„Themenreisen – Domäne der Bustouristik?“ mit dieser Frage werden sich Experten beim „Tag der Bustouristik“ in Saarbrücken, am 08. Januar 2018, auseinandersetzen. Mit dabei wird auch Christian Stückl sein, Spielleiter der Passionsspiele Oberammergau, der in seinem Vortrag auf die „Geheimnisse der weltweit größten Geschichte im Themenund Eventtourismus“ eingehen wird.

Christian Stückl ist ein temperamentvolles Energiebündel, der weiß, was er will, der nicht um den heißen Brei herumredet und im Hier und Jetzt lebt. Stückl hat sich in seinem 15. Lebensjahr zum Ziel gesetzt, Passionsspielleiter zu werden. Ab da packte ihn der Ehrgeiz und er arbeitete zielstrebig auf diesen für einen Teenager eher ungewöhnlichen Wunsch hin. Doch Stückl selber ist alles, außer gewöhnlich. Im Jahr 2020 wird er bereits das vierte Mal in Folge die Passionsspiele Oberammergau leiten. Woher kommt aber seine enorme Begeisterung für die Passionsspiele?

Als echter Oberammergauer „Bua“ (Junge) haben ihn die Passionsspiele schon immer begeistert. Er ist 1961 in Oberammergau geboren und aufgewachsen. Man muss an dieser Stelle dazu sagen, dass bei den Passionsspielen schon immer ausschließlich die Einwohner Oberammergaus mitspielen. Nur gebürtige Oberammergauer oder Menschen, die mindestens 20 Jahre dort leben, haben ein Recht darauf, bei den Spielen mitzuwirken. Stückl wuchs quasi mit der Passion auf.

„Mir war schon sehr früh klar, dass ich Theater spielen wollte, wie mein Vater und Großvater. Ich wollte auf die Bühne“, erklärt er in einem typisch oberbayerischen Dialekt. Doch dann habe er einmal eine heftige Auseinandersetzung um eine neue Form des Passionsspiels mitbekommen und ihm wurde dann schlagartig bewusst, dass Theatertexte Arbeitsmaterial sind und man diese freigestalten kann. Dieser Gedanke habe ihn so sehr fasziniert, dass er das Theaterspielen aufgab und zum Gestalter wurde. Da er nicht wusste, wo man Theaterhefte herbekommt, hörte er Schallplatten und schrieb die Texte mit, die er dann später seine Theatergruppe spielen ließ. Dieser Ort, wo man Geschichten erzählt, habe ihn schon immer fasziniert, beschreibt er.

Mit 15 entschied er dann Regisseur zu werden, um dann später die Leitung der Passionsspiele zu übernehmen. Er wollte als Regisseur etwas bewegen, vorantreiben. Doch nachdem alle Spielleiter vor ihm Bildhauer waren, entschied auch er sich Bildhauer zu werden – damals erschien ihm das als eine durchaus logische Konsequenz. Doch die Ruhe und die Einsamkeit im Atelier hielt er nicht aus. „Die Ruhe im Atelier hat mich wahnsinnig gemacht. Ich muss Menschen um mich haben und mit Menschen zusammenarbeiten“, erklärt Stückl.

1980 habe ein neuer Spielleiter die Passionsspielleitung übernommen, der aber in den Augen des damals 18-Jährigen und der jungen Leute im Allgemeinen nicht gewillt gewesen sei, etwas voranzutreiben. Das hat uns junge Leute, die ja reformwütig waren und etwas Neues haben wollten, gar nicht gefallen“, erinnert er sich. 1981 baute er seine eigene Theatergruppe in Oberammergau auf. Er bezeichnet es als Glück, als ihn dann ein Münchner Journalist, nachdem er Stückls Shakespeare- Inszenierung gesehen hatte, an die Kammerspiele München empfohlen habe. Als Regieassistent begann dann seine Karriere 1987 in den Kammerspielen München.

Er war nur 24 Jahre alt, als er sich im Oberammergauer Gemeinderat um den Posten des Spielleiters bewarb. Dass auch der Gemeinderat mit dem damaligen Spielleiter unzufrieden war und die jungen Leute ihm davonliefen, kam Stückl zugute und er bekam grünes Licht für diese verantwortungsvolle Stelle (60 Millionen Umsatz, 2.000 Menschen auf der Bühne). Die Oberammergauer Passionsspiele sind das weltweit bekannteste Passionsspiel. Vor fast 400 Jahren begann ihre Geschichte. 1987, mit 27 Jahren, wurde er dann offiziell zum Spielleiter der Passionsspiele Oberammergau gewählt. Drei Jahre später übernahm Stückl erstmals die Regie der Leidensgeschichte Jesu.

Im Jahr 2000 reformierte er das Spiel grundlegend und 2020 darf man gespannt sein, was der innovative, kreative Theaterintendant und Regisseur sich einfallen lassen hat. Auf der diesjährigen ITB in Berlin ließ er durchblicken, dass er die größte, aber auch bekannteste Geschichte der Welt, neu erzählen wird. Was ändert sich eigentlich an der Inszenierung? „An der Inszenierung ändert sich enorm viel“, sagt Stückl. Da die Passionsspiele alle zehn Jahre stattfinden, „muss ich den Text immer neu schreiben, ich muss die Geschichte neu erzählen. Es fließen Erkenntnisse mit ein, die ich beim letzten Spiel gewonnen habe“. Das Bühnenbild, die Kostüme und die Musik ändern sich. „Wenn man nichts neues mehr entwickelt und macht es nur noch aus Tradition – wobei Tradition als Gewohnheit verstanden wird – dann gehen die Dinge kaputt“, veranschaulicht er.

Auch wenn Oberammergau Dreh- und Angelpunkt seine Lebens war und ist, so wollte Christian Stückl jedoch auch in die weite Welt hinaus. Mit Ende 27 hatte er beispielsweise die Gelegenheit, in Indien zu inszenieren. Das Angebot nahm er an und ging nach Indien, wo er mit indischen Schauspielern zusammen arbeitete. „Seitdem fahre ich regelmäßig nach Indien, seit über 20 Jahren schon“, freut er sich. „Ich lade auch indische Regisseure zu mir ins Theater ein“. Neben den Passionsspielen sei ihm klar gewesen, dass seine Leidenschaft dem Theater gilt. Er musste sich nicht nur in Oberammergau als Spielleiter durchsetzen, sondern auch als Regisseur irgendwo anders behaupten. So arbeitete Stückl an verschiedenen deutschsprachigen Bühnen, u. a. Wien, Hannover, Frankfurt und Bonn. Seit 2002 ist er Intendant des Münchner Volkstheaters. Askin Bulut