Der politische Aufschrei war groß, als der Bus- und Lkw-Hersteller MAN bekannt gab, dass er rund 9.500 von rund 36.000 Stellen streichen wird. Auch die Zukunft des Bus Modification Center in Plauen mit rund 150 Mitarbeitern ist ungewiss. „Wir sind in großer Sorge“, erklärte Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) und zeigte sich nach einem Treffen mit dem MAN-Vorstand in München empört über den MAN-Vorstoß.
René Lang, Geschäftsführer des Busreiseveranstalters Lang GmbH in Schwarzenberg/Erzgebirge, ist verwundert über die Empörung der Politik über diese Entwicklung. „Schlussendlich wird deutlich, dass das Prinzip von Ursache und Wirkung nicht verstanden wurde“, sagt Lang und erläutert im Folgenden die Zusammenhänge, die dazu geführt haben, dass z.B. der MAN-Werk in Plauen vor dem Aus steht:
Seit Beginn der Corona-Krise sei man in der Reisebusbranche nicht müde geworden, Politik und Öffentlichkeit darauf hinzuweisen, dass Tourismus wie eine Uhr mit vielen Zahnrädern funktioniere und durch das Verbot von Busreisen nicht nur einzelne Unternehmen existenzbedroht seien. „Fällt eines dieser Zahnräder aus, bleibt die Uhr stehen“, beschreibt René Lang.
„Mit homöopathischen Ansätzen wird kurzfristig Aktionismus gezeigt“
„Irgendwie hatte ich persönlich als mittelständischer Reisebusveranstalter immer den Eindruck, dass man diese Komplexität nicht sehen wollte oder konnte.“ Getreu dem Motto: „Es geht ja nur um Dienstleister. Geht heute einer kaputt, steht morgen ein neuer auf.“ Wirkliches Problemverständnis seitens der Politik sei bis heute für diese Branche nicht gegeben. „Mit nahezu homöopathischen Ansätzen wird und wurde kurzfristig Aktionismus gezeigt oder vorrangig mit Blick auf die eigene Landes- und Regionalpolitik versucht, das Incoming-Geschäft zu stützen“, ist Lang der Meinung.
„Vielmehr können wir unverändert erleben, wie auf Bundesebene öffentlich dazu aufgerufen wird, in den Ferien Verzicht zu üben, zu Hause zu bleiben. Und die Kunden üben Verzicht! Aber ohne Kunden, die verreisen wollen, gibt es keine funktionierenden Reiseunternehmen. Damit führt man seit Monaten den modernen Reisebustourismus – aber auch Reisebüros als Vermittler, Reiseveranstalter als Organisatoren und viele weitere an der Wertschöpfungskette beteiligte – direkt in den Abgrund. Dabei ist Tourismus eben nicht nur ein Hobby für zwei Wochen im Jahr, sondern stellt unmittelbar 2,9 Mio. Arbeitsplätze in Deutschland. Und dazu kommen eine Vielzahl an Dienstleistern, wie Tankstellen, IT- Dienste, Verlage, Druckereien, Werkstätten, Taxiunternehmen und eben auch Industriebetriebe wie z.B. Bushersteller.
Und die Folgen dieser kurzsichtigen (Nicht-)Wahrnehmung werden nun auf einmal deutlich. Reisebusse werden nur von Reisebusunternehmen gekauft. Diese gut aufgestellten Unternehmen gibt es aber nicht mehr. Damit sind die Auftragsbücher der Bushersteller in diesem Segment mindestens für die nächsten 12 bis 18 Monate leer, geschätzt mehr als 3.000 Reisebusse herstellerübergreifend brauchen aktuell nicht gebaut zu werden.
Kein Spielraum für Neuanschaffungen
Die Gebrauchtwagenhöfe der Hersteller, gefüllt mit zurück gegebenen Leasingrückläufern und Fahrzeugen aus bereits erfolgten Unternehmensinsolvenzen, platzen aus allen Nähten. Auch dafür sind aktuell keine Käufer in Sicht. Hinzu kommt, dass die Bushersteller den Reisebusunternehmen als potentiellen zukünftigen Kunden inzwischen Ratenzahlungen monatlich im mittleren einstelligen Millionenbereich stunden.“ Um durch die Krise zu kommen und überleben zu können, mussten Reisebusunternehmen Kredite aufnehmen und sich hoch verschulden. D. h. es gibt keinen Spielraum für Neuanschaffungen.“ Und das habe unmittelbar Auswirkungen u.a. auf die Industrie. Was das bedeutet, erlebe man aktuell am Beispiel von MAN. „Mindestens ein Zahnrad im Uhrwerk geht gerade kaputt, weil sich andere nicht drehen (können/dürfen/sollen).“
„Da es sich im Falle von MAN um 150 Industriearbeitsplätze handelt, wird der sächsische Wirtschaftsminister gemeinsam mit dem Ministerpräsidenten über Nacht aktiv. Sie werden per Flugzeug in die MAN-Zentrale in München geflogen, dort wird man vorstellig und zeigt sich „empört“ über die Aufkündigung der Verträge und der geplanten Schließung des Standortes Plauen. Dabei stellen allein die erzgebirgischen Reisebüros, Reiseveranstalter und Reisebusunternehmen vermutlich eine ebenso große Anzahl an Arbeitsplätzen.
Es bleibt zu hoffen, dass dieser Warnschuss, bei aller Tragik für die in Plauen betroffenen Mitarbeiter, schnellstmöglich zu einem Umdenken im Blick auf den Tourismus führt. Urlaub beginnt eben nicht erst mit dem Einstieg in den Reisebus!“