„Die von der EU geplanten neuen Regelungen für die Pauschalreiserichtlinie kosten nicht nur Geld, sie verzerren auch den Wettbewerb weiter – zu Lasten der organisierten Reise“, so Präsident des Deutschen Reiseverbandes (DRV) Norbert Fiebig bei der öffentlichen Anhörung im Deutschen Bundestag. Gerade für den deutschen Markt habe die Pauschalreise immense Bedeutung. Stolze 41 Prozent aller in der EU vertriebenen Pauschalreisen würden in Deutschland gebucht, in den übrigen 26 EU-Mitgliedsstaaten läge der Pauschalreiseanteil bei unter zehn Prozent, wenn der Anteil Deutschlands herausgerechnet werde.
Fiebig nahm als einer der Sachverständigen zur Novellierung der EU-Pauschalreiserichtlinie an der Anhörung im Tourismusausschuss teil. Er betonte, dass die Bundesregierung aufgefordert sei, auf EU-Ebene „die deutschen Interessen zu vertreten“. Bei der Reform des rechtlichen Handlungsrahmens müssten vor allem die Eigenheiten des deutschen Reisemarktes Beachtung finden, wenn der Gesetzgeber die Pauschalreise in Deutschland nicht zur Disposition stellen wolle, so Fiebig. „Derzeit haben wir jedoch erhebliche Zweifel daran, dass die Kommission diese Gegebenheiten ausreichend berücksichtigt.“
Die Kritik des Deutschen Reiseverbandes am Vorschlag der Europäischen Kommission bezieht sich im Wesentlichen auf die folgenden elf Punkte:
- Geschäftsreisen gehörten nicht in den Anwendungsbereich einer Pauschreiserichtlinie und seien daher herauszunehmen.
- Die vorgesehene Einführung der Drei-Stunden-Frist mache den Verkauf von mehreren Einzelleistungen (verbundene Reiseleistungen) im stationären und online-Vertrieb de facto unmöglich und reduziere damit die Vielfalt des Angebots.
- Die Änderung der Click-Through-Definition gehe in die richtige Richtung. Es blieben jedoch Schlupflöcher offen.
- Die Anzahlungshöhe müsse nicht geregelt werden. Die geplante Ausgestaltung sei "überflüssig und überzogen".
- Durch die Ausweitung des Kundenrechts, eine Pauschalreise wegen unvermeidbarer außergewöhnlicher Umstände am Wohnsitz oder Abreiseort absagen zu können, erfolge eine komplette Risikoverlagerung allgemeiner Lebensrisiken auf die Reiseveranstalter. Dies sei nicht sachgerecht und unverhältnismäßig.
- Die geplante Berücksichtigung von drei Reisewarnungen – am Wohnsitz, am Abreiseort und im Zielgebiet – sei "unklar und nicht sachgemäß". Maßgeblich könne nur die Reisewarnung des Landes sein, in dem der Kunde seinen Wohnsitz hat.
- Mit der strikten Beibehaltung der 14-Tages-Frist zur Rückzahlung von Kundengeldern auch bei Großschadensereignissen ziehe die EU-Kommission "die falschen Lehren aus der Pandemie". Eine Ausnahmeregelung sei erforderlich.
- Die Einführung eines zusätzlichen nationalen Krisenfonds, der von den Reiseveranstaltern zu finanzieren ist, wird abgelehnt. Er verteuere die Pauschalreise ohne wirklichen Mehrwert für die Kunden.
- Eine gesetzliche Gutscheinlösung auf freiwilliger Basis sei schon heute möglich und helfe in globalen Krisen nicht weiter. Nur obligatorische Gutscheine seien bei Großschadenereignissen für die Reiseveranstalter hilfreich.
- Die Möglichkeit auf nationaler Ebene zusätzlich eine Insolvenzabsicherung für Reisebüros einzuführen, sei überflüssig, da bereits die vermittelte Pauschalreise gegen die Insolvenz des Reiseveranstalters abgesichert sei.
- Der vorgesehene B2B-Regreß sei in der Praxis nicht durchsetzbar.
Der DRV-Präsident wies darauf hin, dass bei der Novellierung der Pauschalreiserichtlinie die beteiligten Akteure die besonderen Bedingungen und Gegebenheiten des deutschen Marktes mit den rund 2.300 Reiseveranstaltern und fast 9.000 Reisebüros berücksichtigen müssten. Eine neue Richtlinie müsse den Reisebüros auch weiterhin ermöglichen, gegenüber den Kunden mit ihrer Beratungskompetenz und ihren USP bei der individuellen Zusammenstellung von Reisen zu punkten.
Der Gesetzgeber sollte Regelungen schaffen, die ein angemessenes Gleichgewicht zwischen den Interessen des Verbraucherschutzes und wirtschaftlichen Interessen und Notwendigkeiten herstellen, so die Forderung des DRV. Die weiteren Verpflichtungen der Pauschalreiseveranstalter, wie sie der aktuelle Gesetzentwurf vorsehe, würden dazu führen, dass die organisierte Reise immer weiter an Bedeutung verliere. „Am Ende reisen immer weniger Urlauber gut geschützt“, so Fiebig. „Hier bedarf es dringend umfassender Korrekturen.“ Darauf müsse die Bundesregierung achten.