So mancher Lebenslauf ähnelt einem mäanderndernden Strom in seinem zerfaserten Flussbett – er wendet sich mal hier- und mal dorthin, ohne so recht zu wissen, wo denn nun das Ziel sein könnte. Und dann gibt es wieder Gewässer der gebändigten Art, die zwar stark begradigt aber zielstrebig und ohne viele Umwege ihrem Delta entgegenstreben. Und genau so sieht der Lebenslauf von Sébastien Beyer aus. Auf die logische Frage, ob er denn ein ehrgeiziger Mensch sei, kommt es in der gemütlichen Lounge-Ecke eines Wiesbadener Hotels wie aus der Pistole geschossen: „Ja!“ Aber nicht ohne gleich die sympathisch-gewinnende Erläuterung hinterherzuschieben: „Mein Lebenslauf ist sicherlich als ein zielstrebiger Weg zu bezeichnen. Es gibt zwar immer auch Fügungen im Leben, so war das auch bei mir. Aber ich brenne für die Bustouristik, ich bin einfach ein Buskind mit einer langen Begeisterung für die Branche und die Fahrzeuge. Der Bus hat es mir angetan und auch der Touristik-Virus wurde schon früh gesät.“ Und wer nun mutmaßt, eine derartige Infizierung in jungen Jahren konnte nur im Rahmen der Familie stattfinden, der sieht sich wiederum getäuscht: „Der Erwerb des Busscheins, der hat schon sehr für Verwunderung und auch Bewunderung gesorgt bei Family und Friends.“ Trotzdem ist der familiäre Hintergrund durchaus nicht ganz unschuldig an dem Tourismus-Virus, der Beyer früh befallen hat: „Ich war von klein auf gewöhnt, dass wir immer viel unterwegs waren, da meine Mutter aus der französischen Schweiz kommt. Ich bin auch ein ‚Sprachler“, der gerne viele Sprachen spricht. Daher war es kein großer Sprung zum Bachelor Studium auf der Fachhochschule Ostschweiz, früher HTW Chur.“ Keine schlechte Adresse für einen Tourismusinfizierten – neben viel BWL und Marketing war die fachliche Vertiefung in Richtung „Transportation“ nur eine Formsache. „Die Masterpläne sind immer weiter nach hinten gerückt, da ich meinem späteren Arbeitgeber dann doch sehr lange sehr treu war“, erklärt Beyer das „nur“ drei Jahre währende Studium mit Bachelor-Abschluss. Das finanzierte er sich – wie sollte es anders sein – mit „Fahrtätigkeiten im Linienverkehr“, wie er liebevoll den ÖPNV-Jargon zitiert, der um Welten trockener daherkommt, wie seine Erinnerungen an diverse Nachbusfahrten mit Partypeople: „Das ist schon ein ganz spezielles Klientel“, sagt er mit einem verschmitzten Lächeln, das als so etwas wie sein persönliches Markenzeichen gelten könnte. Vertieft wurde die Busbegeisterung schon vorher bei einem Praktikum bei einem bodenständigen Busunternehmen in Bayern.

 

Das Bustouristik-Virus wurde früh gesät

 

Im Anschluss an seine Bachelorarbeit über die Liberalisierung des Fernbusmarktes in Deutschland 2013 ging es sodann zielgerichtet zu einem der bekanntesten Reisebusunternehmen Oberbayerns, Geldhauser in Brunnthal. Zwar hatte er sich dort schon sehr bewusst auf eine Touristik-Stelle beworben, aber er drehte zunächst als Projektleiter für den ADAC Postbus eine Ehrenrunde im Unternehmen. „Die erste Postbus-Fahrt von Köln nach München mit dem Postbus-CEO an Bord, habe ich mir dann auch nicht nehmen lassen als Fahrer.“ Überhaupt, das Busfahren, das ihn heute wie früher schon begeistert, war immer Teil seiner spätestens 2014 beginnenden Tätigkeit als Leiter der gesamten Touristik von Geldhauser, nicht nur in der Hochsaison. „Es ist einfach was anderes, wenn der Leiter der Touristik auch selbst einen Doppeldecker fahren kann als wenn einer aus dem Büro heraus nur steuert. In der Hochsaison fährt dann auch mal ‚Das Büro‘, das ist ganz normal und man macht das auch gerne.“ Mit dem Antritt seines neuen Postens als Geschäftsführer des VPR, bei dem er sich gegen diverse Mitbewerber durchgesetzt hat, und der sofortigen Verlegung der Geschäftsstelle von Hamburg nach München, hat sich das Thema Busfahren aber deutlich reduziert sowie das Arbeiten selbst sehr verändert. „Die Arbeit im Verband ist natürlich viel konzeptioneller, digitaler und auch schneller. Aber der ganze Prozess muss noch beschleunigt werden, damit unsere Arbeit beim Kunden dann auch zielgenau ankommt. Ich würde den VPR da aber nicht unbedingt Pacesetter nennen, das wäre etwas zu viel gesagt.“ Fremdeln ist dem neuen Geschäftsführer dabei völlig fremd: „Die Verbandsarbeit fühlt sich unglaublich vertraut an, weil es die vielbeschworene VPR-Familie einfach wirklich gibt. Ich freue mich, jetzt für die gesamte Busreisebranche und die Gruppentouristik etwas voranbringen zu können.“

 

Die jungen Leute müssen ihr Feuer weitergeben

 

Und wie geht das in Zeiten von Fahrermangel, Personalmangel, Inflation und Transformationsängsten allenthalben in der Branche? „Die Vision des Busmenschen Beyer ist, wie wir die eigene Jugend zuerst für die Branche begeistern und dann auch halten können. Da wäre es sehr wichtig, dass diese Leute das Feuer, das sie haben weitergeben können und auch die Vielseitigkeit des Berufs aufzeigen können.“ Er selbst gibt ein äußerst lebendiges Beispiel aus jeder Pore dafür und bricht das Thema dann sofort auf die praktische Ebene herunter: „Wir können als Paketer ja die schönsten Pakete anbieten, aber wenn der Unternehmer zwar die Kunden hat, aber die Reise mangels Fahrer nicht durchführen kann, dann nutzt das alles nichts. Alles was wir tun können, das Image zu verbessern und in den Destinationen dafür sorgen, dass die Voraussetzungen auch praxistauglich sind. Ich denke da an Einfahrverbote wie in Amsterdam. Da müssen wir dann verstärkt Lobbyarbeit machen, gerne auch zusammen mit anderen Verbänden. Gerade auch die Elektromobilität der Zukunft stellt uns da vor große Herausforderungen, da ist noch viel zu tun. Das wird eine verbandsübergreifende Kraftanstrengung.“ 


Und wie will der Verband diese massiven Herausforderungen konkret angehen in der Zukunft? „Da schweben uns diverse Formate vor, durchaus auch Präsenzveranstaltungen, um für Themen wie Digitalisierung, Nachhaltigkeit und Künstliche Intelligenz noch mehr zu sensibilisieren. Viele Unternehmen sind da viel weiter als man denken mag. Es gibt sehr viele kreative Köpfe, aber wir reden oft zu wenig darüber. Wir müssen viel mehr Werbung für uns machen und auch stolz auf die eigene Leistung sein.“ Und der geradlinige Lebenslauf, wie wird der weitergehen? Oder ist er gar schon am Ziel angelangt? „Wer weiß, was die Zukunft bringt, sag niemals nie! Ich bin durchaus ein ehrgeiziger Mensch. Das ist ja keine verwerfliche Eigenschaft. Ich bin schon stolz, was ich mit meinen relativ jungen Jahren erreicht habe. Da muss man sich sicher nicht verstecken, aber auch nicht ausruhen.“ Denn ein leidenschaftliches Busleben ist eben doch kein langer, ruhiger Fluss. twa