Trotz dessen, dass die Reformvorschläge der Verbände bereits vor einem Jahr durch den Verband Baden-Württembergischer Omnibusunternehmen (WBO, den Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) und den Bundesverband Deutscher Omnibusunternehmen (bdo) gemeinsam erarbeitet und in diversen Gesprächen eingebracht worden seien, habe die Bundesregierung bislang nichts davon umgesetzt. Auch der nun vorliegende Gesetzentwurf lasse die Vorschläge unberücksichtigt, kritisieren die Verbände in mehreren eigenen und gemeinsamen Stellungnahmen. Die Branche brauche eine Busführerscheinreform zwingend, damit die aktuellen Angebote im ÖPNV sichergestellt und der weitere ÖPNV-Ausbau realisiert werden könnten. Dabei müsse die Bundesregierung die zentralen Forderungen der Branche in einem gesamten Reformpaket umgesetzt werden, um eine echte Entlastung zu erzielen. Anpassungen von kleineren Stellschrauben (wie die Einführung von E-Learning im Rahmen der Berufskraftfahrerweiterbildung) seien zwar geeignet, eine gewisse Entlastung zu erzielen. Sie helfen der Branche in Zeiten des Fahrpersonalmangels essentiell aber nicht weiter, so die Kritik.
Bundesweit fehlen aktuell rund 25.000 Busfahrer, betont der WBO. Mehr als die Hälfte des bestehenden Fahrpersonals sei über 50 Jahre alt und werde in den kommenden Jahren in Rente gehen. Die Branchenverbände gehen davon aus, dass bis zum Jahr 2030 rund 50.000 bis 60.000 Fahrer im ÖPNV fehlen werden – dabei noch unberücksichtigt sei der zusätzliche Bedarf für den Ausbau des ÖPNV im Rahmen der angestrebten Verkehrswende und des Klimaschutzes. Die Verbände sehen den Hauptgrund für den Fahrpersonalmangel im „hürdenreichen Berufszugang“. Vor allem der langwierige und kostenintensive Erwerb des Busführerscheins und der Berufskraftfahrerqualifikation wirkten sich situationsverschärfend aus. „Andere EU-Mitgliedsstaaten haben das EU-Fahrerlaubnisrecht eins zu eins umgesetzt“, rügt WBO-Geschäftsführerin Yvonne Hüneburg. „Der deutsche Gesetzgeber hat – wie leider so oft – höhere nationale Anforderungen etabliert. Diese gilt es nun auf ein vernünftiges Maß zurückzuführen. Der vorliegende Gesetzentwurf allerdings lässt den – von der neuen Bundesregierung immer wieder postulierten – Willen zur Entlastung völlig vermissen. Die Einführung von E-Lerning ist ein Mosaiksteinchen bei der Reform des Busführerscheins und der Berufskraftfahrerqualifikation – bringt aber nicht die für die Verkehrsunternehmen und den ÖPNV dringend notwendige Entlastung.“
Reformvorschläge der Verbände
Die von den Branchenverbänden bereits im vergangenen Sommer gemeinsam vorgelegten Reformvorschläge sehen im Kern insbesondere vor, im Rahmen der Reform der Fahrausbildung die Anzahl der Pflichtfahrstunden auf das in anderen EU-Mitgliedsstatten übliche Niveau zu reduzieren, um die Ausbildung schneller und kostengünstiger realisieren zu können, ohne die Qualität der Ausbildung zu senken. Im Fokus der Reformvorschläge steht ein schlanker Ausbildungsweg, dessen Dauer sich am individuellen Können der Auszubildenden bemisst. Außerdem soll die Grundqualifikation in die Fahrausbildung integriert werden, mit gemeinsamen Theorie- und Praxisprüfungen sowie die Modernisierung der Prüfungsformen (Multiple Choice, Fremdsprachenoptionen) führt zu einer Reduzierung von Doppelungen der Lerninhalte und zu kürzeren Ausbildungszeiten. Des Weiteren sehen die Verbände in der Anerkennung ausländischer Führerscheine eine wichtige Maßnahme, um dem Mangel beim Fahrpersonal effektiv entgegenzuwirken.
„Wir sind maßlos enttäuscht von dem jetzt vorliegenden Reformentwurf“, sagt Hüneburg. „Österreich zeigt wie es geht: Dort kostet der Busführerschein 3.000 Euro, in Deutschland hingegen kostet er zwischenzeitlich nun unglaubliche 14.500 Euro. Bis dato wurde nichts dagegen getan. Und nun packt die Bundesregierung das Gesetz auf Bundesebene endlich an und dann findet sich im Gesetzentwurf ein nicht mal halbherzig zu nennender Reformansatz. Wie es scheint, hat die Politik die Wichtigkeit und Dringlichkeit der Reform noch immer nicht erkannt.“ Wenn es finanziell günstiger sei, Busfahrer aus Indien anzuwerben als in Deutschland jemandem zum Führerscheinerwerb zu verhelfen und man es nicht schaffe, einmal über den Tellerrand nach Österreich zu schauen, dann komme das einer Bankrotterklärung der Legislative gleich, kritisiert die WBO-Geschäftsführerin. „Es muss in diesem Land doch möglich sein, durch Bundesgesetze verursachte Fehlentwicklungen wieder einzufangen, bevor diese den Unternehmen die Geschäftsgrundlage entziehen, und damit – gerade im Bereich der öffentlichen Mobilität – Schaden für die ganze Gesellschaft anrichten.“
Gemeinsames Positionspapier von VDV & bdo
VDV und bdo haben vorgeschlagen, einen institutionalisierten, regelmäßig tagenden Lenkungskreis zwischen der Arbeitsebene des Bundesverkehrsministeriums und den betroffenen Bundesverbänden einzurichten. Dieser Lenkungskreis soll unmittelbar an die Hausleitungen berichten und mit klaren Zuständigkeiten verbindliche Meilensteinen erarbeiten. Ein aktuelles gemeinsames Positionspapier von VDV und bdo kann unter https://www.vdv.de/240813-vdv-bdo-positionspapier-zur-fuehrerscheinreform-bus-vdv-wbo.pdfx heruntergeladen werden.