Genauer: das Universum der Tanner KG aus Dormitz bei Erlangen im Landkreis Forchheim. Es feiert in diesem Jahr sein 50. Firmenjubiläum und ist damit nur ein Jahr jünger als sein Inhaber Robert Tanner. Ihm wurde das Unternehmen quasi in die Wiege gelegt, denn gegründet haben den Betrieb ursprünglich seine
Eltern Hans und Nevenka Tanner. Hans Tanner, seines Zeichens Bus- und Lkw-Fahrer, stammte aus einer Flüchtlingsfamilie, hatte zunächst Bäcker gelernt und hielt sich wirtschaftlich mit allen möglichen Tätigkeiten über Wasser. Bis ihm ausgerechnet der Chef seiner Frau Nevenka, die bei Siemens arbeitete, eine Siemens-Werkslinie anbot. „Er sagte zu meinem Vater“, so Robert Tanner über die Familiengeschichte, „dass – so mein Vater sich einen eigenen Bus kaufe – er eine der Linien erhielte, mit denen die Arbeiter in die Firma von Siemens gebracht würden. Siemens baute diese Linien damals gerade auf und suchte Fahrer und Unternehmer, die die Touren bedienten.“ Hans und Nevenka Tanner ergriffen die Gelegenheit beim Schopfe. Sie gründeten eine Firma, kauften sich einen gebrauchten Magirus-Deutz mit dem für diese Fahrzeuge einst typischen luftgekühlten Dieselmotor und übernahmen die versprochene Linie. 1975 war Nevenka im gesamten Landkreis Forchheim eine der ersten Frauen mit Busführerschein und Sohn Robert, gerade ein Jahr alt, fast immer im Bus mit dabei. Von nun an wurde Expansion zum Thema: Die Tanners kauften weitere Busse, übernahmen weitere Siemens-Werkslinien und dehnten ihr operatives Geschäft auch auf Schulbusverkehre, Vereinsfahrten und erste kleinere Reisen sowie den ÖPNV aus. „1982 zogen wir dann von Forchheim ins wenige Kilometer entfernte Dormitz bei Erlangen, wo sich bis heute unser Firmensitz befindet“, erinnert sich Robert Tanner. „Nach meinem Schulabschluss habe ich 1990 bei Kässbohrer/Setra Mechaniker gelernt und danach noch ein Jahr in den dortigen Werkstätten gearbeitet. Danach bin ich ins elterliche Unternehmen zurückgekehrt und habe im Jahr 2004 schließlich mit meinem Vater die heutige Tanner KG gegründet.“ Er hielt zunächst 50 Prozent der Anteile und übernahm in den Folgejahren bis 2014 die unternehmerische Alleinverantwortung bis heute.


Von Braun-Rot-Gold zu Forget-Design


Bis 1994 kamen alle Tanner-Busse in einer einheitlichen Braun-Rot-Gold-Lackierung daher. Ein Flotten-Neuzugang, den Tanners auf einer Setra-Hausmesse vom Fleck weg kauften, beendete diese Tradition. Das abenteuerlich grüne Fahrzeug mit dem opulenten Steinbock – ein Setra 315 HDH – passte schlicht und ergreifend so gar nicht in den bisherigen Fuhrpark. Gestaltet worden war er von keinem Geringeren als Jacques Forget. Der „Picasso der Buslackierung“, wie Forget bisweilen genannt wurde, fungierte einst als Messedesigner für Setra, gestaltete eine Zeit lang aber nicht nur Lackierungen und Interieur von Bussen, sondern auch Embleme, Kataloge und sogar das Setra-Briefpapier. Als kreativer Kopf hinter „Graphibus“ war Forget bekannt für seine ausgefallenen Designs und galt zugleich als Begründer einer eigenen Epoche der Nutzfahrzeuggestaltung. Er starb im Januar 2023 im Alter von 78 Jahren.


„Mit diesem Setra im Look des Sternzeichens Steinbock begann auch bei uns Tanners eine neue Ära“, erzählt Robert Tanner. „Wir überlegten: Was machen wir jetzt? Und dann bestellten wir gleich noch zwei weitere Setra 315 HDH mit Sternzeichen darauf. Einen rosa Skorpion und einen blauen Stier.“
Dieser Design-Linie sind die Tanners seither treu geblieben. Bis heute wurden 47 Unikate bei Setra angeschafft. „Als die Sternzeichen aufgebraucht waren, sind wir im Jahr 2008 auf Fabelwesen übergegangen und haben auch jedem Bus immer wieder eine eigene Farbe verliehen.“ Ein Höllenstier erstrahlte in Rot, ein Black Dragon in Schwarz, ein Phönix in Gelb, ein Pegasus in Grün. An die Fabelwesen schlossen sich ab 2018 die Götter an: Poseidon in Blau und El Diabolo in Rubinrot und zuletzt Thor in Schiefergrau mit Stahlblau. „Bei den Wikingern soll Thor der Gott der Reisenden gewesen sein“, sagt Robert Tanner. „Da ihm große Macht zugesprochen wird und unser neuester Bus – ein Setra 531 DT Doppelstock – auch das mächtigste bzw. größte Fahrzeug in unserer Flotte ist, fanden wir den Thor mehr als passend in unserer Crew.“ Der 531 DT wirkt zugegebenermaßen schon aus sich selbst heraus geradezu monumental. Mit Thor darauf wird das noch einmal mehr gesteigert.


Alles auf Party


„Das Design erarbeite ich heute zusammen mit dem Setra-Designer Marc Jech“, verrät Robert Tanner. „Zu ‚Design‘ im weitesten Sinne zählt dabei aber nicht nur das Exterieur, sondern die gesamte Ausstattung, einschließlich Sicherheits- und Assistenzsysteme sowie Zubehör und Sonderausstattungen.“ Tanner ordert für alle seine Busse, was das Setra-Portfolio hergibt und noch übertrifft. „Auf unseren Kundensonderwunschlisten stehen für gewöhnlich Wünsche in dreistelliger Anzahl“, meint er augenzwinkernd. Die Sonderausstattungen sind immer auf Party-Bus ausgelegt und werden von OES, Omnibus Electronic Services, beigesteuert, einem Unternehmen aus Willich, das sich auf den Ausbau von Bussen spezialisiert hat. „Allein im Thor stecken 70 Steckdosen, der größtmögliche Ladewechselrichter, USB A und C unter den ergonomischen Voyage Ambassador Sitzen mit einstellbaren Lederkopfstützen“, schwärmt Tanner. „Hinzu kommen farblich beleuchtete Trittstufen und Ambientebeleuchtung und allerlei Gimmicks. Im Unterdeck gibt es eine Spiegeldecke mit integriertem Sternenhimmel. In den Hutablagefächern haben wir Disko-Beleuchtung und ein umfassendes Lichtdesign untergebracht, das auch nach außen expandieren kann.“ Die dreiteilige Soundanlage kann Fahrgastraum, Fahrerplatz und die äußere Umgebung des Busses musikalisch illuminieren und hinter dem Fahrerarbeitsplatz wurde ein zusätzlicher Küchenblock mit Kühlschrank und Kaffeemaschine installiert.


„Deshalb hat der Thor ‚nur‘ 79 statt der regulären 81 Sitzplätze“, sagt Robert Tanner. „Aber wie unsere anderen Busse braucht auch er im Grunde nur noch
einen Stellplatz. Dann kann eine Party praktisch überall steigen.“ Die Kunden scheinen davon mehr als begeistert zu sein. „Wir fahren alle, nicht nur ein bestimmtes Klientel. Zu uns kommen Kindergärten, Schulen und Jugendgruppen, Firmen und Vereine, Senioren.“ So soll es auch weitergehen. Die Mission scheint damit klar. Und vielleicht braucht es zur Überwindung des berühmt berüchtigten Generationen-Gap am Ende tatsächlich nur einen Tanner. Mit einem Thor, einem Stier oder einem
Fabelwesen – auf Sternstundenfahrt.


Judith Böhnke