Am 13. Januar 2017 wurde im Landgericht Erfurt von Uwe Steigerwald, Vorsitzender Richter, eine Entscheidung verkündet, die für Wolfgang Steinbrück Omnibusbetrieb und Reisebüro in Gotha, sehr wichtig war.
Das Fazit des Urteils: Die Kündigungen der Linienverkehre von Wolfgang Steinbrück zum Jahresende 2016 durch die Regionale Verkehrsgemeinschaft Gotha (RVG), die dieser bis dato im Auftrag der RVG fuhr, sind unwirksam.
Der Leistungsvertrag des Omnibusbetriebs Steinbrück mit der RVG ist weiterhin gültig. Steinbrücks Linienverkehre in Gotha laufen weiter wie bisher und müssen auch weiterhin wie derzeit vergütet werden.
Die einstweilige Verfügung, die Steinbrück Ende Dezember beim Gericht beantragt hatte, um sich gegen drohende Kündigungen der RVG zu wehren, müsse daher nicht zur Anwendung kommen, so Steigerwald. Das, was seitens der RVG bei einer mündlichen Verhandlung am 05. Januar gegen Steinbrück vorgetragen wurde, rechtfertige nach Auffassung des Gerichts keine Kündigung, teilte Rechtsanwalt Professor Martin Kupfrian Bus Blickpunkt gegenüber mit. Die bestehenden Verträge für die Steinbrück-Linien gelten nach Gerichtsauffassung weiter.
„Jetzt ist die RVG am Zug, wenn sie Doppelzahlungen vermeiden will“, so Kupfrian. Denn seit dem 01.01.2017 laufen in Gotha neben den regulären Linienverkehren vom Busbetrieb Steinbrück auch weitere, nicht genehmigte Linien, die auf Betreiben der RVG mit einem ausgedünnten Notfahrplan unterwegs sind.
Der Streit in der thüringischen Stadt Gotha um den Stadtverkehr hat mittlerweile auch die Politik auf den Plan gerufen: Die CDU im Kreistag wolle jetzt Beschlüsse fassen, die Landrat Gießmann (CDU) zwingen sollen, diese Auseinandersetzungen zu beenden, so Steinbrück-Anwalt Kupfrian.
Zum Hintergrund: Seit den vergangenen Jahren ist ein Streit zwischen Wolfgang Steinbrück und der Regionalen Verkehrsgemeinschaft Gotha (RVG) ausgebrochen. Steinbrück selbst ist mit einem Drittel Anteilseigner der RVG. Dieser Disput eskalierte kurz vor Weihnachten dann endgültig. Die Situation glich im Grunde genommen bereits seit 2014 einem Pulverfass. Angefangen hatte alles damit, dass Wolfgang Steinbrück die Vergütung bei der RVG für seine im öffentlichen Nahverkehr erbrachten Leistungen – die Vergütung pro im Fahrplan festgelegtem Kilometer – nicht für angemessen hielt. Als man sich in dieser Hinsicht nicht einigen konnte, hatte Steinbrück im vergangenen Jahr für 2014 und 2015 auf erhebliche Nachzahlungen geklagt (Bus Blickpunkt berichtete). Auch für 2016 kam bisher keine Einigung über die Höhe der Vergütung zustande.
Kurz vor Weihnachten 2016 ging dann die Nachricht durch die Medien, dass der RVG-Chef Uwe Szpöt Wolfgang Steinbrück zum Jahresende den Vertrag für die Linienverkehre gekündigt habe. Jetzt wurde aber bekannt, dass die Kündigung der RVG erst nach dem Antrag Steinbrücks auf Erlass einer einstweiligen Verfügung vor Gericht gegen die RVG ausgesprochen worden sei. Das Ganze ging dann damit weiter, dass der RVG-Chef Uwe Szpöt ab dem 1. Januar 2017 jene Buslinien, die bisher vom Omnibusunternehmen Steinbrück bedient wurden, neuvergab. Szpöt erklärte in einer Pressemitteilung, dass „die Firma Steinbrück ab dem 01.01.2017 nicht mehr berechtigt ist, für die RVG Verkehrsleistungen zu erbringen und Fahrscheine zu verkaufen.“ Mit Unterstützung des Landrats Konrad Gießmann organisierte RVG-Chef Uwe Szpöt einen sogenannten „Notfahrplan“ und vergab die Linien an andere Mitgesellschafter der RVG. Seitdem fahren Busse die Strecken doppelt.
Auf die drohende Kündigung und die Neuvergabe seiner Linien reagierte Steinbrück mit einem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung vor Gericht. Genau genommen sollte dadurch der RVG nicht gestattet werden, Leistungen, die bisher vom Busunternehmen Steinbrück erbracht wurden, an Dritte zu vergeben. Außerdem sollte eine monatliche Abschlagszahlung wie bisher an das Unternehmen gezahlt werden. Wolfgang Steinbrück verwies auf seinen Leistungsvertrag, der bis zum 30. Juni 2019 gültig ist, und fuhr auf seinen Linien weiter wie bisher. Am 05. Januar 2017 fand die Gerichtsverhandlung infolge der einstweiligen Verfügung statt. Uwe Steigerwald, Vorsitzender Richter am Landgericht Erfurt, drang vergebens auf Einigung. Daraufhin teilte er mit, dass er für die Kündigung Steinbrücks keinen Rechtsgrund sehe und vertagte die Urteilsverkündung auf den 13. Januar.
Das Busunternehmen Steinbrück hatte bereits am 28. Dezember 2016 eine Beschwerde an den Thüringer Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) eingereicht. Kritisiert wird in diesem Brief, der dem Bus Blickpunkt vorliegt, dass ein Antrag von Wolfgang Steinbrück auf Eröffnung eines Disziplinarverfahrens gegen Landrat Gießmann vom 22. Juni 2016 nicht bearbeitet worden sei. Wörtlich heißt es: „Die Rechtsaufsicht des Thüringer Landesverwaltungsamtes über die Landräte funktioniert nicht.“ Weiterhin beschwert sich Steinbrück-Anwalt Martin Kupfrian darüber, dass “der öffentliche Personennahverkehr bundesweit der Lächerlichkeit preisgegeben wird, da der Landrat ohne Not den Fahrplan – ohne Genehmigung – um die Hälfte kürzt und Doppelverkehre zulässt.“ Daraufhin schaltete sich das Thüringer Landesverwaltungsamt ein und erklärte den Ersatzfahrplan für nicht genehmigt. Die Behörde forderte die RVG auf, den bislang gültigen Fahrplan zu fahren.
Doch Landrat Gießmann und RVG-Chef Szpöt hielten weiterhin an ihrem Notfahrplan fest. Am 10. Januar wandte sich Steinbrück-Rechtsanwalt Martin Kupfrian erneut schriftlich an Bodo Ramelow und kritisiert, dass „sich der Landrat Herr Gießmann in seiner Eigenschaft als Aufgabenträger, Aufsichtsratsvorsitzender und Hauptgesellschafter der Regionalen Verkehrsgemeinschaft Gotha GmbH über das ‚Verbot des Notfahrplans‘ durch das Thüringer Landesverwaltungsamt rechtswidrig hinwegsetzt und vorsätzlich gegen geltendes Recht verstößt.“ Weiterhin heißt es in diesem Brief: „Dies hat zur Folge, dass Doppelverkehre im ÖPNV mit monatlich zusätzlichen Kosten von ca. 380.000 Euro zulasten des Steuerzahlers durchgeführt werden.“
Das Groteske dabei ist, dass dieser Fahrplan nur deshalb realisiert werden kann, weil fünf private Busunternehmen, die auch kleine Anteile an der RVG halten, ihre Busse dafür zur Verfügung stellen. Die fünf Unternehmen, die für die RVG den Notfahrplan umsetzen sind: Lorenz & Sohn GmbH aus Warza, Herrmann aus Schönau v.d.W., Gessert aus Finsterbergen, Büchner aus Grabsleben und Wollschläger & Partner aus Laucha. In der RVG sitzen inklusive Steinbrück insgesamt sieben private Busunternehmer.
Könnte es sein, so ein Insider gegenüber Bus Blickpunkt, dass bei dem Streit zwischen Landrat Gießmann und Steinbrück alte Rechnungen beglichen werden sollen? Bus Blickpunkt bleibt am Ball.