Wer junge, talentierte Nachwuchschauffeure will, muss kreativ werden und seinen Recruiting-Prozess pfiffig gestalten. Das dachte sich auch der Schweizer Busreiseveranstalter Marco Gössi und rief kurzerhand den „Drivers Talent School“ – eine Art „Busfahrer-Contest“ – ins Leben. Zwei der begabtesten Kandidaten winkt am Ende des Wettbewerbs die Finanzierung der gesamten Ausbildung zum Reisebusfahrer.
Unter Busfahrermangel leidet Gössi Carreisen nicht, verrät Marco Gössi im Gespräch mit dem Bus Blickpunkt. Doch es gehe ihm bei der Suche nach geeignetem Fahrpersonal nicht nur um die Fahrkünste des Fahrers. „Ein Reisebuschauffeur muss sehr viel mehr mitbringen“, sagt Gössi und meint Soft Skills wie Kommunikationsfähigkeit, soziale Kompetenz, zwischenmenschliche Fähigkeiten etc. „Als Busreiseunternehmen legen wir großen Wert darauf, dass unsere Reisebusfahrer die Kultur und Philosophie unseres Unternehmens mittragen“, betont Gössi. „Wir haben unsere eigenen Ansprüche und Vorstellungen, die wir mit in den Recruiting-Prozess in unserem ‚Drivers Talent School‘ einfließen lassen.“


Die Idee zu einem solchen Wettbewerb hatte Marco Gössi bereits vor rund vier Jahren. Doch nachdem er sich mit verschiedenen Fahrlehrern in seinem Umfeld austauschte, stellte er schnell fest, dass das Projekt finanziell nicht stemmbar war. Das Blatt hat sich nun jedoch gewendet. Der langjährige Disponent von Gössi Carreisen hat sich in den Ruhestand verabschiedet, sein Nachfolger ist gleichzeitig auch Fahrlehrer und Fahrschulbetreiber. So kann Marco Gössi seine Idee von einer eigenen Fahrschule, die modern und jugendlich frisch daher kommt, doch noch in die Tat umsetzen, indem er die Kompetenzen seines neuen Mitarbeiters voll ausschöpft und gezielt einsetzt.
Das Konzept hinter dem „Drivers Talent School“ lässt sich vergleichen mit einer Talentshow, wie z.B. „Deutschland sucht den Superstar“, veranschaulicht Marco Gössi. Am Ende des Busfahrer-Contests gibt es aber zwei Gewinner. Ein Pilotprojekt, bei dem sich zwei Busfahrer qualifiziert und die Ausbildung bei Gössi Carreisen durchlaufen haben, lief bereits erfolgreich.


Interessierte Nachwuchs-Reisebusfahrer müssen sich bis zu den Infoveranstaltungen am 28. April und 30. Mai 2022 bei Gössi Carreisen bewerben und von ihren Qualitäten als zukünftige Reisebusfahrer überzeugen. Sie müssen darlegen, warum gerade sie die richtigen Kandidaten für diesen Job sind, deren Ausbildung Gössi Carreisen komplett finanzieren wird. Bedingung ist auch, dass die Bewerber ihren festen Wohnsitz in der Schweiz haben.


Marco Gössi geht davon aus, dass sich bis zu den Infoveranstaltungen 20 bis 30 Personen bewerben werden. Gesucht werden gezielt junge Nachwuchstalente zwischen 21 und 30 Jahren. Auf den Infoveranstaltungen wird sich das moderne Busreiseunternehmen den möglichen Kandidaten präsentieren. An diesen Terminen finden dann auch die persönlichen Gespräche statt. Zwei der Reisebusfahrer-Anwärter dürfen sich anschließend über eine komplett von Gössi Carreisen finanzierte Ausbildung – die Kosten belaufen sich auf ca. 15.000 Euro – freuen. Im Gegenzug müssen diese sich für ein halbes Jahr verpflichten, bei Gössi zu arbeiten.


Subunternehmer müssen hart kämpfen


Die Busbranche hat mit Ach und Krach zwei Jahre Pandemie überstanden. Die Unternehmen haben um ihre Existenz gekämpft. Anfang dieses Jahres sah die Branche endlich Licht am Ende des Tunnels. Im ÖPNV stiegen die Fahrgastzahlen wieder an; auch im Busreiseverkehr standen die Zeichen gut, dass das Reisejahr 2022 erfolgreich sein wird. Doch dann explodierten die Spritpreise quasi über Nacht – infolge des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine. Erneut stehen die kleinen und mittelständischen Unternehmen vor einer existenzbedrohenden Situation. Die massiven Preissteigerungen an Tankstellen bereiten den Busunternehmen große Probleme. Neben den hohen Dieselpreisen sind zudem auch die Personalkosten enorm angestiegen.


Yvonne Hüneburg, stellv. Geschäftsführerin des Verbands Baden-Württembergischer Omnibusunternehmer (WBO) und Mario König, Vorstandsvorsitzender des Verbands Mitteldeutscher Omnibusunternehmen (MDO) sowie Gesellschafter und Geschäftsführer des Busunternehmens Salza Tours, sprechen von einer „dramatischen, extrem angespannten Lage“. Es ist sogar die Rede von Vertragskündigungen, die einige Unternehmen in Erwägung ziehen, weil durch die Spritpreisexplosion ihre Liquidität ernsthaft bedroht ist. Bei den Mischbetrieben, so das Feedback der WBO-Mitglieder, sei der ÖPNV-Bereich das absolute Sorgenkind, berichtet Hüneburg. Besonders betroffen seien vor allem Subunternehmer und Unternehmer, die im freigestellten Omnibusverkehr tätig seien. Diese zwei Gruppen wurden auch von den Liquiditätshilfen, die im Rahmen der Rettungsschirmpakete verteilt wurden, ausgenommen. Die Hilfen sind ausschließlich an die Genehmigungsinhaber geflossen. Somit sind sie auf die Gunst ihrer Auftraggeber angewiesen. Doch auch die Auftraggeber müssen auf Finanzspritzen warten. Problem: Bis die zugesprochenen Staatshilfen fließen, dauert es bekanntlich sehr lange. Entsprechend hart sei auch der Überlebenskampf für die Subunternehmer jetzt. „Ihre Existenz steht auf dem Spiel“, bedauert Hüneburg. Ohne Mehrmittel im ÖPNV, können die Verkehre nicht aufrechterhalten werden – das ist mittlerweile in der Politik angekommen. In Baden-Württemberg arbeiten Land, Verkehrsunternehmen und die kommunale Seite gemeinsam an einem Stützungspakt für den ÖPNV. Dabei soll der Kreis der Hilfebezieher erweitert werden. Will heißen: Auch diejenigen, die bisher von den Hilfen ausgenommen wurden, z.B. freigestellte Verkehre, sollen berücksichtigt werden.


Zwar seien die Einnahmeausfälle im ÖPNV in der Coronazeit durch Staatshilfen abgefedert worden, aber man habe keine Rücklagen bilden können, erklärt Mario König. „Uns fehlt die Reaktionszeit“, sagt er und fügt an: „Im ÖPNV müssten wir eigentlich die Fahrpreise anheben, um gezielt gegenzusteuern. Mit Blick auf die Verkehrswende wäre das aber kontraproduktiv.“ Die Kosten seien aber mittlerweile so hoch, dass die Busunternehmen diese nicht kompensieren könnten. „Es gibt nichts, worauf wir zurückgreifen können“, betont König. Bund und Länder hätten zwar vor, Mittel zur Verfügung zu stellen, aber das WANN sei nicht klar. Die Kostensteigerungen seien aber jetzt da. „Den Diesel müssen wir jetzt kaufen und nicht erst in zwei oder drei Monaten“, unterstreicht König die Problematik. „Wenn die Politik hier nicht gegensteuert, und zwar schnell und unkompliziert, dann werden einige Unternehmen – die zwar Corona überlebt haben – auf der Strecke bleiben“, ist Mario König überzeugt.