Busunternehmer Karl Kranich hat seinen Fahrern bislang jedes Jahr um die Weihnachtszeit eine kleine Freude bereitet. Zusammen mit dem Lohn für November zahlte er ein Weihnachtsgeld (ca. 500 EUR) aus. In Anbetracht gestiegener Löhne meint Karl Kranich, seine Fahrer würden schon genug bekommen. Er will deshalb ab diesem Jahr kein Weihnachtsgeld mehr zahlen. Geht das so einfach?

Das kommt darauf an. Das Weihnachtsgeld stellt eine zusätzliche Vergütung dar, auf die der Arbeitnehmer keinen (gesetzlichen) Anspruch hat. Ein solcher Anspruch kann sich aber aus einem Tarif- oder Arbeitsvertrag ergeben. Wir unterstellen, dass sich im vorliegenden Fall der Anspruch aus beiden nicht ergibt. Gewährt der Arbeitgeber eine freiwillige Leistung – ohne Einschränkung – mehrere Jahre in Folge, so entsteht durch die wiederholte Gewährung der freiwilligen Zahlung eine so genannte betriebliche Übung. Das führt dazu, dass der Inhalt der betrieblichen Übung zum Gegenstand der Arbeitsverträge wird.


In vorliegenden Fall kann der Arbeitnehmer das Weihnachtsgeld kraft betrieblicher Übung verlangen, auch wenn im Arbeitsvertrag nichts geregelt ist. Um diese Wirkung nicht eintreten zu lassen, empfehlen Juristen häufig, eine freiwillige Leistung nicht vorbehaltlos zu gewähren, sondern in einem „Begleitschreiben“ auf die Freiwilligkeit der Leistung und die jederzeitige Widerrufbarkeit hinzuweisen. Ob sich mit derlei Formulierungen jede Risiken vermeiden lassen, mag an der Stelle dahingestellt bleiben. Wir unterstellen einmal, Karl Kranich hat das Weihnachtsgeld in den letzten Jahren immer kommentarlos gezahlt. Was gilt dann?

Nun, in dem Fall wäre er nach den Grundsätzen der betrieblichen Übung eigentlich verpflichtet, auch im Jahr 2015 ein Weihnachtsgeld auszuzahlen. Gestiegene Löhne oder die Einführung des Mindestlohngesetzes ändern hieran nichts. Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun. Um sich von den Zwängen der betrieblichen Übung zu lösen, müsste Karl Kranich somit seinen Leuten entweder einen „Änderungsvertrag“ anbieten oder eine „Teiländerungskündigung“ aussprechen. Das macht in der Praxis nach unserem Kenntnisstand kein Mensch. In der Regel wird das Weihnachtsgeld einfach oder allenfalls mit lapidarer Begründung gestrichen.  In dem Fall ist immer abzuwarten, ob die Mitarbeiter das Minus im Portemonnaie schlucken oder mucken.  Zu empfehlen ist daher, die Mitarbeiter zumindest im Vorfeld auf die ausbleibende Zahlung hinzuweisen und vor allem die Nichtzahlung plausibel und nachvollziehbar zu erklären.

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