Das Landgericht München I hatte den EuGH um Auslegung von Art. 14 Abs. 1 der Pauschalreiserichtlinie 2015/2302 ersucht, der vorsieht, dass ein Reisender Anspruch auf eine angemessene Preisminderung für jeden Zeitraum hat, in dem eine Vertragswidrigkeit vorliegt. Die Haftung des Reiseveranstalters ist dabei verschuldensunabhängig und entfällt nur dann, wenn der Veranstalter nachweist, dass die Vertragswidrigkeit dem Reisenden zuzurechnen ist.
Der Entscheidung zugrunde lag der Fall von Reisenden, die von ihrem Reiseveranstalter eine Preisminderung in Höhe von 70 % des Reisepreises verlangten, weil ihre Reise nach Gran Canaria aufgrund der vor Ort angeordneten Maßnahmen eingeschränkt gewesen sei (u.a. keine Möglichkeit die Insel zu besichtigen, gesperrte Strände, gesperrter Pool nebst Liegen, fehlendes Animationsprogramm, Ausgangssperre, außer zur Essensaufnahme) und sie vorzeitig die Rückreise hätten antreten müssen.
Der Reiseveranstalter verweigerte die Preisminderung in dem er geltend machte, dass es sich vorliegend um ein allgemeines Lebensrisiko handele, für das er nicht einzustehen habe.
Diesem Argument ist der EuGH nicht gefolgt, sondern hat entschieden, dass ein Reisender auch dann Anspruch auf Minderung des Reisepreises hat, wenn eine Vertragswidrigkeit der in seiner Pauschalreise zusammengefassten Reiseleistungen durch Einschränkungen bedingt ist, die an seinem Reiseziel zur Bekämpfung der Verbreitung einer Infektionskrankheit, wie COVID-19, angeordnet wurden. Der EuGH betont, dass die Ursachen von reiserechtlichen Vertragswidrigkeiten unerheblich sind, da die Pauschalreiserichtlinie in Bezug auf den Preisminderungsanspruch eine verschuldensunabhängige Haftung des Veranstalters vorsieht. Unerheblich sei vorliegend zudem, dass durch COVID-19 bedingte Einschränkungen auch am Wohnort des Reisenden und in anderen Ländern angeordnet wurden.
Darüber hinaus hat der EuGH mit seiner heutigen Entscheidung klargestellt, dass es sich bei den aus dem Pauschalreisevertrag ergebenden Verpflichtungen des Reiseveranstalters nicht nur um diejenigen handelt, die ausdrücklich im Vertrag vereinbart sind, sondern auch um diejenigen, die damit zusammenhängen und sich aus dem Ziel des Reisevertrags ergeben.
Welche Preisminderung in Fällen wie dem vorliegenden angemessen ist, müsse anhand der in der jeweiligen Pauschalreise zusammengefassten Leistungen beurteilt werden und dem Wert der Leistungen entsprechen, deren Vertragswidrigkeit festgestellt wurde.
Es sei deshalb nunmehr Sache des Landgerichts München I auf der Grundlage der vertraglich vereinbarten Leistungen zu beurteilen, ob die geschilderten Einschränkungen (insbesondere Sperrung des Pools, fehlendes Animationsprogramm, kein Zugang zu den Stränden, keine Möglichkeit zur Inselbesichtigung) eine Nichterbringung oder mangelhafte Erbringung der vertraglich geschuldeten Leistungen des Reiseveranstalters darstellen.