„Wir haben die vordringliche Aufgabe, den nachhaltigen Wandel zu gestalten und zu bezahlen. Da gilt es, an anderer Stelle Maß zu halten. Die Politik nimmt die Tourismuswirtschaft gern in die Verantwortung. Aber sie hat auch Verantwortung uns gegenüber!“ Mit diesem Appell an die Politik eröffnete der Präsident des Bundesverbands der Deutschen Tourismuswirtschaft (BTW), Sören Hartmann, am 22. Mai den 24. Tourismusgipfel in Berlin.

 

Die Branche müsse "nachhaltiger, digitaler und transparenter werden"

Hartmann appellierte an die Branche, nachhaltiger, digitaler und an mancher Stelle auch transparenter zu werden. Mit Blick auf den nachhaltigen Wandel forderte er, diesen engagiert, zielgerichtet und selbstbestimmt anzugehen: „Es ist Zeit zu handeln. In unserem eigenen Interesse, im Interesse unserer Gäste und im Interesse der touristischen Destinationen. Wir müssen das Heft des Handelns in die Hand nehmen. Wo immer es aus eigener Kraft möglich ist, nachhaltige Veränderungen angehen. Und wir müssen diese Aufgabe wirklich ernst nehmen. Feigenblätter sind zu wenig.“

Anderseits hatte er auch deutliche Forderungen an die Politik – in Sachen Nachhaltigkeit aber auch darüber hinaus: Die Politik müsse "Innovationen und Forschung vorantreiben und fördern". Das gelte besonders für neue Antriebsformen und Treibstoffe. "Tourismus basiert auf Mobilität", so Hartmann. Wenn es gelänge, die verschiedenen Formen der Mobilität nachhaltig zu betreiben, sei für die Branche viel gewonnen. "Für die Forschung brauchen wir Gelder. Investitionen in Innovation. Zudem stehen wir im Wettbewerb mit anderen Branchen, z. B. wenn es um Wasserstoff geht. Auch hier ist die Politik mit uns zusammen gefordert. Sie darf nicht nur anderen Branchen Angebote machen. Sie muss auch für uns Lösungen finden und anbieten“, betonte Hartmann.

Damit die Branche die Herausforderungen der nachhaltigen Transformation bewältigen könne, ginge es aber um noch mehr: Bestehende Entlastungen dürften nicht in Frage gestellt werden, unnötige Belastungen müssten abgeschafft werden, um finanzielle Spielräume zu erhalten. Hartmann forderte deshalb unter anderem „Bürokratieabbau als echtes Konjunkturprogramm“ sowie die Beibehaltung der reduzierten Mehrwertsteuer auf Speisen in der Gastronomie. „Die sieben Prozent jetzt in Frage zu stellen, wäre eine Steuererhöhung zur Unzeit – zum Schaden von Unternehmen wie Gästen“, so Hartmann.

 

Das Arbeiten in der Tourismusbranche müsse attraktiver werden

In Sachen Personalmangel betonte Hartmann die Eigenverantwortung der Branche, sich als interessanter Arbeitgeber aufzustellen. „Wir müssen das Arbeiten in unserer Branche attraktiver machen: Durch passgenauere Angebote für die verschiedensten Lebensabschnitte.“ Gleichzeitig begrüßte er die Pläne der Bundesregierung zur Arbeitskräfteeinwanderung. Er mahnte jedoch auch an, dass nicht nur die rechtlichen, sondern auch die organisatorischen Grundlagen geschaffen werden müssen. Insbesondere die Visavergabe sei derzeit eine große Baustelle mit teils immensen Wartezeiten sowohl für Arbeits- als auch für touristische Visa. „Was wir angesichts von Personalmangel in den Betrieben einerseits und der großen Reiselust andererseits brauchen, ist eigentlich ein Visatransrapid. Derzeit haben wir bestenfalls den Bummelzug. Das muss sich schnellstens ändern“, so Hartmann.

Der BTW-Präsident kommentierte auch die jüngsten EU-Entscheidungen zum Einsatz nachhaltiger Flugkraftstoffe, die in dieser Form zu erheblichen Wettbewerbsverzerrungen zwischen EU- und Nicht-EU-Fluggesellschaften führen. „Emissionen werden kaum verhindert, sondern einfach verlagert. Wenn Langstrecken künftig nur noch über Istanbul oder Dubai führen, statt über Frankfurt und Paris, hilft das nicht dem Klimaschutz. Es schadet lediglich der Wirtschaftszone EU und unseren Betrieben. Hier muss nachjustiert werden!“

Hartmann schloss seine Rede mit folgenden Worten: „Die Tourismuswirtschaft muss sich wandeln. Wir müssen nachhaltiger werden. Wir müssen digitaler werden. Und wir sollten an mancher Stelle auch transparenter werden. Das müssen wir machen im Zusammenschluss mit der Politik, aber insbesondere auch mit allen Akteuren der Tourismuswirtschaft. Und zwar in einer Art, die der Relevanz des Reisens auch gerecht wird.“

 

RDA-Präsident Esser warnt vor „Klimaschutz im Schweinsgalopp" und "Unternehmersterben"

RDA Präsident Benedikt Esser forderte mit Blick auf die fehlende europaweite Ladeinfrastruktur für Reisebusse und die hohen Investitionsrisiken bei einer möglichen Flottenumstellung auf E-Reisebusse mehr Realismus von der Politik: „Klimaschutz im Schweinsgalopp wird in der mittelständischen Wirtschaft nicht funktionieren. Sollte es in diesem Tempo weitergehen, müssen wir nicht nur zukünftig den Fahrer- und Fachkräftemangel bewältigen, vielmehr wird es zu einem Unternehmermangel kommen, da kaum jemand die unkalkulierbaren Investitions- und Betriebsrisiken, die eine Flottenumstellung auf E-Reisebusse mit sich bringen wird, auf sich nehmen kann.  Deshalb brauchen wir mehr staatliche Förderung zur Erforschung, Entwicklung und industriellen Bereitstellung alternativer Kraftstoffe, mit denen wir unsere moderne Reisebusflotte von über 12.000 Fahrzeugen zukünftig noch klimaschützender betreiben können, als das ohnehin jetzt schon der Fall ist.“


Der RDA-Präsident kritisierte zudem die zunehmenden Aussperrungen von Reisebussen aus europäischen Metropolen und nannte beispielhaft Amsterdam, Paris und Barcelona: „Wer Klimaschutz auf der Straße ernst nimmt und Treibhausgase bei touristischen An- und Abreiseverkehren einsparen möchte, der muss dem Reisebus als Klimaschützer Nr. 1 auf der Straße weiterhin freien Zugang in die europäischen Städte gewähren. Alles andere schadet dem Klima“, so Esser abschließend.

 

Deutscher Klimafonds Tourismus (DKT) stellte sich in Berlin vor

Auch der Deutsche Klimafonds Tourismus (DKT) präsentierte sich auf dem Tourismusgipfel in Berlin erstmals der breiten Öffentlichkeit. Unter dem Titel „Nachgefragt: Der Deutsche Klimafonds Tourismus: Von der Branche für die Branche" stellte Dr. Nadine Scharfenort, gemeinsame Projektleitung mit Prof. Dr. Helga Weisz (Potsdam Institut für Klimafolgenforschung), den DKT auf der wichtigsten Veranstaltungen der Branche vor. „Wir wollen unser ehrgeiziges Ziel erreichen, mit dem DKT eine Institution zu etablieren, die Klimaschutzmaßnahmen aus der Branche für die Branche finanziert. Dazu brauchen wir die Beteiligung von möglichst vielen Akteuren der Tourismuswirtschaft, die wir bereits jetzt auf uns aufmerksam machen möchten.“

Der DKT trat erstmals bei der Auftaktveranstaltung des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz „Nationale Plattform Zukunft des Tourismus" am 11. Mai 2023 in Erscheinung und stieß bereits dort auf viel Interesse und positive Resonanz. Dr. Scharfenort zeigte sich optimistisch, dass dieser Zuspruch aus der Branche und Politik nach dem Tourismusgipfel weiter wächst.

 

Dieser Artikel wurde am 26. Mai 2023 um 15:00 Uhr aktualisiert