Die Koalitionsfraktionen wollen zum einen eine neue Form des Linienverkehrs innerhalb des Öffentlichen Personennahverkehrs als Ergänzung zum klassischen Linienverkehr, den sogenannten Linienbedarfsverkehr einführen – das sind etwa Kleinbusse, die per App gebucht werden. Zum anderen geht es um einen „gebündelten Bedarfsverkehr“ außerhalb des ÖPNV, das sind im Prinzip private „Sammeltaxis“. Zugleich sollen einzelne Regelungen zum Taxen- und Mietwagenverkehr angepasst werden. Die Änderungen seien dabei so ausgestaltet, „dass zwischen den unterschiedlichen Beförderungsformen ein fairer Ausgleich gewahrt bleibt und die Länder oder die nachgeordneten Kommunen entsprechende Steuerungsmöglichkeiten erhalten“, heißt es in dem Gesetzentwurf.

Was sind die Ziele des Reforms?

Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) hat folgende Ziele formuliert: Der individuelle Autoverkehr in Städten soll verringert und Menschen in ländlichen Räumen eine bessere Mobilität ermöglicht werden. Vor allem auf dem Land fahren oft nur wenige Busse, die außerhalb von Stoßzeiten nur von wenigen Fahrgästen genutzt werden.

Ziel ist es auch, Wettbewerbsnachteile für bisherige Anbieter zu verhindern. Vor allem das klassische Taxigewerbe fürchtet massive Folgen und macht seit langem mobil für Nachbesserungen am Gesetzentwurf. Um das Taxigewerbe zu entlasten, sollen Kommunen die Möglichkeit bekommen, die Taxitarifpflicht durch einen neuen Tarifkorridor mit Höchst- und Mindestpreisen zu lockern. Zu häufig frequentieren Zielen wie Flughäfen oder Bahnhöfen sollen Streckentarife festgelegt werden. Die Ortskundeprüfung für Taxifahrer soll abgeschafft, stattdessen ein Navi an Bord Pflicht werden.

Die Hauptstreitpunkte sind:

Besonders umstritten ist, dass weiter alleine Taxis Kunden spontan aufnehmen dürfen – also das klassische «Herbeiwinken». Für die Konkurrenz der „auftragslosen Mietwagen“ soll auch künftig die Rückkehrpflicht gelten: Fahrzeuge dieser Vermittler müssen nach jeder Fahrt an den Betriebssitz zurückkehren, dürfen also nicht auf der Straße auf Kunden warten. Lockerungen sollen bei weiten Entfernungen möglich sein, die aber die Kommunen festlegen sollen.

Der Taxi-Bundesverband fordert außerdem, dass Kommunen eine Vorbestellfrist für Fahrdienst-Vermittler einführen dürfen. Zwischen Auftragseingang und Fahrtantritt soll also eine gewisse Zeitspanne liegen. Begründung des Taxigewerbes: damit solle verhindert werden, das Kommunen von der Plattform-Ökonomie „überrannt“ werden.

Eine Vorbestellfrist würde das Ziel, Deutschland fit für die Digitalisierung zu machen, „ad absurdum“ führen, kritisiert dagegen Uber-Deutschland-Chef Christoph Weigler. Der Präsident des Digitalverbandes Bitkom, Achim Berg, kommentierte: „Ebenso gut hätte man versuchen können die Postkutsche zu retten, indem man die Höchstgeschwindigkeit aller anderen Verkehrsmittel staatlich auf 10 km/h beschränkt.“

Auch das generelle Festhalten an der Rückkehrpflicht wird heftig kritisiert. Weigler sagte, sie hemme Investitionen in moderne Mobilitätsangebote. Insgesamt sei die Novelle symptomatisch dafür, wie schwer sich Deutschland mit der Digitalisierung tue: „Sie dient nicht den Interessen der Konsumenten.“ Es müsse eigentlich darum gehen, die Verkehrswende zu beschleunigen und Alternativen zum eigenen Auto attraktiver zu machen.

Marion Jungbluth, Verkehrsexpertin der Verbraucherzentrale Bundesverband, sagte, es gehe aus klimapolitischer Sicht um eine Auswahl an attraktiven, flexiblen und bezahlbaren Alternativen. Dies erfülle der Entwurf nicht. Neue Verkehrsformen würden eher verhindert als gefördert. Der frühere Vorsitzende der Monopolkommission, Justus Haucap, urteilte: „Möglichst vermieden werden soll offenbar, dass Verbraucher die Angebote neuer Anbieter so attraktiv finden, dass sie auf diese umsteigen und den etablierten Anbietern so einen Teil des Marktes streitig machen.“

Der FDP-Verkehrspolitiker Torsten Herbst sagte, durch ungleiche Wettbewerbsbedingungen, einseitige Subventionen und Verbotsmöglichkeiten solle verhindert werden, dass sich neue flexible Mobilitätsangebote als Ergänzung und Alternative zu Taxi und ÖPNV etablieren könnten.

Robert Henrich, CEO der MOIA GmbH, einem Ride-Pooling-Anbieter, der Fahrten bündelt und mehrere Fahrgäste mit gemeinsamen Fahrziel transportiert, sieht in dem Entwurf einen wichtigen Schritt, um den aktuellen Zustand der Rechtsunsicherheit zu beenden. Er müsse jedoch um drei Klarstellungen ergänzt werden: Zum einen müsse der Steuersatz für ÖPNV, Taxi und Ride-Pooling-Anbieter einheitlich sein. Auch müssten Regelungen zur Barrierefreiheit und zu Sozialstandards für alle Anbieter gleich sein, sagte Henrich. Zudem müsse das Recht, Pooling-Verkehre durchzuführen, der Verkehrsart Ride-Pooling vorbehalten sein.

Abgelehnt wird der Gesetzentwurf von der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi. Eigenwirtschaftliche Antragsteller dürften bei den Ausschreibungen von Verkehrsleistungen neben dem ohnehin eingeräumten Vorrang nicht einen doppelten Wettbewerbsvorteil auf Kosten der Beschäftigten tarifgebundener Unternehmen und auch der Kommunen erhalten, weil sie Sozialstandards nicht einhalten müssen, sagte Verdi-Vertreterin Mira Ball.

Für nicht ausreichend reguliert hält Jan Strehmann vom Deutschen Städte- und Gemeindebund den Mietwagenmarkt. Im Mietwagenbereich sei eine die Rückkehrpflicht bei Bedarf ergänzende Vorbestellfrist - unmittelbar auf der Ebene des Plattformbetreibers - sachgerecht, um den gebotenen Abstand zu den anderen Verkehrsformen zu wahren, befand er. Im aktuell geplanten Rechtsrahmen gebe es die konkrete Gefahr einer "Flucht in den Mietwagenmarkt", der weder Beförderungs- und Tarifpflichten noch sonstige Vorgaben zur Verkehrseffizienz oder zur Barrierefreiheit zu erfüllen habe.

Jan Schilling vom Verband Deutscher Verkehrsunternehmen sprach hingegen von einem guten Gesetzentwurf. Ein Verzicht auf die Neuregelung würde den Rückfall in eine Zeit ohne Rechtssicherheit für die Pooling-Verkehre mit sich bringen und die mangelnde Regulierung im Mietwagenbereich verlängern. Auch der Grundgedanke der kommunalen Steuerung ginge verloren, sagte Schilling. Er machte deutlich, dass der Wettbewerb um die Verkehrsleistung nicht auf dem Rücken der Beschäftigten geführt werden dürfe. Die positiven Tarifentwicklungen bei den öffentlichen aber auch im Bereich der privaten Anbieter, vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels, zeigten aber, dass dies nicht der Fall sei.

Einschneidende Lücken im Bereich der Barrierefreiheit enthält der Gesetzentwurf aus Sicht von Annerose Hintzke vom Sozialverband VdK Deutschland. Blinde und Sehbehinderte würden von den neuen Formen der Mobilität ausgeschlossen, kritisierte sie. Es brauche Barrierefreiheit sowohl bei den Informationen als auch bei den Bezahlvorgängen.