ÖPNV-Kongress des WBO in Sindelfingen
ÖPNV-Kongress des WBO in Sindelfingen

Mit über 240 Teilnehmern zeigte der gestrige ÖPNV-Kongress des WBO wieder einmal das große Brancheninteresse am Thema ÖPNV.

Auch dieses Mal spiegelte die Auswahl der Referenten und Podiumsgäste die momentane thematische Stimmungslage der anwesenden Unternehmer und Gäste. Wie schon die Jahre zuvor wurde die Veranstaltung souverän von Prof. Dr. Frank Fichert von der Hochschule Worms geleitet.

Der WBO-Vorsitzende Klaus Sedelmeier sprach in seiner Begrüßungsrede die wichtigen Themen der Omnibusbranche in 2015 an: Wieder und immer noch die Neugestaltung der ÖPNV-Finanzierung, das Mindestlohngesetz und die kontraproduktive Vergabepraxis „an den Billigsten“, die Busförderung 2015 und natürlich die Frage nach der Barrierefreiheit im ÖPNV – vier Themen, die die Gemüter bewegten. Gastredner Claus Schmiedel, MdL, begrüßte die Gäste in seinem Grußwort mit der angenehmen Botschaft der Landesregierung, die Busförderung um 5 Mio. Euro aufzustocken. Die Fachvorträge trafen mit ihren Inhalten auch dieses Jahr die Bedürfnisse der Unternehmer:  Diese Frage stellte Dr. Adi Isfort, Leiter der Verkehrsforschung bei TNS Infratest. Die Antworten überraschen kaum: Qualität in mehreren Bereichen, nämlich Pünktlichkeit, Sauberkeit, Freundlichkeit des Personals und – nicht zuletzt: Fahrgastinformation insbesondere bei Verspätungen oder Ausfällen.

Wettbewerb bei Busbündeln war das Thema von Volkhard Malik, Geschäftsführer Verkehrsverbund Rhein-Neckar. Sein Fazit: Ausschreibungen in Verkehrsbündeln kann sinnvoll sein, allerdings sind Probleme bei Vergaben an Großkonzerne zu bedenken, insbesondere sah er hier die Gefahr eines schnellen Wiederausstiegs. Auch sei beim Personal genau hinzuschauen: Das Tariftreuegesetz sei anzuwenden, ausreichende Deutschkenntnisse, Ortskenntnis und Tarifkenntnis des Fahrpersonals müsse eingefordert werden, ebenso Kenntnisse über das Fahrplanangebot benachbarter Linienbündel. Auch mahnte er die Nachwuchsförderung an, explizit die Verpflichtung des Betreibers, pro Jahr eine Ausbildungsstelle anzubieten und zu besetzen.

Bei der Podiumsdiskussion „Barrierefreiheit“ mit Willi Rudolf, Vorsitzender Landesverband Selbsthilfe Körperbehinderter Baden-Württemberg, Ulrich Rau, WBO-Vorstand, Jens Hochstetter, Geschäftsführer Hochstetter Touristik, Dr. Susanne Nusser, Dezernentin Städtetag Baden-Württemberg und Wolfgang Herz, Erster Landesbeamter Landratsamt Enzkreis, wurde deutlich: Barrierefreiheit kann und darf sich nicht nur auf mobilitätseingeschränkte Menschen beziehen, sondern muss auch bei Hörgeschädigten oder Sehbehinderten Menschen greifen. Unternehmer Jens Hochstetter brachte Zahlen aus der Praxis: Die im Fernlinienverkehr vorgehaltenen Rollstuhlplätze in den Reisebussen hatten eine Auslastung von gerade einmal 2 %. Als Knackpunkt wurde die Situation der Bushaltestellen auf dem flachen Land festgestellt. Was hilft es, wenn ein Mensch mit Rollstuhl in der Stadt von einem hohen Bordstein alleine in den Bus kommt, aber im ländlichen Bereich ohne Bordstein wegen zu steiler Rampenneigung nicht aussteigen kann? Ganz klar wurde hier Handlungsbedarf angemahnt, Streitpunkt war allerdings die Frage der Finanzierung. Und: Es bedarf nicht nur moderner Technik, sondern auch das Fahrpersonal muss entsprechend auf die besonderen Bedürfnisse der Menschen eingehen können.

Arno Ayasse, Geschäftsführer Omnibusverkehr Alber Rexer, referierte zum Thema „Centro Rufbus im Landkreis Calw“. Das Besondere bei dieser Variante des bedarfsgesteuerten Rufbussystems sind die geringen Haltestellenabstände von rund 200 Metern, die flexible Anfahrt der Haltestellen und die Abstimmung mit anderen Verkehrsmitteln wie Bürgerbus, Bahn etc., um unnötige und kostspielige Parallelfahrten zu vermeiden.

Dr. Jürgen Wurmthaler, Leitender Direktor für Wirtschaft und Infrastruktur, Verband Region Stuttgart, berichtete von den Planung und Ideen für ein Expressbusnetz im Großraum Stuttgart. Potentiale sah er im Falle von fehlenden direkten Schienenverbindungen und bei tangentialen Verbindungen. Im Unterschied zu Regiobussen würden schnelle Verbindungen von Mittelzentren geschaffen, durch wenige Haltestellen würden Verkehrsknotenpunkte verbunden und dadurch höhere Reisegeschwindigkeiten erreicht.

Horst Stammler, Geschäftsführer Verkehrs- und Tarifverbund Stuttgart, und Markus Dannenmann, Geschäftsführer Omnibus Dannenmann Linien- und Reiseverkehr zeigten die neuesten Entwicklungen in Sachen Fahrgastinformation. Nicht überraschend war die Tatsache, dass immer mehr Menschen moderne Medien nutzen und so die Abfrage der Echtzeitinformation insbesondere von mobilen Endgeräten (Smartphones) seit Jahren konstant durch fast alle Altersstufen der Fahrgäste steigt. Vorteile liegen aber auch in der auf die jeweilige Fahrzeugsituation und den Standort des Nutzers angepasste Fahrtempfehlung, im Zweifel wird sogar der Weg zu Fuß empfohlen, wenn er angemessen und schnell ist.

Aus aktuellem Anlass kam Mario Mohr, Ministerium für Verkehr und Infrastruktur, mit seinem Beitrag „Regiobusse“ zu Wort. Operatives Ziel des MVI sei ein landesweites Grundnetz von Regiobuslinien und die Schließung von nachgefragten Lücken im Schienennetz. Finanziert werden soll dies durch die kurzfristige Einstellung von 4,5 Mio Euro im Doppelhaushalt 2015/2016, mittelfristig mit einem Budget von 10 Mio. Euro pro Jahr.