Ran an den Bus mit Rolle und Cutter – wer Ende September auf der IAA Nutzfahrzeuge in Hannover war, konnte diese Szene auf dem MAN-Messestand live miterleben. Drei junge Männer, ausgestattet mit Cutter und farbigen Klebebandrollen, werkelten hochkonzentriert an einem Neoplan Cityliner L. Unmittelbar daneben stand ein Neoplan Tourliner und zog neugierige Blicke auf sich. Nicht verwunderlich bei der kunstvoll gestalteten Beklebung in neongelb, schwarz und weiß. Was hat es damit auf sich und wer sind diese „Jungs“? Bei dem Trio handelt es sich um das Künstlerkollektiv „Klebebande“ aus Berlin.

Bodo Höbing, Bruno Kolberg und Kolja Bultmann, Gründer der Klebebande, arbeiten seit 2010 zusammen und haben ihr Hobby zum Beruf gemacht: Tape Art, Kunst mit Klebeband. Die Tape Artists schaffen mit Klebeband die erstaunlichsten Kunstwerke. Ob auf/in Gebäuden, auf der Straße oder in Clubs – das Portfolio der jungen Künstler ist breitgefächert. Der Kreativität sind dabei keine Grenzen gesetzt.

Reisebusse als Projektionsfläche für ihre künstlerische Arbeit gehörten bisher nicht dazu. „Auf diese Idee wären wir von uns aus nicht gekommen“, gab Kolja Bultmann bei einem Gespräch mit Bus Blickpunkt auf der IAA Nutzfahrzeuge zu. Vor etwa zwei Jahren sei MAN an die Klebebande herangetreten. Aus der Zusammenarbeit sei dann die Kampagne „Neoplan moving Art“ entstanden. Kunst meets Reisebus, warum eigentlich nicht? Eines ist dabei sicher, dieses Projekt ist ein weiterer Baustein für ein positives Image des Busses. „Es ist mutig von MAN, diesen Schritt zu gehen“, findet Kolja Bultmann. „Kunst transportiert Emotionen und das passt gut zum Reisebus“, ergänzt er. Inzwischen hat das Trio insgesamt drei Neoplan-Modelle als rollende Kunstwerke gestaltet: Skyliner, Cityliner und Tourliner. Weitere gemeinsame Projekte sind anvisiert.

„Wir sind Künstler. Wir machen keine professionelle Busbeklebung“, verdeutlicht Bultmann. Zwar habe man vor der Zusammenarbeit mit MAN auch schon Busse künstlerisch gestaltet, „aber auf so einem hohen Niveau fand es zum ersten Mal statt.“ Mit einem Entwurf und vielen Rollen Klebeband sind die drei Kreativen in der Lage, binnen weniger Tage, genau genommen vier Tage, einen Bus in ein fahrendes Kunstwerk zu verwandeln. Durch die Verwendung verschieden starker Linien in Linienstärken von fünf Millimeter bis zehn Zentimeter und der verschiedenen Farben erzeugen die Künstler dreidimensionale Effekte. Normalerweise arbeitet die Klebebande mit Rastern zum Übertrag des Entwurfs auf ihre Leinwand. Im Fall der Reisebusse konnte nur das Maß der Reifen, Fenster und Gummidichtungen als Orientierungshilfen dienen, um aus dem Din-A4-Entwurf einen kompletten Doppeldecker entstehen zu lassen. „Tape ist ein neues, spannendes Medium, das sich so gut wie überall verarbeiten und anschließend auch wieder rückstandslos entfernen lässt“, erläutert Bultmann.

Tape Art, eine noch relativ junge Kunstform, ist in Berlin groß geworden und erfreut sich wachsender Beliebtheit. Berlin hat sich in den letzten zehn Jahren zum Mittelpunkt der weltweiten Tape-Art-Szene entwickelt. Das Künstlerkollektiv Klebebande entstand in der Berliner Clubszene. Vor ihrem Zusammenschluss in 2010 tobte sich das Trio mit seinem Tape-Art-Hobby unabhängig voneinander in der Berliner Clubszene aus. Sie gestalteten Clubs und dekorierten die eigenen Partys mit Klebeband. Bruno Kohlberg ist autodidaktischer Grafikdesigner, Illustrator und Unternehmer, Bodo Höbing ist Kommunikationsdesigner. Beide haben ihren künstlerischen Ursprung aus der Kreuzberger Graffiti-Szene. Kolja Bultmann stammt aus einer Künstlerfamilie. Der gelernte Betriebswirt eröffnete nach seinem Studium eine Galerie für „Outsider Art“ (auch Art Brut genannt) mit seiner Mutter. Die deutsche Bedeutung von Art Brut lautet in etwa „rohe, unverfälschte oder unvermittelte Kunst“. 
Als Klebebandkünstler hatte das Trio im Prince Charles Club ihren ersten Auftritt. Heute gehören sie zu den Stars in der Tape-Art-Szene. Ihr künstlerisches Können spricht sich immer mehr rum und öffnet ihnen Türe in außergewöhnliche Bereiche, wie z.B. Fahrzeugbeklebung. Zu ihren extravaganten Projekten zählt beispielsweise auch eine Kooperation mit der Königlichen Porzellan-Manufaktur (KPM) Berlin. „Seit gut fünf Jahren leben wir von der Tape Art, sagt Kolja Bultmann. 
Was ist das Besondere an der Arbeit mit Klebeband? „Mit Klebeband zu arbeiten bedeutet für uns immer wieder Neues zu entdecken, neue Techniken zu entwickeln, in komplett andere Bereiche vorzudringen und zu forschen. Aber am allermeisten folgen wir damit unserer künstlerischen Leidenschaft“, resümiert das Klebebande-Trio die Faszination für ihre künstlerische Tätigkeit.