(dpa/BB) Der Rhein-Main-Verkehrsverbund (RMV) erhöht seine Preise zum Jahreswechsel deutlich: Im Schnitt 8,2 Prozent teurer sollen Einzel- und Zeitkarten werden. Das gab der Verbund am Donnerstag nach einer Aufsichtsratsentscheidung in Frankfurt bekannt. Nicht betroffen sind demnach das Deutschland-Ticket für 49 Euro und 365-Euro-Angebote wie das Seniorenticket Hessen und das Schülerticket Hessen.
„Bei Preissteigerungen von über 25 Prozent alleine für Energie gehen die Aufwände und die zur Verfügung stehenden Finanzmittel immer weiter auseinander“, erklärte RMV-Geschäftsführer Knut Ringat. Auch wenn eine Preiserhöhung von mehr als acht Prozent nicht schön sei, werde damit wenigstens das bestehende Fahrtenangebot gesichert. Deutschlandweit werde aktuell das Fahrpreisniveau angepasst, sicher ist hierbei das Deutschlandticket nicht unschuldig, da Einnahmen von anderen, deutlich teureren Zeitabos nun massiv wegbrechen.
Der RMV verwies zur Begründung der Maßnahme auf den Prepaidrabatt, mit dem man beim Kauf von Einzelfahrkarten sparen könne. Geringverdiener könnten ab Ende Juni für 31 Euro monatlich das Deutschlandticket kaufen, den Hessenpass mobil, der dann ab August gelte. Auch auf das Schulausflugticket wurde in der Mitteilung verwiesen, das ab Schuljahresbeginn 2023/2024 in der Grundschule und der Sekundarstufe die kostenlose Nutzung von Bus und Bahn zu Ausflugszwecken ermögliche.
NVV zieht wahrscheinlich nach
Preiserhöhungen sind auch in Nordhessen möglich. Beim Nordhessischen Verkehrs-Verbund (NVV) werde derzeit die Entscheidung zu einer Tarifanpassung vorbereitet, der Aufsichtsratsbeschluss sei für Mitte Juli geplant, teilte eine Sprecherin mit. Auch sie verwies auf gestiegene Kosten. Welche Folgen diese allerdings für die Preise hätten, könne noch nicht gesagt werden. Der Verkehrsverbund Rhein-Neckar (VRN), an dem Hessen mit dem südhessischen Kreis Bergstraße beteiligt ist, hatte die Preise bereits zum Jahreswechsel um durchschnittlich 8,83 Prozent angehoben.
Dass die RMV-Geschäftsführung eine Preiserhöhung von 8,2 Prozent ab Januar vorschlägt, hatte Geschäftsführer Ringat schon zuvor bekanntgegeben. Ohne ein stärkeres Engagement von Bund und Ländern müssten die Fahrgäste die Kostensteigerungen auffangen. Es stelle sich die Frage, „in welcher Weise die drohende Unterfinanzierung mit Tarifmaßnahmen begrenzt werden kann“, hatte Ringat gesagt. Zum einen gebe es Kostensteigerungen, zum anderen verkehrs- und klimapolitisch gewünschte Angebotsausweitungen. Hinzu kämen Unsicherheiten bei der Finanzierung des Deutschlandtickets ab kommendem Jahr.
Großer Run auf das Deutschlandticket
„Einen knappen Monat nach der offiziellen Einführung des Deutschlandtickets ist die Nachfrage weiter ungebremst", so RMV-Geschäftsführer Prof. Knut Ringat, Ende Mai: „Bisher wurden bereits mehr als 290.000 Deutschlandtickets im RMV verkauft. Das ist ein starkes Zwischenergebnis vier Wochen nach der größten Tarifrevolution im öffentlichen Nahverkehr. Was uns ganz besonders freut: Wir konnten mit dem Deutschlandticket-Abonnement rund 150.000 Neukundinnen und -kunden gewinnen. Trotzdem warnte Ringat schon damals sehr deutlich: „Die Zahlen sprechen eine eindeutige Sprache. Jetzt braucht es auch mehr Finanzierungshilfe von Bund und Ländern, um auch bei steigenden Kosten für Energie und Personal für genügend Fahrten und Platz zu sorgen." Vorher muss aber der Kunde ran!
Politische Reaktionen
Die hessische Linke forderte von der schwarz-grünen Landesregierung mehr Geld für den öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV), um die geplanten Preiserhöhungen noch abzuwenden. „Das Land Hessen gibt im Vergleich zu anderen Bundesländern sehr wenig für den Nahverkehr aus und schiebt den schwarzen Peter den finanziell ohnehin belasteten Kommunen zu“, kritisierte der Linken-Fraktionschef im Landtag, Jan Schalauske. Ziel müsse eine weitere Senkung der Fahrpreise sein – „mit dem Ziel Nulltarif“.
Das Rhein-Main-Gebiet habe schon jetzt mit die höchsten Nahverkehrspreise in Deutschland, erklärte auch der Landesverband der Partei. Wenn die Preise nun nochmals erhöht würden, treffe das die Menschen, die jetzt schon nicht genug Geld hätten, jeden Monat 49 Euro für das Deutschlandticket auszugeben.
Der Fahrgastverband Pro Bahn hatte eine Preissteigerung von mehr als acht Prozent als „vollkommen inakzeptabel“ bezeichnet. Der RMV habe bereits jetzt eins der teuersten Tarifsysteme deutschlandweit. Auch Pro Bahn kritisierte, das Land Hessen beteilige sich bei weitem nicht in ausreichendem Maße an der Finanzierung des ÖPNV.
Der RMV hatte vergangenes Jahr seine Tarife anfangs zunächst um durchschnittlich 1,5 Prozent und ab Juli dann um weitere 3,9 Prozent erhöht. Im Januar 2023 waren es erneut durchschnittlich 1,5 Prozent.
Vergünstigtes Deutschlandticket startet im Juli
Fast zeitgleich geht eine Billigvariante des 49 Euro-Tickets an den Start: Seit dem 1. Mai 2023 gibt es erstmals in Deutschland die Möglichkeit, für nur 49 Euro im Monat den öffentlichen Nahverkehr in ganz Deutschland zu nutzen. Mit dem „Hessenpass mobil“ kommt nun ab dem 1. August 2023 ein ergänzendes Angebot des Landes Hessen hinzu: Menschen, die ihren Wohnsitz in Hessen haben und Wohngeld, Bürgergeld, Sozialhilfe oder Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz erhalten, können ein auf 31 Euro vergünstigtes Deutschland-Ticket kaufen. Jetzt ist klar, dass der Vorverkauf bei den Verkehrsverbünden in Hessen am 30. Juni 2023 starten wird.
Die Bescheinigung für den „Hessenpass mobil“ wird von den für die Sozialleistungen zuständigen Behörden automatisch ausgestellt und den Berechtigten postalisch zugesandt. Mit dieser Bescheinigung kann das vergünstigte Deutschland-Ticket dann als Abonnement unter Vorlage des „Hessenpass mobil“ bei den Vertriebsstellen der Verkehrsverbünde ab dem 30. Juni 2023 bestellt werden.
Das Deutschland-Ticket ergänzende Angebote sind nicht Teil des Nachteilsausgleichs mit dem Bund und werden von den Ländern allein finanziert. Für die Finanzierung des mit dem „Hessenpass mobil“ vergünstigten Deutschland-Ticket hat das Land Hessen für die Jahre 2023 und 2024 zusätzlich 12 bzw. 15 Mio. Euro in den Haushalt eingestellt