Die gestrigen Verhandlungen zwischen den Ministerpräsidenten und Ministerpräsidentinnen und dem Bundeskanzler haben allem Anschein nach zum Durchbruch bei der Finanzierung des Deutschland-Tickets geführt. Bund und Länder sollen nun im Einführungsjahr nun alle mit dem Ticket verbundenen Kosten jeweils zu Hälfte übernehmen, auch wenn diese über die prognostizierten drei Milliarden Euro an Fahrgeldverlusten hinausgehen sollten. Das soll allerdings nur für 2023 gelten, für die Zeit danach soll neu verhandelt werden. Die Branche hatte eigentlich eine umfassende und langfristige Nachschusspflicht gefordert, mit der man wohl gescheitert ist.

 

Scholz und Wissing sprechen Machtworte

»Das Deutschlandticket wird jetzt kommen, auch sehr zügig«, sagte Kanzler Olaf Scholz (SPD) bei einer Pressekonferenz nach dem Treffen. Man habe »alle Hürden beseitigt«, sodass die Länder und Verkehrsunternehmen alles daransetzen könnten, dass das Ticket nun rasch eingeführt werde. Ein wenig klingt dies wie die Scholz’sche Richtlinienkompetenz-Ansage beim Thema Streckbetrieb der Atomkraftwerke bis April 2023.

Auch Volker Wissing zeigt sich nach der MPK sichtlich ungeduldig und machtbewusst: "Vor allen Dingen müssten die Länder jetzt mal aufhören zu diskutieren, jetzt muss gearbeitet und umgesetzt werden. Die Länder müssen jetzt liefern. Ich würde das Ticket gerne so schnell wie möglich einführen. Nach den vielen Diskussionen der letzten Wochen ist es realistisch, dass wir das noch im Frühjahr schaffen. Ich werde jetzt Druck machen!" Das sagte er am Morgen nach der dritten Bund-Länder-Einigung im ARD-Morgenmagazin. Auf dem Digitalgipfel am 9. Dezember in Berlin nannte Wissing das 9-Euro Ticket sogar "das Sommermärchen aus dem ÖPNV", das jedoch unbedingt digital umgesetzt werden müsse.

Stephan Weil (SPD), niedersächsischer Ministerpräsident und MPK-Vorsitzender, fügte hinzu, es sei gelungen, „Einvernehmen darüber zu erzielen, dass die Kosten 2023 hälftig getragen würden“. Auch künftig, so Weil, „werden Bund und Länder hälftig unterwegs sein. Die finanziellen Grundlagen sind gelegt«, sagte Weil.

 

VDV sieht den gesetzgeberischen Ball jetzt beim Bund

VDV-Hauptgeschäftsführer Oliver Wolff, zeigt sich trotzdem weitgehend erfreut über die wiederholte Einigung: „Jetzt hat die Branche die nötige Finanzierungssicherheit, um das Deutschland-Ticket so schnell wie möglich umzusetzen. Wir bedanken uns bei Bundeskanzler Olaf Scholz und den Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten der Länder, dass sie mit ihrem weiteren Beschluss den Weg für die Einführung des Tickets freigemacht haben. Ebenso gilt unser Dank den Verkehrsministerinnen und Verkehrsministern der Länder und Bundesverkehrsminister Dr. Wissing.“

In einem CDU-/CSU Fachgespräch am 30. November hatte Wolff Wissing noch als „hochgradig unehrlich“ in Sachen Finanzierungszusagen des Bundes bezeichnet.

Trotzdem sieht der VDV den Bund weiterhin bei wesentlichen Themen der Umsetzung in der Pflicht: „Die Verhandlungen waren immer getragen vom Ziel, das Ticket zu realisieren und in den aktuellen Zeiten müssen haushalterische Zwänge sorgsam abgewogen werden. Das ist ebenfalls im Interesse der Bürgerinnen und Bürger und hat entsprechend Zeit in Anspruch genommen. Es müssen nun zeitnah einige gesetzgeberische Prozesse umgesetzt werden, z. B. die Anpassung des Regionalisierungsgesetzes, die beihilferechtliche Zustimmung der EU-Kommission und nicht zuletzt die Lösung der entsprechenden Tarifgenehmigung. Hier ist der Bund am Zug. Die Länder müssen die Voraussetzungen in den Haushalten schaffen. Die Verkehrsunternehmen und Verbünde werden parallel dazu die umfangreichen technischen und vertrieblichen Anpassungen vorantreiben, die nötig sind, um ein solches Ticket bundesweit und überall anbieten zu können. Wenn alle Schritte so umgesetzt werden können wie geplant, dann ist der 1. April als Starttermin für das Deutschland-Ticket noch erreichbar. “

 

Bdo empfiehlt seinen Mitgliedern digitale Vorbereitung

Auch der Bundesverband deutscher Omnibusunternehmen (bdo) sieht weiterhin deutliche Klärungsbedarfe, wie er am Freitag Abend mitteilte: "Darüber hinaus bestehen weiterhin erhebliche Unsicherheiten. In den Arbeitsgruppen, in denen der bdo aktiv mitarbeitet und die sich mit den konkreten, für eine Einführung des Deutschlandtickets erforderlichen Maßnahmen auseinandersetzen, liegen nach wie vor keine abschließenden Lösungen vor, wie das neue, bundesweit gültige Ticket rechtlich verankert werden soll: Auf Bundesebene, in den Ländergesetzen oder auf Ebene der Aufgabenträger". Er rät seinen Mitgliedsunternehmen unter anderem, sich digital vorzubereiten: "Der bdo rät daher allen Unternehmen, die nicht in Verkehrsverbünden fahren und/oder bislang noch keine digitalen Abo-Tickets vertreiben, mit entsprechenden Dienstleistern in Kontakt zu treten, die Systeme für solche digitalen Tickets vertreiben".

Der Verband lenkt das Augenmerk auch auf ein bisher eher im Hintergrund behandeltes Thema, den konkreten Vertrieb des neuen Tickets: "Ohne einen eigenen Vertriebskanal für das digitale Deutschlandticket wären Unternehmen nicht in der Lage von den Verkäufen des Deutschlandtickets zu partizipieren – auch wenn Mittel über eine noch zu erarbeitende Einnahmenaufteilung an die Busunternehmen fließen würden. Hier besteht aus Sicht des bdo erheblicher Prüf- und ggf. auch Handlungsbedarf."

Auch Kommunen wollen Gas geben

Nach der Einigung von Bund und Ländern auf das 49-Euro-Ticket fordern Städte und Gemeinden eine schnelle Umsetzung. »Es ist nun wichtig, dass die Umsetzung so schnell wie möglich erfolgt«, sagte der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebunds, Gerd Landsberg, der »Rheinischen Post«. Er äußerte zugleich die Hoffnung, dass das bundesweit gültige Nahverkehrsticket auch über das kommende Jahr hinaus finanziert werden könne.

Dieser Artikel wird laufend aktualisiert. Die letzte Aktualisierung erfolgte am 9. Dezember um 20:30 Uhr.