Die geplanten Änderungen umfassen u.a. die Neuregelung der Margenbesteuerung. Demnach soll die Margensteuer auch beim Verkauf an B2B-Kunden angewendet werden. Bisher war nur das B2C-Geschäft davon betroffen. Für die B2B-Reiseveranstalter, insbesondere auch Paketer, können die geplanten Änderungen des BFM schwerwiegende Folgen haben. Was auf Reiseveranstalter und Paketer zukommt, erklärt VPR-Vizepräsident Franz-Josef Münchrath, der im Präsidium des VPR das Ressort „Recht und Steuern“ leitet, im Bus Blickpunkt-Interview.

Herr Münchrath, der Referentenentwurf des Bundesfinanzministeriums (BMF), der Anfang Mai diesen Jahres für das Jahressteuergesetz 2019 veröffentlicht wurde, beinhaltet auch zwei gravierende Änderungen bei der Umsatzbesteuerung von Reiseveranstaltern. Was genau hat es damit auf sich? Um welche zwei Änderungen geht es dabei?
Zum einen ist es die Abschaffung der Gesamtmargenermittlung zum Zweck der Margenbesteuerung der Reiseveranstalter und die Verpflichtung zur Einzelmargenermittlung für jede Buchung, während aber leider nicht präzisiert ist, was damit gemeint ist: jede Reise, jeder Kunde, jedes Zimmer? Weiterhin wird die Margenbesteuerung für Reiseleistungen, die nach deutschem Recht seit Jahrzehnten sinnvollerweise auf das Endkundengeschäft bezogen war – also zwischen Reiseveranstalter und Reiseteilnehmer als Endkunde – nunmehr auch für das Geschäft zwischen Unternehmen (B2B) ausgedehnt. Beides bedeutet erheblichen Mehraufwand, sachlich, personell und wirtschaftlich.

Was ist eine Margenbesteuerung?
Es ist die seit mehr als 30 Jahren erfolgreich praktizierte Vereinfachung der Besteu-erung von Reiseleistungen mit Umsatzsteuer als Differenzbesteuerung zwischen Einkauf und Verkauf, also der Marge als Rohertrag.

Weshalb sind vor allem die Paketer von dieser Neuregelung betroffen?
Das Umsatzsteuersystem sieht vor, dass dieses mehrphasig nicht-kumulativ ist. Das heißt, im Geschäft beziehungsweise den Geschäften zwischen Unternehmen sorgt der Vorsteuerabzug stets für die Umsatzsteuerneutralität bis zur letzten Phase, also dem Geschäft zwischen dem Unternehmen und dem Endkunden (B2C). Dieser Vorsteuerabzug wird den Paketern im Einkauf aber nicht gewährt, sie kaufen brutto ein, jedenfalls im Ausland und sollen nun auch die Marge mit 19 Prozent belasten, also knapp ein Fünftel für den Fiskus vom betriebsnotwendigen Rohertrag abzweigen. Aber das betrifft nicht nur die Paketer, sondern alle Unternehmen, die touristisch im B2B-Bereich agieren.

Warum poppt das Thema jetzt auf? Welche Beweggründe liegen vor?
Ein (Fehl)Urteil des EuGH aus 2013 hat das jahrzehntelang erfolgreich und richtig praktizierte System quasi auf den Kopf gestellt und alle EU-Länder – und das war die große Mehrheit – damit verpflichtet, eine Anpassung des Umsatzsteuergesetzes vorzunehmen. Dies erfolgte nur zögerlich bis gar nicht und so hat die EU-Kommission ein Vertragsverletzungsverfahren durchgezogen, in dem Deutschland nunmehr zur Anpassung verurteilt wurde. Das war, trotz erheblicher Aktivität der Verbände auf internationaler und nationaler Ebene, auch nicht zu verhindern. Dass sich das Bundesfinanzministerium bis kurz vor Schluss durchaus kooperativ auf Seiten der Unternehmen engagierte, sollte man der Fairness halber ebenfalls erwähnen. Letztlich haben erhebliche Strafandrohungen der EU die Bundesregierung unter Zugzwang gesetzt.

Wie ist der aktuelle Stand der Dinge diesbezüglich?
Das Gesetzgebungsverfahren läuft, am 31. Juli 2019 sollte das Jahrsteuergesetz vom Bundeskabinett beschlossen werden, sodass es mit Ende der Sommerpause zu Beratung in die zuständigen Ausschüsse geht. Hierzu gibt es sehr umfangreiche und dezidierte Stellungnahmen, zum einen der sieben relevanten touristischen Verbände und der großen Wirtschaftsverbände und diese sind alle koordiniert und inhaltlich in die gleiche Richtung aufgestellt. Der VPR hat speziell für die Probleme seiner Branche noch eine zusätzliche, dahingehend detaillierte Stellungnahme den Ausschüssen vorgelegt.

Welche Auswirkungen könnten die geplanten Änderungen des BMF bei der Umsatzbesteuerung von Veranstaltern auf das gesamte Gruppenreisegeschäft haben?
Die Umsatzbesteuerung von Veranstaltern ist insbesondere von der Verpflichtung zur Einzelmarge erheblich betroffen, denn die Prozesse der Margenermittlung müssen umgestellt werden, Software und Programme angepasst und so weiter. Das alles kostet viel Zeit, Kraft und Geld.

Und mit welchen möglichen Folgen müssen die Paketreiseveranstalter rechnen?
Die Paketer müssen für ihre Unternehmen Lösungen finden, wie der Zugriff auf ein Fünftel des Rohertrags ausgeglichen werden kann. Dies kann partiell durch Kosteneinsparungen, durch Anpassungen bei der Leistungserstellung und der Preise erfolgen. Letztlich wird jeder gefordert sein, die für ihn passenden Lösungen zu finden.

Scharfe Kritik übte der VPR zuletzt in einer Stellungnahme an der Umstellung von Regel- auf die Margenbesteuerung, die nach dem Willen des BMF noch im Laufe dieses Jahres erfolgen soll. Gibt es inzwischen neue Erkenntnisse?
Das ist leider noch so im Entwurf enthalten. Aber wir haben die Hoffnung, dass ein derartig massiver Eingriff durch sinnvolle und praktikable, ebenso großzügige Übergangsregelungen, die normalerweise in solchen Fällen üblich sind, realisierbar und die Existenzbedrohung aufgehoben wird.

Wie lautet die konkrete Forderung des VPR an das Bundesfinanzministerium?
Der VPR fordert eine Übergangsfrist bis zum 31. Dezember 2022. Ebenso eine Reform der Umsatzbesteuerung der Touristik auf EU-Ebene, bei der man das geballte Know-how der Reiseverbände einbezieht.

Wie wahrscheinlich ist es, dass der Referentenentwurf mit diesen Änderungen verabschiedet wird? Wann steht die Entscheidung dafür an?
Eine Wahrscheinlichkeit kann ich nicht nennen, aber wir und alle Verbände setzen alles in Bewegung, um die sachliche Diskussion der Ausschüsse zu befruchten und die Sorgen der Branche deutlich zu machen. Der Umfang dieser Diskussionen und sodann der Bundestag werden bestimmen, wann es zur Entscheidung kommen wird.

Welche Vorkehrungen sollten Paketreiseveranstalter bis dahin treffen?
Alle Unternehmen, denn nicht nur die Paketer sind ja betroffen, sollten mit ihrem Steuerberater die entsprechend absehbaren zusätzlichen Belastungen ermitteln und abschätzen, wie sie diese bedienen können. Hoffentlich dann erst für die Jahre ab 2023, oder 2022, 2021 oder gar 2020, wenngleich die Kalkulationen dafür seit Monaten schon durch sind – von 2019 wollen wir gar nicht reden, da kann man keine Vorsorge mehr treffen.

Gehen wir vom Worst-Case-Szenario aus. Was würde das für die Paketer bedeuten?
Die Jahre 2019 und 2020 wären der Worst-Case und das würde sicher einige an die Grenzen ihrer Möglichkeiten bringen. Für die Unternehmen wäre eine ausreichende Übergangsfrist sehr wichtig, auf die der VPR drängt.

Das Interview führte
Askin Bulut