm oder dreiste Unterschlagung sein. Beide Varianten sind durchaus möglich. Hätte der Fahrer nachweislich die Handkasse mitgehen lassen, wäre die Sache natürlich klar und einfach. Harry Huhn könnte eine verhaltensbedingte Kündigung aussprechen.  


Nun wird sich eine Unterschlagung der Handkasse im vorliegenden Fall nicht beweisen lassen. Hier steht sozusagen Aussage gegen Verdacht. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) kann aber bereits der schwerwiegende Verdacht einer strafbaren Handlung ein gewichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung sein. Die Juristen sprechen in dem Fall von „Verdachtskündigung“. Spätestens nach dem zweiten Diebstahl lässt sich ein schwerwiegender Verdacht sicherlich begründen. Einem Fahrer, dem die Handkasse anvertraut ist, muss zugemutet werden, dass er hin und wieder nach der Handkasse schaut. Insofern muss er dann auch in der Lage sein, sagen zu können, bis wann die Kasse noch da war. Wenn der Fahrer aber überhaupt nichts mehr wissen will, dann klingt das schon eigenartig. Für eine Verdachtskündigung kommt es nicht darauf an, ob der Arbeitnehmer die Tat tatsächlich begangen hat. Der beschriebene, schwerwiegende Verdacht reicht aus.


Allerdings kommt die Verdachtskündigung nur in Betracht, wenn Busunternehmer Harry Huhn vorab versucht hat, den Sachverhalt nach bestem Wissen und Gewissen aufzuklären und hierdurch der Verdacht nicht entkräftet wurde. Um die Sache aufzuklären, ist  dem Arbeitnehmer im Vorfeld Gelegenheit zu geben, zu den Vorfällen Stellung zu nehmen. Die Anhörung des Busfahrers Ludger Lamm muss Harry Huhn also in jedem Fall vornehmen. Gibt der Fahrer dort wieder an, dass er sich an nichts erinnern kann, kann die außerordentliche Kündigung ausgesprochen werden. Insgesamt hat Harry Huhn für diese Prozedere zwei Wochen Zeit, danach ist die Kündigung ausgeschlossen.