Dazu brauchen sie aber dringend verbesserte Rahmenbedingungen. Derzeit sind diese aber mehr als suboptimal. Neue, verbesserte Regeln erhoffte sich die Branche u.a. von der Abstimmung über das „EU-Mobility Package“ im April diesen Jahres. Doch die erwartete Signalwirkung blieb aus. Was ist schief gelaufen? Bus Blickpunkt sprach mit Anja Ludwig, stellv. Hauptgeschäftsführerin des Bundesverbands Deutscher Omnibusunternehmer (BDO), darüber.

Frau Ludwig, was genau beinhaltet das „Mobility Package“?
Im Grunde geht es beim Mobility Package darum, die gesamte Rechtsgrundlage für den Straßenverkehr in Europa zu reformieren – ein Mammutprojekt, das auch massiv die Wettbewerbsbedingungen für die Busbranche antastet. Das Paket an Initiativen besteht dabei aus drei Teilen. Für unsere mittelständischen Busunternehmen ist von besonderer Bedeutung derzeit das Mobility Package 1, das die Änderung der Lenk- und Ruhezeiten-Verordnung, Neuerungen im Zusammenhang mit der Entsendung von Kraftfahrern sowie den Vorschlag für die Revision der Eurovignetten-Richtlinie – Stichwort: Busmaut – beinhaltet. Um diese Themen wurde auch am meisten gestritten. Für uns, den deutschen Bus-Mittelstand, war es dabei entscheidend, dass die Besonderheiten des Personenverkehrs angemessene Berücksichtigung in den europäischen Regelungen finden. Gerade für Lenk- und Ruhezeiten sowie die Entsenderegelungen gilt, dass die Situation bei Bussen nicht vergleichbar mit den Zuständen im Güterverkehr ist.

Wie kam es eigentlich zu diesem Gesetzespaket?
Der Vorgänger, das sogenannte Road Package, trat 2009 in Kraft. Da die EU-Kommission in einem nahezu regelmäßigen Turnus ihre Verordnungen und Richtlinien überprüft, wurde schließlich 2017 neuer Handlungsbedarf gesehen. Ein ganz konkreter Anlass waren sicherlich die Zustände, die auf europäischen Straßen im Güterverkehr herrschen. In erster Linie will die EU also die Arbeitsbedingungen für Lkw-Fahrer verbessern, wobei man aber in den Vorschlägen immer Busfahrerinnen und Busfahrer quasi mitverhandelt, ohne jemals wirklich auf deren Situation oder die Bedürfnisse der Fahrgäste zu schauen. Diese fehlende Blickschärfe ist die Wurzel vieler Probleme beim Mobility Package.

Warum ist dieses Gesetzespaket so wichtig für die Bustouristik?
Das Paket ist mit großen Chancen und Gefahren verbunden. Wir haben beispielsweise zu Beginn der politischen Diskussionen große Hoffnungen für die Bustouristik gesehen – mit einer Chance auf Erleichterungen. Das Thema Lenk- und Ruhezeiten begleitet die Bustouristik schon immer. 2006 gab es massive Änderungen durch die Verordnung (EG) Nr. 561, bei der es zum überraschenden Wegfall der 12-Tage-Regelung kam, die aber dann im Rahmen des Road-Packages wieder eingeführt wurde. Allerdings mit Modifizierungen, die man getrost als Rückschritt bezeichnen kann. Es herrschte in der Bustouristik eine große Unzufriedenheit mit der VO 561, weil auch schon diese Regelungen auf den Güterverkehr zugeschnitten waren.

Wie ging es weiter?
Wir hatten 2012 seitens des BDO versucht, auf EU-Ebene gewisse Änderungen zu erreichen. Und wir sind damals auf Ebene des EU-Parlaments auch sehr weit gekommen. Es war uns gelungen, den Verkehrsausschuss TRAN und das EU-Parlament zu überzeugen, für Änderungen der Lenk- und Ruhezeiten für die Bustouristik zu stimmen. Insbesondere wurde erkannt, dass unser Sektor eigene Gegebenheiten hat und Fahrgäste spezifische Bedürfnisse mitbringen.

Geändert hat sich aber nichts?
Das Ganze ist dann im Trilog – also den Verhandlungen zwischen EU-Parlament, EU-Kommission und dem Rat – gekippt worden. Die Kommission hat darauf bestanden, diese Diskussion abzutrennen; mit der Begründung, sich auf die rein technische Diskussion um den Tachografen beschränken zu wollen. Alles, was inhaltlich mit Lenk- und Ruhezeiten zu tun hatte, wurde auf ein anderes Mal verschoben.

Dann kam das neue Mobility Package auf den Verhandlungstisch. Aber auch diesmal mit wenig Erfolg für die Bustouristik. Was ist schief gelaufen?
Wir haben mit großer Spannung das Mobility Package erwartet, das im Mai 2017 auf den Tisch kam. Wir dachten: Jetzt ist unsere Zeit gekommen. In dem ursprünglichen Vorentwurf der Kommission zum Mobility Package aus dem Februar 2017 befanden sich auch Modifikationen für Busverkehre – das ist ein offenes Geheimnis. Als das fertige Dokument dann am 31. Mai 2017 veröffentlicht wurde, waren diese nicht mehr enthalten.

Warum nicht?
Es gab im Vorlauf massive Proteste und Kampagnen der Gewerkschaften. Daraufhin hat die Kommission einen Rückzieher gemacht. Entsprechend enttäuscht waren wir dann bereits am Start der Verhandlungen zum Mobility Package. Wir haben trotzdem optimistisch nach vorn schauen können, da wir die Zusage der Mehrheit des Parlaments aus 2012 hatten. Viele der Abgeordneten, die unser Anliegen damals verstanden hatten, saßen ja immer noch im Parlament. Wir dachten, wir erinnern sie einfach an ihr Versprechen.

Sie wollten sich aber nicht erinnern?
Wir haben in den vergangenen zwei Jahren sehr viel Zeit in Brüssel verbracht und in Gesprächen mit Abgeordneten versucht, unsere Situation darzustellen. Bei vielen sind wir auf Verständnis gestoßen. Doch insgesamt kann man das Prozedere ums Mobility Package als Farce bezeichnen. Die eigentlichen Querelen in der ganzen Diskussion waren nicht in der Bustouristik verankert, sondern im Güterverkehr. Wir sind quasi unter die Lkw-Räder gekommen. Da die Diskussionen in diesem Bereich so hitzig und politisch aufgeladen waren, hat man versucht, die Verhandlungen schnell zu Ende zu bringen. Zu irgendeinem Ende. Und die Bustouristik hat dabei gestört. Wir sind als ein kleiner Sektor da letztlich hinten runtergefallen. Das ist bedauerlich. Es war viel polemisiert worden in dieser ganzen Debatte. Nach meiner Einschätzung haben die Gewerkschaften die Unterscheidung zwischen Gütertransport und Personenbeförderung nicht verstanden beziehungsweise verstehen wollen.

Und was nun? Wie geht‘s weiter?
Wir müssen einfach weitermachen und noch intensiver versuchen, uns Gehör zu verschaffen. Es gibt gewissermaßen eine ausgestreckte Hand, die uns geblieben ist: Im Parlament hat man sich diesmal auf die sogenannte Review Clause – also eine Revisionsklausel – geeinigt. Das heißt: Das Parlament bittet die Kommission, zwei Jahre nach Inkrafttreten der neuen Verordnung, diese zu evaluieren und zu prüfen, inwieweit es geeignetere Regelungen für die Bustouristik geben könnte. Es wurde uns zugesichert, dass man sich in zwei Jahren um die Busthemen kümmern wird.

Wie lauten denn eigentlich die Forderungen der Bustouristik?
Die 12-Tage-Regelung soll auch im Inland anwendbar sein, weil wir in der Bustouristik in Deutschland eine Nachfrage für Reisen sehen, die länger als sechs Tage dauern. Momentan muss der Fahrer am siebten Tag ruhen. Durch die Anwendbarkeit der 12-Tage-Regelung auch im Inland könnte man dem Fahrer eine längere Ruhezeit ermöglichen, wenn er wieder Zuhause ist. Den Bedarf für diese Regelung im Inland sehen wir in einem großen Land wie Deutschland durchaus. Es ist aber in anderen EU-Ländern nicht der Fall, was die Verhandlungen kompliziert. Eine weitere Forderung von uns ist, die Möglichkeit, in bestimmten Fällen die Schichtzeit um eine Stunde auszuweiten.

Was ist mit dem Thema Entsendung?
Das Thema Entsendung war auch sehr umkämpft. Wir wollten für die Bustouristik eine vernünftige Regelung finden, weil sie derzeit von der Bürokratie, die im Bereich der Entsendung herrscht, geradezu erschlagen wird. Hier haben das Parlament und die Kommission verstanden, dass es in der Bustouristik gravierende Unterschiede zum Güterverkehr gibt und sie somit kein Fall der Entsendung ist, weil man nicht in Kontakt mit der Wirtschaft im Empfängerstaat und auch nicht in Konkurrenz mit den Busunternehmen im Ausland tritt. Die Kabotage ist aber davon ausgenommen. Beim Thema Entsendung sind wir mit dem Ergebnis im Großen und Ganzen zufrieden. Es gilt jetzt, im Trilog noch die eine oder andere Unklarheit zu beseitigen.

Ab wann tritt das in Kraft?
Das kommt ganz darauf an, wie das alles hinter den Kulissen läuft. Anfang April diesen Jahres war die Abstimmung im EU-Parlament. Durch die vergangenen Europawahlen sind die Verhandlungen zum Stillstand gekommen. Wir gehen davon aus, dass die Trilogverhandlungen im Oktober beginnen werden. Das Ziel ist, das haben wir am Rande vernommen, dass man im Frühjahr 2020 zu einem Ergebnis kommen möchte.

Auf dem Verhandlungstisch lag auch die Busmaut. Was kam dabei heraus?
Diesbezüglich haben wir im Rahmen der Diskussionen um die Euro-Vignette sehr intensiv auf Brüsseler Ebene gearbeitet, weil ja in dem Dokument schon der Vorschlag war, dass Mitgliedstaaten, die bereits Schwerlastverkehr bemauten, ab 2020 dann eine solche Abgabe auch auf Busse ausweiten müssen. Wir haben uns massiv dagegen ausgesprochen. Im Rat versucht man gerade dazu einen gemeinsamen Standpunkt zu finden. Wir hoffen auf den Trilog. Auf nationaler Ebene haben sich der Bundesverkehrsminister und auch die CDU/CSU gegen eine Busmaut ausgesprochen. Aber auf EU-Ebene sieht das anders aus. Auch national müssen sich die Ministerien BMVI und BMU noch auf eine Position einigen und müssen diese dann im Rat vertreten. Momentan ist man sich nicht einig. Die Gefahr ist groß, dass die Busmaut durch die Hintertür der Euro-Vignetten-Richtlinie eingeführt wird.

Das Interview führte Askin Bulut