Herr Matera, der VPR musste seinen VIP-Treff infolge der Corona Einschränkungen zweimal verschieben und hat sich deshalb in 2022 für eine sogenannte „Summer Edition“ entschieden. Wie ist die Resonanz auf die Veranstaltung sowohl von Seiten der ausstellenden VPR-Mitglieder und vor allem von Seiten der Bus- und Gruppenreiseveranstalter als Zielgruppe des Events?

Die Vorfreude ist riesig – sowohl bei den Ausstellern als auch bei den angemeldeten Besuchern! Es wird eine große Wiedersehensfeier bei sommerlichem Wetter werden. Und wir haben ja auch unseren 40. Geburtstag zu feiern. Ich freue mich sehr, nach über zwei Jahren Abstinenz endlich wieder in bekannte Gesichter "live" zu blicken und mit ihnen auf den schönen Anlass anzustoßen. Und es ist auch ein Ausblick auf das hoffnungsvolle Reisejahr 2023.

Allerdings ist die Resonanz bezüglich der Besucherzahlen nicht ganz so positiv wie von uns erhofft.  Die Kunden, mit denen wir in den letzten Wochen sprechen konnten, berichten von starker Arbeitsbelastung durch gute Buchungszahlen bei geringer Personaldecke, weshalb sie die Teilnahme nicht realisieren können. Zum anderen rutschen wir unglücklicherweise gerade mit unserer “Summer Edition” mitten in die “Corona-Sommerwelle”, weshalb in den letzten Tagen einige Stornierungen eingegangen sind.

In den Nachrichten ist derzeit von einer spürbaren Erholung des Tourismus und sogar von sehr guten Buchungszahlen für 2022 zu lesen. Können Sie das für die Bus-und Gruppentouristik bestätigen?

Unsere Mitglieder berichten in unseren regelmäßigen Online-Meetings einerseits von einem aktuellen Boom der großen Reisen in der Sommersaison – vor allem in Skandinavien, Großbritannien und Italien – und der weiterhin starken Teilnehmerzahlen für die deutschen Destinationen und Nachbarregionen. Aber auch davon, dass die Buchungen noch kurzfristiger kommen und das Bewerben der Reisen aktuell sehr kostenintensiv ist. Zudem sind die touristischen Leistungen über die gesamte Wertschöpfungskette nachhaltig gestört.

Was meinen Sie damit konkret?

Die größten Probleme gibt es im Moment mit Flügen, darüber berichten ja auch alle Medien.  Abgesehen von den langen Wartezeiten geht es auch um eine hohe Anzahl an Flugänderungen, die dann zu Neuausstellung der Tickets, permanenten Anpassungen der Reiseunterlagen, Neuinformationen an die Kunden, usw.  Es werden aber auch Flüge komplett gestrichenen. Dann müssen neue Flüge mit alternativen Routen oder gar flughafennahe Zwischenübernachtungen gebucht werden.

Aber diese Probleme gibt es auch mit Fährgesellschaften, die Verbindungen gestrichen haben, oder auch Hotels, die zu Flüchtlingsunterkünften umfunktioniert werden und nicht mehr zur Verfügung stehen, Guides, die während der Pandemie ihren Beruf gewechselt haben und Attraktionen, die schlichtweg nicht mehr geöffnet sind.

Und so ist Reise derzeit viel arbeitsintensiver in der Bearbeitung und es gibt viele Reisen, bei denen man Leistungsänderungen und Kompromisse in der Durchführung in Kauf nehmen muss.

Das klingt herausfordernd! Wie sind die Prognosen für die kommenden Monate?

Ja, es ist wirklich eine Herausforderung. 2022 ist ein extrem wichtiges Jahr für die Busunternehmer, Paketer und touristischen Leistungsträger: Die Nachfrage ist da, die Nachholeffekte sind spürbar. Wir alle sind darauf angewiesen, dass wir in diesem Jahr wieder deutlich mehr Umsätze erwirtschaften. Aber das Hochfahren der gesamten Wertschöpfungskette erweist sich als viel komplizierter als das Herunterfahren. So müssen Verkehrsträger erst wieder rentabel arbeiten können, um mehr Verbindungen aufzulegen. Hoteliers und Gastronomen fehlt es an das Personal. Und auch den kleineren Attraktionen fehlt es schlicht und einfach an Manpower, um wieder alle Leistungen anzubieten.

Wir glauben, dass wir erst 2023 erste Verbesserungen erkennen werden.

 Was hören Sie über die Personalsituation bei den Verbandsmitgliedern?

Da ist es nicht anders: 70 Prozent aller Mitglieder haben bei einem Online-Meeting angegeben, dass Ihnen aktuell Mitarbeiter fehlen. Bei der Frage nach der Quantität waren es über 200 offene Stellen bei Paketern, Leitungsträgern und Hotels. Man kann von einer angespannten Situation sprechen.

Welchen Einfluss nimmt diese Personalsituation auf die tägliche Arbeit?

Kollegen berichten von Mitarbeitenden, die ein hohes Maß an Mehrarbeit – auch an Wochenenden und Feiertagen – leisten. Hinzu kommen in den letzten zwei Monaten wieder höhere Krankenstände durch Corona-Erkrankungen. Diese verschärfen die Situation nochmals. All das führt zu längeren Antwortzeiten. Die meisten Kunden haben glücklicherweise Verständnis dafür, denn auf der Seite der Busunternehmer sieht es nicht anders aus: In Facebook- und Whatsapp-Gruppen werden Ersatzfahrer für kurzfristig ausgefallenes Personal gesucht und nicht selten muss der Geschäftsführer die tägliche Büroarbeit in diesen Tagen alleine bewältigen. Wir sitzen hier alle im selben Boot, jedes unserer Mitglieder gibt sein Bestes, um für die Kunden jede Reise erfolgreich durchzuführen.  

Mit dem Krieg und den starken Preisanstiegen sind für die Touristik in 2022 neue, zusätzliche Probleme entstanden. Wie verkraftet die Branche das bis jetzt?

Das sind natürlich zwei große Faktoren. Aber die Reisegäste haben ein feines Gespür für die Situation. Noch im März und April war die Nachfrage nach nahezu ganz Osteuropa – zwischen Finnland und Ungarn – stark gesunken, weil niemand so recht wusste, ob sich der Konflikt ausbreitet. Inzwischen berichten die Kollegen von guten Durchführungen im Baltikum, an die polnische Ostsee und auch nach Südosteuropa.

Und was die Preisanstiege angeht: Durch den frühen Einkauf der Kontingente haben die Paketer einen großen Vorteil und können gerade bei diesen Leistungen oftmals die Preise noch halten. Aber ganz ohne Erhöhungen geht es dann doch nicht, gerade bei Fliegern, Fähren und Flussschiffen, die erhöhte Treibstoffkosten weitergeben mussten. Im Dialog mit den Busunternehmen werden individuelle Lösungen gefunden, zum größten Teil mit Aufteilung der Preiserhöhungen. Von vielen Busunternehmen wissen wir, dass nur zwingend notwendige Erhöhungen an Reisegäste weitergegeben werden. Denn das Reisejahr 2022 ist wesentlich für die Erholung der Gruppenreise mit dem Bus, hier geht oftmals Durchführung vor Ertrag. Im kommenden Jahr werden die Preisanstiege bei den Busreisen, analog zu allen Reisen, allerdings deutlich sichtbar sein.

Zum Schluss noch etwas Anderes: Sie haben im April sowohl die RDA Group Travel Expo in Köln wie auch die Bus2Bus in Berlin besucht und sich anschließend für die Entzerrung der auch 2024 parallel geplanten Termine, im Sinne der Branche ausgesprochen. Wie ist der Stand der Dinge?

Ich habe den ersten Messetag der RDA GTE als Aussteller erlebt und mich sehr darüber gefreut, dass Kunden auch wieder Lust am persönlichen Einkauf und am Dialog hatten. Am Folgetag war ich als Verbands-Präsident zu einem Podiums-Talk über die Zukunft der Busgruppenreise eingeladen und zum ersten Mal auf der Bus2Bus. Für mich sind beide Messen bereichernd für jeden Busunternehmer: Die eine für den touristischen Teil und die andere für wichtige Innovationen in Sachen Bus.

Wir als Verband finden diese Terminkollision maximal unglücklich: Kein Busunternehmer sollte in die Situation kommen, sich für die eine und damit gegen die andere Messe entscheiden zu müssen. Und jeder Aussteller auf der einen oder der anderen Messe sollte die Möglichkeit haben, jeden Busunternehmer vor Ort zu sehen, der es auch möchte.

Beide Verbandspräsidenten kennen meine Meinung dazu bereits aus persönlichen Gesprächen, die ich in den letzten Wochen geführt habe. Aber es ist eben nur eine Meinung und es obliegt alleine ihnen, diese Situation im Sinne aller aufzulösen – oder eben nicht.

Herr Matera, vielen Dank für das Gespräch!