Das Vorhaben könnte eine der ersten urbanen Seilbahnen in Deutschlands Öffentlichem Personennahverkehr etablieren. An der Konzeptionierung von Seilbahn-Großprojekten arbeiten auch schon Bonn und Duisburg. Weitere Städte in Deutschland wollen folgen. Bei der Fachmesse „Cable Car World“, die morgen und Mittwoch in Essen stattfindet, wollen sich Verantwortliche austauschen.  

Bundesverkehrsminister Volker Wissing findet ÖPNV-Seilbahnen so toll, dass er sich persönlich dafür einsetzt, urbane Seilbahnen auch hierzulande zu vermehren. Sie seien platzsparend und emissionsarm und könnten „mit wenig Aufwand“ Lücken im ÖPNV-Netz schließen. Seit 2022 ist die Seilbahn bei der öffentlichen Förderung anderen Verkehrsmitteln gleichgestellt.

Herne will davon nun profitieren: Das etwa zwölf Hektar große einstige Zechen- und Kraftwerksgelände in Wanne-Eikel soll zu einem High-Tech-Quartier mit Parks und viel Grün werden. 4.000 Menschen sollen hier einmal arbeiten und statt mit dem Auto sprichwörtlich einschweben. Die entsprechende Seilbahn soll rund einen Kilometer überbrücken und als Pendel-Seilbahn ausgeführt werden. Das sei die attraktivste „und sogar günstigste Lösung“ heißt es. Nutzbar soll es mit regulärem ÖPNV-Ticket sein. Die Finanzierung könne mit Landes- und Bundesmitteln bewältigt werden, die früher allein für Bus, Straßenbahn und Co vorgesehen waren.

ÖPNV-Seilbahnen gibt es weltweit auch in anderen Städten

Die bisher existierenden Seilbahnen in deutschen Großstädten - darunter Berlin, Koblenz und Köln – sind zum einen nicht Teil des öffentlichen Verkehrsnetzes und richten sich zum anderen eher an Touristen, wie etwa in den Bergen. In anderen Teilen der Welt sieht das anders aus: So kann New York mit einer traditionsreichen Luftseilbahn aufwarten, ebenso La Paz und Mexiko-Stadt. In Paris ist ein Vorzeigeprojekt im Bau. 

Im Rennen um den Status als erste deutsche Stadt mit ÖPNV-Luftseilbahn rechnet sich vor allem Bonn Chancen aus: Hier soll eine Seilbahn die linke Rheinseite mit der rechten verbinden. Keine andere Stadt in Deutschland sei bei der Planung so weit fortgeschritten wie Bonn, weiß der Bonner Stadtbaurat Helmut Wiesner. Inzwischen laufen bereits Baugrunduntersuchungen entlang der Trasse. Mitte 2026 könnte das Planfeststellungsverfahren beginnen. Die Seilbahn sei „der schnellste, angenehmste und umweltschonendste Weg zu vielen Zielen zwischen Venusberg und Siebengebirge“, so Wiesner. Die Rheinüberquerung wäre dabei eine neue zusätzliche Ost-West-Verbindung im ÖPNV, die auf anderem Wege nicht realisierbar wäre. Die Gesamtkosten – geschätzte 66 Millionen Euro – sollen auch hier von Bund und Land getragen werden. 

„Der Bus steht sowieso im Stau“ 

Mit seinem Vorstoß macht sich Dudda in Herne nicht nur Freunde. Inzwischen habe er Politik und Bürgerschaft überzeugen können. Man habe über das „Mindset“ geredet – Ideologie ist also das Geheimnis des Erfolgs. Bund und Land hätten auch schon ihre Bereitschaft zur Unterstützung signalisiert. Die brauche es, um die Kosten von geschätzten 35 Millionen Euro gegen zu finanzieren.

Dudda wird nicht müde, seine Seilbahn als „beste Lösung für den Standort“ zu propagieren. Auf direktem Wege könne nur sie das riesige Gleisbett überwinden, dass den Hauptbahnhof von dem alten Zechengelände abschneide. Straßenbahnbau und Busbetrieb seien demgegenüber teurer. Und – man höre und staune: „Der Bus steht sowieso meist im Stau." Gerade für Hernes strukturschwächsten Stadtteil Wanne sei das Viertel mit Seilbahnanbindung eine Riesenchance. 

„Knappen urbanen Raum effizienter nutzen“

Der Seilbahn-Experte, Raumplaner und Geschäftsführer der Cable Car World GmbH Dominik Berndt klappert fürs Handwerk: Seilbahnen seien der „Missing Link“ in der Evolution der ÖPNV-Verkehrsmittel. Busse zielten eher auf eine kleinräumige Erschließung ab, die Seilbahn sei mehr als eine Punkt-zu-Punkt-Verbindung gedacht, die auf direktem Weg Hindernisse überfliege. Sie sei bei den Baukosten etwa zehnmal kostengünstiger zu realisieren als U-Bahnen und könne im Einzelfall auch preiswerter als Straßenbahnen sein. 

Seilbahnen könnten auf mehreren Ebenen als ein Baustein zur nachhaltigen Stadtentwicklung und Verkehrswende beitragen, so Berndt. „Wir müssen den Raum, der ja jetzt schon knapp ist, effizienter nutzen. Wir dürfen nicht weiter Flächen versiegeln und wir müssen kostengünstige, saubere und attraktive Alternativen zum Individualverkehr stärken.“ Da sei die Seilbahn nicht das Allheilmittel, aber eine Option. 

Immerhin benennt Berndt auch ein paar Nachteile von Seilbahnen. Probleme seien vor allem dann möglich, wenn die Gondeln Privateigentum überfliegen sollen. Da drohe der Interessenskonflikt mit den Anwohnern. Juristische Fragen seien diesbezüglich noch nicht abschließend geklärt. Bei den aktuell in Deutschland geplanten Projekten werde Privateigentum daher von vorneherein bei der Trassenfindung ausgespart. Last but not least bringe ein Pionierstatus aber immer Hürden mit sich.

Zur Förderung beim Bundesverkehrsministerium angemeldet werden soll das Projekt in Herne zum Jahresende. Und als hätte das Land nicht schon genug Probleme, klopft Dudda auch nochmal kräftig auf den Seilbahn-Busch: Wenn Herne mit seinen Seilbahn-Plänen scheitert, „dann ist auch Deutschland gescheitert“, sagt der Herne- Oberbürgermeister. Im Idealfall sei die Seilbahn 2029 fertig.