„Aufmerksamkeit auf einfache kleine Sachen zu verschwenden, die die meisten vernachlässigen, macht ein paar Menschen reich“, sagte einmal Henry Ford (1863 – 1947), der bekannte Gründer und Chef der Automarke Ford. Das trifft wohl auch auf den Bustourismus zu, wenn man bedenkt, dass viele touristische Destinationen – insbesondere städtische – ihn aufgrund seiner wirtschaftlichen Bedeutung unterschätzen. Dabei sollten Destinationen versuchen, ihre Wettbewerbsfähigkeit sowie Profitabilität am Markt durch eine ausreichende Berücksichtigung von Busreisenden zu steigern. Zu diesem Ergebnis kommt Anne-Kathrin Müller, inzwischen Doktorandin, in ihrer Masterarbeit, die sie 2014 geschrieben hat.

Der Titel ihrer wissenschaftlichen Arbeit lautet: „Die Berücksichtigung von Busreisenden durch touristische Anbieter insbesondere in städtischen Verkehrskonzepten.“ Darin geht die 27-jährige junge Frau anhand einer empirischen Studie der Frage nach, ob die Bedürfnisse von Busreisegästen durch touristische Anbieter ausreichend berücksichtigt werden und wie Destinationen ihr Angebot verbessern können, um mehr Gäste zu generieren. Dazu befragte sie insgesamt 90 Busunternehmer. „Ich war total begeistert über die Hilfsbereitschaft der Branche“, freut sich Anne-Kathrin Müller. „Jeder, den ich um ein Interview gebeten habe, hat sofort zugesagt. Die Verbände haben sich im Anschluss bereit erklärt, sowohl der LBO als auch der RDA, meine Umfrage über ihren internen Verteiler zu schicken. Nur so konnte ich dann auch eine so hohe Zahl an Umfrageteilnehmern generieren“, schwärmt sie.

Das Fazit ihrer Arbeit lautet ganz klar: Nein, die Bedürfnisse von Busreisegästen durch touristische Anbieter werden nicht ausreichend berücksichtigt. Ausgehend von den vorliegenden arbeitswissenschaftlichen Erkenntnissen formulierte die junge Doktorandin folgende Handlungsempfehlungen für das Destinationsmanagement: „Die Managementverantwortlichen sollten Busreisegäste als Zielgruppe in die strategische Produktentwicklung der Destination integrieren. Dazu ist eine Zusammenarbeit sowohl mit der Raumordnungspolitik als auch mit Busunternehmern bzw. deren Fachverbänden notwendig. Die dabei anfallenden Kosten sollten in rentablem Verhältnis zum Nutzen stehen.“ Die Ergebnisse ihrer Masterarbeit hat sie Branchenverbänden auch zur Verfügung gestellt.

Anne-Kathrin Müller arbeitet seit September 2014 als Fakultätsmanagerin in der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Katholischen Universität Eichstätt/Ingolstadt (WFI). Zudem ist sie wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Organisation und Personal von Prof. Max Ringlstetter. Dieser Tätigkeit geht sie noch bis August 2017 nach. „Bis dahin ist meine Doktorarbeit hoffentlich fertig“, sagt sie. Apropos Doktorarbeit: Die gebürtige Unterfränkin befasst sich in ihrer Dissertation erneut mit dem Thema Bus: „Geschäftsmodell-Innovation durch Kooperation“ lautet ihr Arbeitstitel. Am Beispiel des deutschen Fernbusmarktes will sie aufzeigen, wie sich Geschäftsmodelle verändern, wenn Unternehmen eine solche Kooperation eingehen und welche Auswirkungen das auf alle Geschäftsbereiche hat.

Bei so viel Interesse für die Busbranche wirft sich irgendwann die Frage auf, warum eigentlich? Der angehenden Doktorin ist die Busbranche quasi in die Wiege gelegt worden. Sie stammt aus einer traditionsreichen Busunternehmer-Familie. Ihre Eltern, Eva-Maria Wagenhäuser-Müller und Xaver Müller, sind Inhaber des Busunternehmens Wagenhäuser Erlebnisreisen in Hofheim / Unterfranken. Das Unternehmen wurde 1923 von ihrem Ur-Großvater als Holzrückeunternehmen gegründet. Danach übernahm ihr Großvater das Unternehmen und baute es zu einem Fuhrunternehmen aus: Busunternehmen, Spedition und Entsorgungsfachbetrieb. Als dann die dritte Generation an der Reihe war, übernahm ihre Mutter Eva-Maria Wagenhäuser-Müller das Bus- und Entsorgungsunternehmen und ihr Onkel die Spedition. Anne-Kathrin Müller und ihr drei Jahre jüngerer Bruder Thomas gehören zur inzwischen vierten Generation. Seit frühester Kindheit begleitet Anne-Kathrin Müller ihre Eltern auf Busreisen. Auch heute noch hilft sie nach wie vor im elterlichen Betrieb aus. Sie kümmert sich um Marketingthemen und strategische Aufgaben. Ab und zu fährt sie auch als Reisebegleiterin auf Reisen mit. Die Busflotte von Wagenhäuser Erlebnisreisen besteht aus 20 Fahrzeugen. Der Schwerpunkt liegt im Linienverkehr. Außerdem gehört ein kleines Reisebüro zum Busgeschäft. Die Idee zu ihrer Masterarbeit ist durch ein Telefongespräch mit ihrer Mutter entstanden, erinnert sich Anne-Kathrin Müller. Und zwar habe ihr ihre Mutter bei diesem Gespräch erzählt, dass sie, in ihrer Funktion als damaliger RDA-Vorstand, einen Vortrag bei der Unesco über die Bedürfnisse von Bustouristen in Destinationen halten werde. „Das fand ich so spannend, da dachte ich mir, ich könnte doch eine empirische Studie dazu machen“, beschreibt sie ihre Begeisterung für das Thema. Zu dieser Zeit war die damalige Studentin auf der Suche nach einer passenden Idee für ihre Masterarbeit. Für ihre wissenschaftliche Arbeit wurde sie dieses Jahr in Köln im Rahmen der Nachwuchsförderung von der RDA-Workshop-Touristik-Service GmbH mit dem RDA Award ausgezeichnet.


Die Bustouristik wird auch weiterhin eine Rolle im Leben von Anne-Kathrin Müller spielen. „In Zukunft kann ich mir sehr gut vorstellen, im Busunternehmen meiner Eltern einzusteigen“, sagt sie. Doch vorher will sie erst mal ein paar Jahre in andere Bereiche reinschnuppern und Erfahrungen sammeln. Final sei aber noch nichts geklärt. Ihr jüngerer Bruder, Thomas Müller, habe letztes Jahr seine Nutzfahrzeug-Meisterprüfung sowie die Prüfung zum Betriebswirt abgelegt und die Werkstatt des elterlichen Unternehmens übernommen. Damit scheint die Nachfolgeregelung bei Wagenhäuser Erlebnisreisen gesichert zu sein. Die vierte Generation wird das traditionsreiche Busunternehmen in die Zukunft führen.