Die Corona-Pandemie ist von Beginn an für die gesamte touristische Branche eine extreme Herausforderung. Der Paketer Grimm Touristik Wetzlar (GTW) musste als namhafter, großer Paketer mit Vollsortiment infolge der Pandemie-Restriktionen und den damit einhergehenden, kontinuierlichen Reisestornierungen Ende September vorläufig Insolvenz anmelden. Der GTW-Geschäftsführer Uwe Schneider äußerte sich im Interview zu der aktuellen Lage der GTW sowie des Bus- und Gruppenreisemarktes.
Herr Schneider, wie wir aus vorangegangenen Gesprächen mit Ihnen wissen, wurde in Abstimmung mit dem vorläufig bestellten Insolvenzverwalter ein Mergers- & Acquisitions-Prozess über ein entsprechendes Beratungsunternehmen zu Investorensuche aktiviert. Welche Lösungsoptionen werden dabei für GTW und die Mitarbeiter angestrebt?
Es wird versucht, Investoren zu finden, die den Betrieb weiterführen, neues Kapital mitbringen und die vorliegenden Verträge übernehmen. Unsere Intension dabei ist, möglichst viele Arbeitsplätze zu erhalten, um diese erfahrenen Kräfte für den kommenden Aufschwung der Bustouristik zur Verfügung zu haben. Wir sind zuversichtlich, hier gute Lösungen für unsere Kunden, Mitarbeiter und Lieferanten finden zu können. Daran arbeiten alle Beteiligten mit Hochdruck. In welcher Form, ob als Asset Deal oder Share Deal, die Weiterführung gelingt, hängt von der Bereitschaft der Investoren ab – aber auch von der Dauer der Beschränkungen und Reisewarnungen.
GTW ist wie auch andere touristische Unternehmen unverschuldet in diese Schieflage geraten. Der Insolvenzverwalter informierte in einer Pressemitteilung, dass der Geschäftsbetrieb von GTW uneingeschränkt weiterlaufen könne. Das vor allem, weil eine gute Auftragslage gute Perspektiven biete. Wie hat sich die Situation seitdem entwickelt? Welche Botschaften haben Sie als GTW-Geschäftsführer aktuell für den Markt?
Wir sind überrascht wie viele positive, ermunternde Beiträge und Mails wir erhalten haben. Das zeigt uns, dass viele unserer Kunden sich die Fortführung wünschen und unsere Dienstleistung und Servicequalität geschätzt haben. Für unsere Mitarbeiter ist das sehr motivierend. Die Neubuchungen liegen auf einem befriedigenden Niveau, wobei man schon eine Zurückhaltung bei Rund- und Studienreisen außerhalb Deutschlands feststellen muss. Unsere Botschaft ist: Es gibt eine Zeit nach der Pandemie und alle Unternehmen, die sich jetzt hinsichtlich der Produkte, in der Organisation und im Vertrieb gut aufstellen, werden erfolgreich weiterbestehen können – aber es sind Hilfen von außerhalb notwendig, sowohl vom Staat als auch durch die Beherrschung der Pandemie.
Sie sind seit Jahrzehnten im Paketer-Geschäft und kennen die Branche als Profi sehr gut. Wie beurteilen Sie die aktuelle Lage auf dem Bus- und Gruppenreisemarkt und wie sehen Sie mittel- und langfristig die Chancen und Perspektiven für die Bustouristik?
Aufgrund der aktuellen Pandemielage wird das Jahr 2021 sicherlich herausfordernd werden. Niemand kann aktuell seriöse Prognosen abgeben, wann das Geschäft wieder anziehen wird. Sollte Covid-19 in der Mitte des nächsten Jahres unter Kontrolle sein, bin ich überzeugt, dass im zweiten Halbjahr ein hoher Nachholbedarf die Nachfrage nach Bus-und Gruppenreisen erheblich ansteigen lässt. 2022 werden wir sicherlich noch „einige Wunden“ lecken müssen, um dann 2023 und Folgejahre auf das Niveau von 2019 zu kommen. Langfristig sehe ich die Bustouristik im Aufwind, nicht nur aufgrund der Kaufkraft und der Reiselust der Zielgruppe Ü60. Meine Hoffnung und gleichzeitig Wunsch ist es, dass viele Busreiseveranstalter die Krise überstehen und gestärkt die Zukunft angehen können.
Das Interview führte Michaela Rothe