Rund 120 Bustouristiker und ihre Partner folgten der Einladung des Verbands Baden-Württembergischer Omnibusunternehmen (WBO) und der Gütegemeinschaft Buskomfort (gbk) zum 42. „Tag des Bustourismus“ nach Stuttgart. Die Tagung unter dem Motto „Reisen im Spannungsfeld der Krisen: Aussichten und Herausforderungen für die aktuelle Saison“ fand im Rahmen der gut besuchten CMT auf dem Stuttgarter Messegelände statt, die erstmals nach der Corona-Pandemie stattfand. Ein Gang durch die Urlaubsmesse belege die steigende Bedeutung von Rad- und Wanderreisen auch für den Bustourismus, stellte Martin Becker in seiner Einführung fest, auch wenn das „B für Bus hier immer schon gefehlt habe“. Gerade Radreisen seien mit bis zu vier Millionen Gästen auch in der Bustouristik besonders beliebt. Vor dem Hintergrund von Personalmangel, Lieferengpässen sowie der Abhängigkeit vieler Firmen von staatlicher Unterstützung verwies der gbk-Geschäftsführer auf Kooperationen als Alternative zum klassischen Konkurrenzkampf. Als Beispiel dafür nannte er mittelständische Unternehmen aus dem bundesdeutschen Norden, die beispielsweise ihren Bus-Port gegenseitig nutzen und gemeinsame Reisekataloge veröffentlichen um so Synergien zu heben.

 

Trendbarometer zeigt durchwachsene Situation der Branche

Michael Gersch, Touristik-Referent beim WBO, präsentierte die Ergebnisse einer Umfrage unter mehr als 60 Bustouristikern in Baden-Württemberg, die kurzfristig anberaumt war, aber nach WBO-Aussage sehr guten Rücklauf hatte. Die Stimmung unter den Touristikern sei demnach gut bis „verhalten optimistisch“. Mehr als ein Drittel erwartet ein gutes oder sehr gutes Reisegeschäft für das laufende Jahr. Drei Viertel der Befragten rechnen mit positiven Ergebnissen im Mietbusgeschäft. M, das aufgrund der überall fehlenden Kapazitäten und Fahrer einen Boom erlebt. Mehr als 70 Prozent der Befragten stufen den Einfluss von Inflation und Energiekrise auf das Buchungsverhalten mittlerweile als gering ein. Corona spiele bei der Entscheidung für einen Urlaub in diesem Jahr nach Meinung aller (!) Befragten überhaupt keine Rolle mehr. Die Auswertung des WBO zeigt außerdem auf, dass 15 Prozent der Befragten im Jahr 2022 ein Umsatzvolumen von mehr als 90 Prozent im Vergleich zu 2019 erreicht haben und 57 Prozent der Unternehmen ein Umsatzvolumen von mehr als 80 Prozent. „Das ist deutlich besser, als viele erwartet haben“, freut sich Michael Gersch. Das Thema Personalknappheit ist aber auch hier mehr als präsent: über 70 Prozent der Befragten sagt, dass man Probleme bei der Personalgewinnung habe und bei 57 Prozent führe dies sogar zu einer ungeplanten Verknappung des Angebotes.

Laut dem WBO-Trendbarometer sagen 86 Prozent der Busunternehmer, dass ihre Kunden gleichbleibend "nachhaltige Angebote" wenig bis gar nicht nachfragen. Trotzdem hielten 57 Prozent der befragten Unternehmen ein "Prüfsiegel für Nachhaltigkeit in der Bustouristik" für sinnvoll. Und tatsächlich werden der WBO und drei seiner Mitgliedsunternehmen zeitnah beim baden-württembergischen Wirtschaftsministerium vorstellig, um mit dem zuständigen Staatssekretär Patrick Rapp (CDU) die Chancen für ein solches Siegel auszuloten, der es unlängst bei einer Experten-Talkrunde ins Gespräch brachte. Zwar sind Gütesiegel ein zweischneidiges Schwert, die letzten Anläufe aus den Nuller-Jahren in Sachen Bussicherheit sind weitgehend wirkungslos verpufft und ausgelaufen. Trotzdem könnte das, wenn richtig gemacht, durchaus ein Ansatz sein, der Bustouristik einen weiteren Push zu geben.

 

Kritik an überzogenen Preisanpassungen der Hotellerie

Während Busunternehmer und WBO-Referent Mathias Hirsch im Jahr 2021 etwa 60 verschiedene Routen in Deutschland angeboten hatte und die Kunden des Busreiseveranstalters aus Karlsruhe auch eine viertägige Reise durch das Taubertal buchten („Unser Motto war damals „1. Deutschland, 2. Deutschland und 3. Deutschland“), verkauft er jetzt vor allem wieder ausländische Ziele, nachdem die „Krise der Destinationen“ weitgehend vorbei sei – außer in Osteuropa. Mit kämpferischem Pathos appellierte er an die Busunternehmer, sich gegen die „frechen“ Preissteigerungen vieler Hotels zu wehren. Deutliche Kritik übte Hirsch auch an Hotels, die ihr Geschäft nur noch über digitale Buchungsplattformen generieren. „Viele Hotels wollen keine Verträge mit Gruppenreiseveranstaltern machen. Aber unsere Margen vertragen diese Preiserhöhungen einfach nicht. Wir kämpfen um jeden bestehenden Vertrag ansonsten suchen wir uns dann andere Hotels!“ Ein weiteres Problem sieht er im teilweise deutlich reduzierten Serviceangebot der Hotels und Gaststätten. „Wir haben unsere Fahrer darauf vorbereitet, dass sie im Notfall auch mal im Service einspringen können, und das kam durchaus auch schon mal vor.“ Ein wichtiges Thema, dass nicht bei jedem Fahrer/Fahrerin oder Busbegleiter/-in gut ankommen dürfte.

 

"Gruppen sind bei unseren Hotelpartnern immer willkommen," betont Tina Behringer mit positivem Blick auf die kommende Reisesaison. Die Paketreiseveranstalterin aus Mittelhessen registriert jetzt wieder eine verstärkte Nachfrage nach Reisezielen in Europa. Neben Österreich, der Schweiz und Skandinavien lägen auch England, Frankreich und Kroatien deutlich im Trend. Die süddeutschen Busreiseveranstalter seien nach ihrer Wahrnehmung durchaus besser durch die Krise gekommen. „Wenn die Stornorate jetzt noch auf Vor-Corona Niveau bleibt, dann gibt es durchaus Grund für Hoffnung auf ein gutes Jahr 2023!“ Die Preise seien im Inland dabei nicht ganz so stark gestiegen wie im Ausland, wo man schon von Steigerungen von 40 bis 80 Prozent sprechen könne, vor allem bei den Fähren. Eine sinnvoll gesteuerte Migration von ausländischen Fachkräften sieht Behringer zudem als Chance im Kampf gegen den Personalmangel, von dem auch das Hotelgewerbe stark betroffen ist.

 

Mit Begeisterung gegen die Servicewüste ankämpfen

Melanie Wekenmann, Geschäftsführerin in dritter Generation von Hartmann Reisen aus Rottenburg, vermisst in ihrem ebenso begeisterndem wie mitreißendem Vortrag wiederum lernwillige Auszubildende, die im Tourismus arbeiten wollen. „Wir haben seit 2020 keine neuen Azubis mehr einstellen können,“ berichtet sie. Außerdem suche sie  „Gastronomen aus Leidenschaft“ und ärgert sich über „exorbitant hohe Zuschläge für Einzelzimmer in den Hotels, mit denen man sogar schon sehr lange zusammengearbeitet hat“. Der reduzierte Service in den Hotels stehe im Widerspruch zum „Anspruchsdenken teilweise verwöhnter Stammkunden“, allerdings habe man in 2022 soviele Neukunden wie noch nie an Bord begrüßen können. „Und es sind allermeistens sehr dankbare Kunden mit guter Stimmung, die einfach wieder verreisen wollen!“ In den gegenwärtigen Krisenzeiten verkauft die Busreiseveranstalterin mit Herz und Seele vor allem günstige Kurz- und Tagesreisen, aber gleichzeitig gebe es einen Trend zum „Wenn schon, denn schon!“ bei den Kunden. Auch Wekenmann sieht das Problem des eingeschränkten Hotel- und Gaststättenservices, der teilweise nur angeboten werde, „wenn man selbst zwei Bedienungen mitbringt!“ Der hierdurch stark erhöhte Planungsaufwand sei eine der echten Herausforderungen für die Zukunft, so Wekenmann. Statt auf immer mehr aufwendige Zusatzprogamme setze man nunmehr darauf, das Wesentliche anbieten zu können.

 

Karl Heyne vom Paketer Service-Reisen Gießen, der 2023 sein 50-jähriges Jubiläum begehen wird, sieht ebenfalls keinen Trend zu kürzeren Reisen, deren Organisation im Vergleich zu längeren Urlauben aufwändiger sei. Mit beinahe fünf Tagen durchschnittlicher Reisedauer liege man 2022 sogar leicht über dem Vergleichswert von 2019. Man habe ein herausforderndes Jahr 2022 hinter sich, mit explodierenden Anfragen ab März bei steigendendem coronabedingten Krankenstand. „Viele Problem waren auch hausgemacht bei uns,“ gab er unumwunden zu. Er rechnet mit weiter steigenden Hotelpreisen, zumal jetzt auch Touristen aus Asien und vor allem China „Europa überfluten werden“. Um gute Umsätze zu generieren, sollten Busunternehmer ihre Reisen deshalb frühzeitig einkaufen. Dabei rate er zunehmend, sich mit den gestiegenen Preisen zu arrangieren, bevor man ganz ohne Hotel, Fähre oder Restaurant dastehe und den Kunden dann auch den „echten Preis, der notwendig ist“ weiterzugeben, „ohne Wenn und Aber“. Die Preise seien 2021 und 22 „künstlich durch die Paketer niedrig gehalten und so auch subventioniert worden,“ klagt Heyne, auch wenn man dank „modernem Revenue- und Yield-Management gar nicht mehr von DEM Preis reden könne“. Dadurch sei ihre Marge 2022 signifikant gesunken, „das ist nicht dauerhaft möglich, die Preise werden 23 und 24 steigen.“ Das verheißt nichts Gutes für die weitere Preisentwicklung auf dem Paketermarkt. Auch er weist darauf hin, dass die Unternehmen alle, also auch „weiche Faktoren“ wie Reiselust und Begeisterung deutlicher kommunizieren sollten: „Wir müssen so präsent und nah am Kunden wie möglich sein und viele Kontaktpunkte abbilden,“ schloss Heyne mit deutlicher Verve. Das Jahr 2023 werde sicher wieder planbarer, sagte er auf der abschließenden Podiumsdiskussion, „aber ihm fehle die mittelfristige Perspektive“. Als gesamte Branche tue man zu wenig, „was die Nachhaltigkeit angeht.“ Der Bus sei immer noch das „nachhaltigste, gruppenreisetaugliche Verkehrsmittel, das es gäbe“.

 

Hohe Qualität verkauft sich besser als Zweitklassiges

Ansgar Zoller wiederum erkennt in der demographischen Entwicklung noch Potential für die Bustouristik, auch wenn es sicher „nicht mehr so werde wie vor der Krise“. „Unser Publikum verfügt über viel Zeit und hohe Renten“, erklärte der Gründer und Inhaber der Trendwerkstatt im oberschwäbischen Erolzheim. Statt Abstriche bei der Qualität zu machen, sollten Busreiseveranstaltern ihren Kunden besondere Erlebnisse bieten. „Es muss nicht billig, sondern super sein. Ein Zwei-Sterne-Reisebus passt nunmal nicht zum Vier-Sterne-Hotel.“ Was die Kunden dann konkret buchen wollen, würden sie selbst dann „sehr bewusst auswählen“. Auch er beklagt, dass die Wertschöpfung aus dem Bustourismus bei den Hoteliers nur unzureichend wahrgenommen werde. Die Stimmung unter den Reisegästen sei sehr gut, daher solle man als Bustouristiker nicht so sehr an die Preisgestaltung, sondern mehr an die Leistungsgestaltung denken: „Was würden Sie selbst gerne erleben und was würden Sie als Reisegast nie alleine schaffen?“ Sein Fazit: Die Gäste erwarten Ehrlichkeit, Sicherheitsempfinden, Niveau und Qualität und nicht zuletzt Menschlichkeit und „Gesichter zeigen“ – und das auf allen viralen Kanälen. Dort ist Zoller selbst häufig zu erleben.

 

Karlheinz Scholtis schlug auf einer Podiumsdiskussion, die von der WBO-Geschäftsführerin Yvonne Hüneburg moderiert wurde, in dieselbe Kerbe: „Teure Reisen mit hoher Qualität verkaufen sich gut, die Kundschaft hat das Geld“, stellte der Geschäftsführer der Touristik Partner Service GmbH in Rödermark fest. Wenn er keine geeigneten Fahrer finde, werden er seinen Fuhrpark sogar verkleinern müssen, räumte der Stuttgarter Busunternehmer Harald Binder in dieser Gesprächsrunde ein. Und Heinrich Marti fürchtet, dass der Reisebus langfristig zum Verlierer der Klimapolitik wird. „Denn mit dem Ende des Verbrenners und den neuen EU-Vorgaben zu Euro 7 werden die Fahrzeuge und damit auch unsere Produkte unweigerlich viel teurer werden, und wir werden das eigenwirtschaftlich stemmen müssen während die Flieger vereinfacht gesagt 'billig und schmutzig' bleiben werden“, gab der Busunternehmer aus der Schweiz mahnend zu bedenken und erntete den lautesten Applaus des Auditoriums dafür. Bevor die Veranstaltung mit einem geselligen Get together ausklang, präsentierte sich die Stadt Göppingen zusammen mit dem Märklineum als attraktives Reiseziel für die Bustouristik.

 

WBO und gbk luden zu einer spannenden Tagung mit kompetenten Referenten und Gesprächspartnern ein (v.l.n.r.): Martin Becker, Hermann Meyering (gbk-Vorsitzender), Karlheinz Scholtis, Klaus Sedelmeier (WBO-Vorsitzender), Tina Behringer, Yvonne Hüneburg, Melanie Wekenmann, Karl Heyne, Michael Gersch, Harald Binder, Ansgar Zoller und Mathias Hirsch.                                                     Foto: Thorsten Wagner