Grund: Die VAG soll gezielt Busfahrer von privaten Busunternehmen abgeworben haben. Meine Recherchen haben ergeben, dass rund 100 Busfahrer auf diese Weise den sechs bis sieben privaten Unternehmen, die als Subunternehmen für die VAG tätig sind, abhandengekommen sind. Busfahrer an die VAG verloren hat u.a. auch Ernst Rupprecht, einer der Geschäftsführer von Arzt Reisen. Aus diesem Grund kann er einen Teil seiner vereinbarten Leistungen nicht erbringen. Sein Unternehmen fährt seit über 25 Jahren für die VAG Nürnberg. Die Zusammenarbeit habe in all den Jahren reibungslos funktioniert, sagt er. Doch jetzt ist Schluss mit lustig.

Was hat sich geändert? Ich fragte bei der VAG Nürnberg nach. Susanne Jerosch, Konzernkommunikation VAG, erklärte auf meine Anfrage hin, dass sich als Folge der EU-Verordnung 1370/2007 der Nahverkehrsmarkt im Großraum Nürnberg neu strukturiert habe (Anm. d. Red.: seit 03. Dezember 2009 ist diese Verordnung in Kraft. Übergangsregelungen bestehen für bereits zuvor abgeschlossene Verkehrsverträge bis zum 13. Dezember 2019). Die VAG stellte bisher den ÖPNV in Nürnberg, Fürth und Erlangen. Durch die neue Verordnung darf die VAG künftig nur noch den ÖPNV in der Stadt Nürnberg stellen. Die Städte Fürth und Erlangen beauftragen ihre eigenen Verkehrsbetriebe. Vorher konnten alle Unternehmen auf einen gemeinschaftlichen Fahrerpool zurückgreifen. Jetzt brauche jede Stadt ihren eigenen Fahrerpool, bedauert Ernst Rupprecht.

Susanne Jerosch erläutert, dass durch die neue Situation in den mittelfränkischen Städten „hier vor Ort eine neue Konkurrenzsituation entstanden ist, die die bundesweiten Thematiken nun auch hier extrem beschleunigt hat“ und fügt hinzu: „Wir fischen nun auf einmal alle im selben Teich und vielleicht gefällt der eine Köder den Fischen besser als der andere.“ Ein bewusstes Abwerben habe es aber nicht gegeben, versichert sie. „Auch weil wir uns damit ins eigene Fleisch schneiden würden“, so Jerosch. Denn 30 Prozent der jährlich gefahrenen 12 Mio. Fahrplankilometer im Großraum Nürnberg werden von privaten Busunternehmen zurückgelegt. Man habe es außerdem jüngst zu spüren bekommen, was es bedeute, „wenn die privaten Busunternehmen Schwierigkeiten bekommen, ihre Leistung noch zu erbringen.“ In Nürnberg fielen im Oktober nämlich mehrere Wochen Fahrten aus. Nachdem das Kind jetzt in den Brunnen gefallen ist und alle Parteien sich darüber im Klaren sind, dass Alleingänge rein gar nichts bringen, sitzen die VAG und die privaten Busunternehmen an einem Tisch und suchen gemeinsame Lösungen. „Den Fahrermangel an sich werden wir nicht sofort lösen können, aber den Umgang miteinander können wir verbessern, indem wir offener in den Dialog gehen“, so Rupprecht.

Rund 80% der Privaten leiden unter Fahrermangel

Sie wird allerorts gefordert, die Verkehrswende. Was braucht man dafür? Einen attraktiven ÖPNV. Das bedeutet, Buslinien müssen ausgebaut werden. Mehr Linien erfordern aber zusätzliche Fahrzeuge und diese müssen von Busfahrern bedient werden. Busfahrer sind aber zurzeit Mangelware. Und das gilt laut Bundesverband Deutscher Omnibusunternehmer (BDO) national wie international. Umso mehr ist es verwunderlich, dass es für den Personenverkehr eine offizielle Einstufung als Mangelberuf noch nicht gibt. Warum nicht? Weil Busunternehmen offene Stellen meist gar nicht bei der Bundesagentur für Arbeit melden. Das ist fahrlässig. Denn nur, wenn der Bedarf gemeldet wird, erfolgt die Aufnahme des Busfahrerberufes in die Fachkräfteengpassanalyse der Bundesagentur für Arbeit. Kein Bedarf bedeutet keine Berücksichtigung des Busfahrerberufs in der Beschäftigungsverordnung. Und das hat u.a. Konsequenzen auf die Regelung für die Beschäftigung von Berufskraftfahrern z.B. aus Drittstaaten etc. Dabei leiden 79,1 Prozent der privaten Unternehmen unter Fahrermangel, das hat eine BDO-Umfrage unter seinen Mitgliedern in 2018 ergeben.

Michael Weber-Wernz, Geschäftsführer VDV-Akademie/Fachbereichsleiter Bildung im VDV, legte mir folgende Zahlen aus einer Bedarfserhebung vor: Aktuell beschäftigen die kommunalen Betriebe 47.000 Busfahrer. In den nächsten fünf Jahren, bis 2025, werden rund 20.000 Busfahrer gesucht. Und in den Jahren bis 2030 nochmal 15.000 Fahrer, ebenso viele bei privaten Busunternehmen. In den nächsten zehn Jahren werden damit im gesamten Bussektor (privat und kommunal) rund 70.000 Busfahrer fehlen. Laut BDO ist mehr als die Hälfte aller Busfahrer derzeit über 50 Jahre alt. Ausgebildet wird zu wenig. Fakt ist, die Privaten müssen aktiver werden. Wie wär’s z.B. mit „Cross Innovation?“ Das bedeutet, über den Tellerrand zu schauen, in anderen Branchen nach Innovationsansätzen zu stöbern und diese für die Entwicklung oder Optimierung des eigenen Unternehmens zu nutzen.