Wie haben Sie sich in die neue Funktion eingelebt, und was sind die großen Themen, an denen Sie gerade "dran sind"?

Nach den sehr intensiven ersten Monaten habe ich den Eindruck, dass es eigentlich hauptsächlich große Themen sind mit denen sich die Branche und ihr Verband beschäftigen. Inhaltlich steht vieles unter dem Eindruck des „Deutschlandtickets“, unserer Idee eines Deutschlandangebots und der Finanzierung des ÖPNV. Aber es geht auch um die "3 S": Sicherheit, Schwarzfahren und SEV. Und dazu prägen aus meiner persönlichen Wahrnehmung zwei weitere S aktuell meinen Arbeitsalltag: Stress und vor allem Spaß.  Ich bin von einem sehr kompetenten, intrinsisch motivierten Team begrüßt worden, das mit großer Offenheit „den Neuen“ in seiner Mitte aufgenommen hat. Das gilt im Übrigen auch für unsere Mitglieder und die weiteren Partner in der Branche.

 

Die neuerliche "Einigung" zum D-Ticket liest sich wie ein "Basta" des Verkehrsministers ohne auf die deutlich und wiederholt vorgebrachten Forderungen  des VDV und anderer einzugehen. Ist der Eindruck korrekt?

Es war der Einsatz des Bundeskanzlers und der Ministerpräsidenten notwendig, um eine Nachspielzeit der Verkehrsminister zu erreichen. Jetzt geht es um ein Konzept, das das Deutschlandticket nachhaltig finanziert und attraktiver macht. Da werden wir auch als Branche weiterhin gefordert sein. Unsere Forderung richtet sich dabei hauptsächlich in eine Richtung: Die Branche braucht Finanzierungs- und Planungssicherheit, um das Ticket noch erfolgreicher und attraktiver zu machen. Ich denke, die Forderung nach Sicherheit beim Fortbestand des Deutschland-Tickets teilen wir mit unseren Fahrgästen.

 

Geht es dem Minister womöglich mehr um die Verschlankung der ÖPNV Strukturen und wie wird der VDV auf solche Bestrebungen strukturell reagieren?

Worum es den Minister geht, bleibt sein Geheimnis. Denn er spricht ja mit uns nicht darüber. Sein Ablenkungsmanöver mit der Forderung „spart zwei Milliarden“ wäre valider, wenn er Vorschläge machen würde, was er konkret meint. Momentan jedenfalls verliert die Branche durch das Deutschland-Ticket Einnahmen und hat erhöhten Aufwand bei Digitalisierung und im Vertrieb.

Um welche Fehlbeträge geht es jetzt für die nächsten Jahre konkret, es werden ja diverse Millionenbeträge genannt derzeit?

Ich kenne nur die Prognose, die wir als Branche gemeinsam erstellt haben. Wir prognostizieren einen Einnahmeverlust durch das Deutschland-Ticket von rund 6,4 Mrd. Euro für 2023 und 2024. 

Wären die nicht verwendeten Gelder aus '23 nicht ohnehin übertragen worden in 2024? Ist dies nicht ein Pseudo-Goodie?

Nein, das war wichtig. Der Haushaltsrest wäre weg gewesen, wenn es nach dem Bundesverkehrs- und dem Bundesfinanzminister gegangen wäre. Insofern ist das Glas halb voll, stillt aber nicht den Durst.

 

Welche Ideen gibt es im VDV zu einer inhaltlichen Weiterentwicklung des D-Ticktet?

Wir sagen: Rabattierung des JobTickets über 2024 verlängern, damit wir das noch stärker vermarkten können. Wir sagen: einheitliches und vergünstigtes Studierendenticket ab Sommersemster 2024. Wir sagen: Mitnahme von Personen zu einem entsprechenden Aufpreis. Und wir sehen weiterhin großes Potenzial in einer bundesweit übergeordneten Vermarktung des Tickets, ergänzend zu den regionalen und lokalen Aktionen. Am Ende soll das Ticket maximalen erfolgreich sein, also von möglichst vielen Menschen gekauft und genutzt werden.

 

Wie steht es um die Digitalisierung (auch im Rahmen vom "Mobility Inside") und um die immer noch nicht finale Einnahmenaufteilung?

Der Bund wollte keine digitale, nationale Plattform zur Vermarktung. Wir werden also in dem Bereich zunehmend Wettbewerb sehen und wir sehen heute schon Dritte wie Bertelsmann und ADAC, die beim Deutschland-Ticket in den Verkauf einsteigen. Die Digitalisierung insgesamt bewegt alle unsere Unternehmen in der gesamten Länge der Wertschöpfung, von Rekrutierung über Dienst- und Umlaufplanung bis zum Kundendialog. Auch hier gibt es massive Investitionsbedarfe. Wir kommen voran. Politisch motivierte Zurufe von der Seitenlinie helfen da nicht weiter.

 

Wie geht es jetzt bis zum 1. Mai 2024 konkret weiter? Wann wissen die Kunden, ob und wann es Preiserhöhungen geben wird?

Das ist noch nicht klar. Wir raten dazu, den Preis bei 49 Euro zu belassen. Wenige Wochen nach Einführung über Preiserhöhungen zu sprechen - das war kein Ruhmesblatt der Politik. Zumal die MPK und der Kanzler vor ziemlich genau einem Jahr noch eine zweijährige Einführungsphase beschlossen haben. Besser wäre gewesen sich politisch zu einigen und für 2024 das zu bezahlen was man bestellt hat. Wichtig ist jetzt - für alle Unternehmen, kommunale, mittelständische und bundeseigene  - , dass das Gesamtkonzept Deutschlandticket stimmt. Dann wird es noch erfolgreicher und leistet seinen Beitrag für mehr öffentliche Mobilität und Klimaschutz. Wenn wir das passende Deutschlandangebot dazu haben. Wir haben dazu Vorschläge für den Ausbau- und Modernisierungspakt des Bundes gemacht, den dieser mit den Ländern und den Kommunen schließen will. Die Bereitschaft der Länder, bei dem Thema mit diesem Bundesverkehrsminister zu verhandeln ist allerdings nach unserer Wahrnehmung aktuell nicht sehr ausgeprägt.  

 

Das Interview führte Thorsten Wagner und erscheint gedruckt im neuen Bus Blickpunkt.