Zur Sache, Herr Dehn!

Joachim Dehn ist Inhaber und Geschäftsführer des Neumünsteraner Busunternehmens Dehn Reisen. Das Kerngeschäft des traditionsreichen Unternehmens ist die Bustouristik. Im Sommer 2013 stiegen die Brüder Klaus und Joachim Dehn unter der Marke Meinfernbus in das vielversprechende Fernbusgeschäft ein. Anfangs profitierte Dehn Reisen von der positiven Entwicklung des Fernbussektors, doch im Laufe der Zeit änderten sich die Rahmenbedingungen zu Ungunsten des Busunternehmens. Nach gut drei Jahren zog Joachim Dehn dann die Notbremse und stieg aus dem Fernbusgeschäft aus.

Herr Dehn, Sie sind 2013 als einer der ersten Busunternehmer aus Schleswig-Holstein in das Fernbusgeschäft eingestiegen. Ende 2016 haben Sie dann dem Fernbusmarkt den Rücken gekehrt. Was ist passiert?

Die Rahmenbedingungen haben sich für uns im Laufe der Betriebszeit geändert. Der hohe Aufwand und die nicht zufriedenstellende Ertragslage waren ausschlaggebend für unsere Entscheidung.

Was heißt das konkret?

Der Aufwand und die Produktionskosten, die entstehen – sei es bundesweit oder mittlerweile europaweit – sind sehr unterschiedlich für die einzelnen Unternehmen. Es ist ein großer Unterschied, ob sie eine Linie bedienen, die sie mit einem oder zwei Fahrern bewerkstelligen können, oder ob sie eine Linie fahren, die, wie in unserem Fall, ein relativ komplexes Ablösekonzept beinhaltete. Wir bedienten beispielweise die hochfrequentierte Linie Kiel-Hamburg-Berlin, die laut Fahrplan von Meinfernbus durchgetaktet ist – ohne 45-minütige Fahrerpause. Um dieses für den Fahrgast attraktive Angebot im Rahmen der gesetzlichen Lenk- und Ruhezeiten umsetzen zu können, haben wir die Linie mit einem Ablösekonzept produziert. Täglich wurden auf dieser Linie rund 20 Fahrten von uns abgelöst.

Was genau beinhaltet das Ablösekonzept?

Für alle täglichen Fahrten von Kiel über Hamburg nach Berlin und zurück waren Ablösefahrer erforderlich, die die nordgehenden oder südgehenden Fahrzeuge zum Beispiel in Kiel oder Hamburg übernahmen. Dieses Ablösekonzept haben wir mit Meinfernbus und einem befreundeten Unternehmen für diese Linie entwickelt. Drei Fahrer waren täglich ausschließlich als Ablösefahrer im Einsatz. Damit diese Fahrer die Fernbusse erreichen können, haben wir zudem zwei Pkw zur Verfügung gestellt. Das steigert zusätzlich die laufenden Produktionskosten im Vergleich zu Linien ohne aufwendiges Ablösekonzept. Wenn diese dann vom Betreiber nicht zusätzlich vergütet werden, dann ist die Gesamtertragssituation natürlich unbefriedigend.

War das von Anfang an so?

Das lief zu Beginn besser, als wir noch für Meinfernbus gefahren sind. Die hohen Produktionskosten unserer Linie, konnten durch eine gute Ertragssituation kompensiert werden. Leider entwickelte sich die Ertragssituation nach der Fusion mit Flixbus negativ, aber die Produktionskosten blieben konstant und bei uns. Eine zusätzliche Vergütung für unser Ablösekonzept war leider mit Meinfernbus/Flixbus nicht zu verhandeln.

Wie hat sich der geänderte Abrechnungsmodus beim Flixbus auf Ihr Geschäft ausgewirkt?

Am Anfang wurden die von uns gefahrenen Linien einzeln abgerechnet und vergütet. Wir haben von Anfang an eine gut frequentierte Linie bedient, die auch ertragsreich war. Durch die Bündelung der Linien wurden die Erträge leider schlechter. Wenn sie ertragsreiche Linien mit ertragsschwachen Linien zusammen abrechnen, dann wird der Ertrag nivelliert. Es sinkt der Ertrag der guten Linien und Sie subventionieren die schwachen Linien. Diejenigen, die vorher schwache Linien hatten, haben von dieser Änderung profitiert und die mit den starken Linien hatten das Nachsehen. Als das Konzept vorgestellt wurde, war es keinem wirklich klar, welche Linien gebündelt werden und was die Bündelungen ertragsseitig bedeuten.

Wie viele Fernbusse hatten Sie im Fuhrpark?

Wir sind 2013 mit zwei Bussen in das Fernbusgeschäft eingestiegen. Die Linien Kiel-Hamburg- Berlin sowie Neumünster- Lübeck-Schwerin-Berlin liefen von Anfang an sehr gut. Schnell war der Bedarf so groß, dass wir unsere Fernbusflotte um vier weitere Busse ergänzt haben. Im nächsten Jahr kamen dann noch zwei weitere dazu. Insgesamt sind wir dann zum Schluss mit sechs Bussen gefahren.

Was hatten Sie sich vom Fernbusgeschäft erhofft?

Betriebswirtschaftlich geplant war ein zweites Standbein neben der Touristik. Die Touristik ist ein saisonales Geschäft, in den Wintermonaten haben wir entsprechend weniger zu tun, da ist das Fernbusgeschäft eine ideale Ergänzung. Ich hatte mir vom Fernbusgeschäft erhofft, dass die Auslastung über das ganze Jahr optimiert wird.

Wie meinen Sie das?

Das Fahrpersonal aus dem Reise- und Gelegenheitsverkehr wurde in den touristisch schwächeren Monaten auch im Fernbusbereich eingesetzt, sodass die Fernbusfahrer ihre Urlaubstage abfeiern konnten und die Reisebusfahrer hatten eine zusätzliche Beschäftigung für diese Zeiten. Das habe ich drei Jahre lang erfolgreich praktiziert.

Wie viel haben Sie in das Fernbusgeschäft investiert?

Wir haben sechs Busse angeschafft und das Personal aufgestockt, vor allem Fahrer. Auch in die Infrastruktur des Betriebes wurde investiert. Für ein kleines Unternehmen sind wir sehr schnell gewachsen. So waren die infrastrukturellen Kapazitäten kurzerhand erschöpft. Der Betriebshof hätte mittel- und langfristig erweitert werden müssen. Doch eine so große Investition will gut überlegt sein und muss sich am Ende rechnen. Deshalb haben wir aufgrund der der Ertragslage davon abgesehen.

Haben Sie Ihre Entscheidung, in das Fernbusgeschäft einzusteigen, sehr bereut?

Die Entscheidung bereut habe ich nicht. Als Unternehmer muss man erfolgversprechenden, neuen Konzepten eine Chance einräumen und diese umsetzen – und schauen, wie sie laufen. Es hätte sich ja auch für unser Unternehmen weiter positiv entwickeln können. Ich bin von dem Produkt Fernbus nach wie vor überzeugt. Das ist ein tolles Produkt, gut für unsere Branche und positiv für den Markt. Aber die Rahmenbedingungen müssen verbessert werden für die Busunternehmen, die in dem Bereich tätig sind. Mein Ausstieg aus dem Fernbusgeschäft war eine rein betriebswirtschaftliche Entscheidung. Ich habe viel gelernt in der Zeit und habe viele neue Erkenntnisse gewonnen. Letztendlich muss jeder Betrieb für sich selbst entscheiden, ob das Fernbusgeschäft in die eigene Struktur passt und sich wirtschaftlich positiv darstellen lässt.

Was war für Sie die größte Herausforderung in diesem Geschäftsbereich?

Für mich war die größte Herausforderung die Personalorganisation. Dadurch, dass sich der Fernbusmarkt rasant entwickelt hat, war es nicht einfach, den Bedarf an geeignetem Personal zu decken. Wir haben unser Fahrpersonal relativ schnell geschult und auf die Linien sowie Umläufe eingearbeitet. Die zweite Herausforderung war die Infrastruktur im eigenen Betrieb. Die war nicht ausgelegt auf die zusätzliche Fernbusflotte.

Was ist mit den Fahrzeugen geschehen nach Ihrem Ausstieg?

Wir haben alle Fahrzeuge verkauft. Die letzten habe ich Anfang Januar diesen Jahres verkauft. Einige gingen auch an die Gebrauchtbushändler der Hersteller.

Und was ist aus den Fernbusfahrern geworden?

Alle Fernbusfahrer haben wir glücklicherweise an andere Unternehmen vermitteln können.

Was ist eigentlich mit der Barrierefreiheit im Fernbusverkehr?

Die Barrierefreiheit hat natürlich grundsätzlich Ihre Berechtigung. Es sind jedoch nach wie vor noch wichtige Punkte für die Unternehmen nicht geklärt. Der Einbau des Lifts kostet mich als Unternehmer 20.000 bis 25.000 Euro pro Fahrzeug. Auf dem Gebrauchtbusmarkt bekomme ich 20.000 Euro weniger für das Fahrzeug im Wiederverkauf. Der Zweit- und Drittmarkt für gebrauchte Busse verlangt möglichst viele Sitzplätze. Aber Plätze und Kofferraum gehen durch den Einbau des Lifts verloren. Hinzu kommt, dass der Lift technisch anspruchsvoll ist und jährlich gewartet werden muss. Ich verliere pro Fahrzeug also rund 50.000 Euro. Wer finanziert mir das? Keiner fühlt sich dafür verantwortlich. Also trage ich als Unternehmer auch diese Investitionskosten. Ich habe diese Frage in alle drei Richtungen – Politik, Hersteller und Betreibergesellschaft – gestellt und habe keine Antwort bekommen, die mir eine Planungssicherheit gibt.

(Das Gespräch führte: Askin Bulut)