Die Sitzung im Bundestag beginnt um 13.50 Uhr mit einer 30-minütigen Debatte (Live-Übertragung: www.bundestag.de) über das geplante Gesetzt „über die Insolvenzsicherung durch Reisesicherungsfonds und zur Änderung reiserechtlicher Vorschriften“. Nach 30-minütiger Debatte soll der Gesetzentwurf an die Ausschüsse zur weiteren Beratung in den federführenden Rechtsausschuss überwiesen werden.

Das Schreiben von Meinhold Hafermann im Wortlaut:

Sehr geehrte Frau Bundesministerin Lambrecht,

sehr geehrter Herr Bundesminister Altmaier,

sehr geehrter Herr Lehrieder,

 

ich bin ein Busreiseveranstalter aus NRW mit einem Jahresumsatz von 21 Mio € in 2019. Ich führe unser 110-jähriges Traditionsunternehmen in der dritten Generation. Ich bin sehr besorgt über das Vorhaben des Justiz-und Verbraucherschutzministeriums, eine „Zwangsmitgliedschaft“ in einen Reisesicherungsfonds per Gesetz uns aufzubürden. Dieser Fonds soll aus dem Boden gestampft werden, damit die Risiken der großen Reiseveranstalter volkswirtschaftlich abgefangen werden können und das auf Kosten der kleineren und mittleren Reiseveranstalter. Das kann ich so nicht hinnehmen und begründe dieses wie folgt:

  1. Nicht sachgerechter Berechnungsansatz des Beitrages und der Sicherheitsleistung: Der Zwangsbeitrag in Höhe von 1% und auch die Sicherheitsleistung in Höhe von 7% soll am Reisepreisumsatz berechnet werden, obwohl das Risiko bei einer Insolvenz nie der Jahres-Reisepreis-Umsatz ist, was Sie ja bei Thomas Cook selbst erfahren und abgewickelt haben. Die Bemessungsgrundlage am Jahres-Reisepreis-Umsatz ist betriebswirtschaftlich und juristisch vollkommen der falsche Ansatz.
    Wir erhalten vom Reisekunden eine Anzahlung in Höhe von ca. 20% und die Restzahlung des Reisepreises ist 14 Tage vor der Reise fällig, so wie es im Reiserecht auch gesetzlich verankert ist. Das Insolvenzrisiko beläuft sich somit nicht auf einen Jahresumsatz, sondern lediglich auf maximal ca. 20%- 22% des Jahres-Reisepreis-Umsatz, was in einer Liquiditätsanalyse genau berechnet werden kann. In Ihrem Referentenentwurf führen Sie doch selbst aus, dass nur ein Haftungsrisiko im Insolvenzfall in Höhe von 22% vom Reisepreisumsatz maximal besteht. Mit Ihrem Ansatz bürden Sie der gesamten Reisebranche horrende Zwangsbeiträge und nicht zu erbringende Sicherheitsleistungen auf.

  2. Marktaustritte wegen unüberbrückbarer gesetzlicher Hürden durch den Gesetzentwurf Insolvenzsicherung: Nach Ihrem Entwurf müsste ich für unser Unternehmen einen Zwangsbeitrag in Höhe von 210.000,- € und eine Sicherheitsleistung in Höhe von knapp 1,5 Mio € aufbringen. Der Zwangsbeitrag wäre ein Vielfaches von dem, was wir bis heute bezahlen. Da wir ein grundsolides finanzstarkes Unternehmen mit einer 1-A Bonität sind, haben wir kaum eine Sicherheitsleistung unserem Insolvenzversicherer geben müssen. Warum auch, denn wir sind innenfinanziert, haben keine Bankschulden und haben abgesehen vom laufenden Geschäft quasi 100% Eigenkapital. In Ihrem Entwurf berücksichtigen Sie bei der Sicherheitsleistung überhaupt nicht die Bonität, was ich als ordentlicher Kaufmann nicht hinnehmen kann.
    Viele kleine, mittlere und gute Reiseveranstalter haben aber nicht alle so eine Finanzausstattung. Da würde es schon schwer sein, diesen Zwangsbeitrag aufzubringen. Es würde aber auf jeden Fall an der Aufbringung der Sicherheitsleistung scheitern und ein Austritt aus dem Markt würde bevorstehen. Alle Reiseveranstalter sind trotz der Bundeshilfen durch Corona stark geschwächt und kämpfen ums Überleben. Und dann kommen Sie noch mit so einem Gesetzentwurf, der bei der Umsetzung für viele Reiseveranstalter der Todesstoß bedeuten würde.
    Diese Sicherheitsleistung ist gegenwärtig Corona-bedingt aber auch in der Zukunft von den Reiseanbietern nicht leistbar. Die Reiseveranstalter schaffen den enormen Kraftakt durch die Krise zu kommen und werden dann durch die neue Insolvenzsicherung zu Fall gebracht und in die Insolvenz getrieben. Was für ein volkswirtschaftlicher Schaden bahnt sich da an.

  3. Busreiseveranstalter haben keine Repatriierungskosten: Falls Sie dieses Gesetz doch verabschieden sollten, so fordere ich für erdgebundene Reisen, Eigenanreisen zu Hotels und Freizeitparks im Gesetz einen hohen Abschlag, da die Reisebusse auch bei einer Insolvenz die Reisegäste auf jeden Fall mit nach Hause bringen. Im Gegensatz zu den Ferienflieger würden im Falle einer Insolvenz eines Busreiseveranstalters keine Rückholkosten anfallen, die die Bundesregierung z.B. bei der Thomas Cook Pleite bezahlen musste.

  4. Höhe des Beitrages und der Sicherheitsleistung sind viel zu hoch: Die Prozentsätze des Beitrages und der Sicherheitsleistung sind viel zu hoch. Das können kleine und mittlere und wahrscheinlich auch die großen Reiseveranstalter überhaupt nicht leisten. Letztendlich muss es dann der Verbraucher diese Kosten in diesem sehr preissensiblen Markt tragen.
    Die Prozentsätze müssen um ein Vielfaches runter und im tausendstel Bereich liegen und sich, wie oben schon dargelegt, am tatsächlichen Insolvenzrisiko in Höhe von ca. 20%-22% des Reisepreises festgemacht werden.
    Gegenwärtig zahlen die Busreiseveranstalter maximal bis zu 0,15% an Versicherungsentgelten. An Sicherheitsleistung wird je nach Bonität maximal 1,5 % des Reiseumsatzes erbracht. Höher darf das Entgelt und die Sicherheitsleistung für Busreiseveranstalter in der Zukunft auch nicht liegen, da ansonsten die Insolvenz droht.
    Falls Sie das Gesetz in dieser Legislaturperiode verabschieden sollten, dann fordere ich ein kostenloses Bürgschaftsprogramm des Bundes mit Deckung von bis zu 80 % der erforderlichen Sicherheitsleistung durch Ausfallbürgschaft zu erbringen, so wie das unser Internationaler Bustouristikverband RDA schon gefordert hat.

  5. Höhere Ausnahmegrenze für die „Zwangs-Fonds-Mitgliedschaft“ von 3 Mio. auf 50 Mio. € Reisepreisumsatz raufsetzen. Kleine und mittlere Reiseveranstalter dürfen nicht unverhältnismäßig belastet werden und das deutlich höhere Schadensrisiko von Großveranstaltern tragen. Das führten Sie, Herr Lehrieder, in Ihrem Schreiben vom 31.03.2021 an Frau Bundesjustizministerin Lambrecht selbst aus. Dem schließe ich mit vollkommen an.
    Die großen Veranstalter sollen sich doch selbst gegen die Risiken absichern, so wie wir es all die Jahre gemacht haben. Wir kleinen und mittleren Veranstalter können uns aufgrund des deutlich geringeren Schadensrisiko selbst am Markt individuell günstiger als im Fonds absichern. Die Versicherungswirtschaft wird das auf jeden Fall richten können.

Ich bitte Sie, dass Sie meine Ausführungen in der morgigen Bundestagssitzung mit in Ihre Entscheidungen einbeziehen und hoffentlich umsetzen werden.

Mit freundlichen Grüßen

Meinhold Hafermann