Verspätungen oder Ausfälle, von denen auch Schüler betroffen waren, sorgten für eine Beschwerdewelle. Wie der Landesverband Baden-Württembergischer Omnibusunternehmer (WBO) jetzt mitteilte, habe sich der Landkreis nun mit der Firma Stadtbus Tuttlingen Klink GmbH geeinigt, den im vergangenen Jahr geschlossenen Vertrag aufzuheben. Laut gestrigem (10.02.) Kreistagsbeschluss soll das weitere Vorgehen geprüft werden.

Im Raum stehen laut WBO Notvergaben zur Sicherstellung des Regionalbusverkehrs. Aus Sicht des Verbands, das richtige Signal. „Es ist gut und richtig, dass der Kreis jetzt mit Bedacht vorgeht und keine Schnellschüsse produziert“, betont der WBO-Vorsitzende Klaus Sedelmeier. „Leider haben wir es nun auch im Kreis Konstanz mit den Folgen der Ausschreibungspolitik zu tun“, so der WBO-Vorsitzende weiter. Seit der Umsetzung der EU-Vergabeverordnung 1370 beobachtet der Verband mit Sorge, wie sich immer mehr private Busunternehmen nur noch mit großer Anstrengung und enormem Risiko an öffentlichen Vergabeverfahren beteiligen, die in erster Linie auf den Preis abstellen.

Die Problemfelder in Konstanz wie auch andernorts fasst der WBO folgendermaßen zusammen:

 

  1. Zu kurze Vorlaufzeiten für die Umsetzung: Weder Neufahrzeuge für die Betriebsaufnahme noch Fahrpersonal samt Unterkunft und Einweisung wie auch eine entsprechende Infrastruktur vor Ort (Anmietung von Betriebshof bzw. Abstellflächen, Sanitärräume…) sind in dieser Zeit erhältlich (in Konstanz nur zehn (!) Monate vom Zuschlag zur Betriebsaufnahme).
  2. Fahrpläne die aufgabenträgerseitig neu gestaltet wurden, und die nicht wie geplant fahrbar sind - das sorgt für Nachjustierungen im laufenden Betrieb und zu erheblichen Störungen.
  3. Zu große Lose, ohne Rücksicht auf die Unternehmensstrukturen vor Ort.
  4. Mehrere Leistungsbündel, die in dieser Größenordnung auf einen Schlag ausgeschrieben werden, ohne eine Staffelung von Betriebsaufnahmezeiten - so schlichtweg nicht umsetzbar für ein einzelnes Unternehmen.

„Der ÖPNV-Markt eignet sich nicht für Vergabeexperimente – es gibt auch nach wie vor bewährte Alternativen auf Grundlage geltender Gesetze“, erklärt die stellvertretende WBO-Geschäftsführerin Yvonne Hüneburg. „Mit dem Thema Tariflohn hat das nichts zu tun – die Probleme in Konstanz sind anders gelagert“, ergänzt sie mit Blick auf Äußerungen der Gewerkschaft. „Zunächst gilt es jetzt, in der Region den Regionalbusverkehr sicherzustellen“, schaut WBO-Vorsitzender Sedelmeier nach vorne. „Dann wird sich zeigen, dass bei entsprechender Ausgestaltung des Verfahrens ein mittelständischer Betreiber diese Aufgabe bewältigt. Hier privat gegen kommunal auszuspielen, ist der Sache nicht dienlich, und lenkt nur vom eigentlichen Problem, dem Vergabeverfahren in seiner konkreten Ausgestaltung, ab.“

„EU-Vergaben passen nicht zum mittelständisch geprägten ÖPNV“

In einer Stellungnahme zur aktuellen Vergabesituation auf Basis der EU-Vergabeordnung 1370 erklärte Yvonne Hüneburg, dass EU-Vergaben nicht zum mittelständisch geprägten ÖPNV in Baden-Württemberg passen. Des Weiteren unterstrich Hüneburg, dass diese Vergabeordnung für EU-Länder ohne mittelständische Strukturen gemacht sei und die privaten Omnibusunternehmen in Baden-Württemberg bis ins Mark treffe. „Beratungsunternehmen gestalten Vergaben nach Schema F – wie mit dem Rasenmäher soll der ÖPNV auf Preis getrimmt werden. Möglichst viel Wettbewerb möchte man dabei in den Verfahren haben, im Ergebnis Mehrleistung für weniger Geld. Die Rechnung kann nicht aufgehen! Gehandelt wird getreu dem Motto: Probieren geht über Studieren“, stellte sie klar.

Den ÖPNV mache das aber nicht billiger, sagte Hüneburg. „Im Gegenteil: mehr Mitarbeiter bei der öffentlichen Hand, viele externe Berater mit Aufträgen für Aufgabenträger wie für Unternehmen. Vergabe ist unter der EU-VO 1370 vor allem eines geworden: beratungsintensiv und existenzgefährdend“, führt sie vor Augen. Im Praxistest erweise sich manches als „funktioniert nicht so gut“. „Betriebsaufgaben, Insolvenzen, viele private Betriebe kurz vor dem finanziellen Aus. Das Gewerbe kämpft. Vielerorts hat man den Eindruck, dass es ‚ausblutet‘, erklärte die stellv. WBO-Geschäftsführerin.

Die Gründe dafür seien vielschichtig: „Veränderungen beim 45a PBefG, unzureichende Kostenfortschreibungsklauseln, 100-Prozent-Preis-Kriterien auf der einen Seite. Auf der anderen Seite Vergabeverfahren, in denen Unternehmen mit gut geführtem Betrieb, regionaler Infrastruktur und gut bezahltem Personal schon im Vorfeld als Verlierer feststehen, erläutert Hüneburg und fährt fort: „Wem soll das nützen? Der öffentlichen Hand? Wohl kaum. Nicht funktionierende Verkehre sind vor allem eines: im Nachhinein teuer. Dem Fahrgast? Der Fahrgast legt Wert auf ein verlässliches System. Der Rest ist ihm – zu Recht – egal. Dem Unternehmer? Kein Unternehmer kann auf Dauer defizitär am Markt tätig sein.“

Die Schuld dafür sei nicht allein in der EU-VO 1370 zu sehen. Sie stecke den Rahmen ab, mehr aber auch nicht, so Hüneburg weiter. Sie lasse einiges an Spielraum zu, Verkehre so zu gestalten, dass Qualität, Zuverlässigkeit und Know-how die Kriterien seien, die über den Zuschlag entscheiden. Sofern das von den Verantwortlichen als wichtig erachtet werde. In Baden-Württemberg habe die Politik die ÖPNV-Offensive ausgerufen. Mehr ÖPNV, Ausbau des Regionalverkehrs, Angebotsverbesserungen, Taktungen zur Steigerung der Attraktivität. Grundsätzlich sei alles begrüßenswert. Doch es zeige sich: „Ohne Erhalt einer intakten Basis bricht das Fundament für solche Ziele weg“, betont Hüneburg.

„Der ÖPNV sollte ‚(noch) besser‘ werden. Nur: Schon der Status quo ist nicht selbstverständlich. Wer Strukturen zerstört, riskiert, dass die Dinge schlechter laufen als bislang. Gut gemeint ist eben nicht gut gemacht“, bemängelt sie.

„Der WBO hält fest: Der ÖPNV-Markt eignet sich nicht als Experimentierfeld. Und: In Baden-Württemberg muss ÖPNV endlich wieder vom Ergebnis her gedacht werden. Was ist das Ziel? Ein zuverlässiger, langfristiger, qualitätsvoller ÖPNV. Dazu braucht es allgemeine Vorschriften, die so ausgestaltet sind, dass eigenwirtschaftliche Verkehre gut möglich sind. Und es braucht Vergabeverfahren, die durch die Art der Ausgestaltung eben genau dieses hohe Niveau sicherstellen. Nur so wird man dieser Aufgabe und damit dem Fahrgast gerecht.“