„Wir sind vor allem beim Fahrpersonal aus demografischen Gründen mit großen Herausforderungen bei der Personalgewinnung konfrontiert“, so Harald Kraus, Vorsitzender des VDV-Personalausschusses und Vorstandsvorsitzender der VDV-Akademie. Allein im ÖPNV fehlten bereits heute 20.000 Busfahrer, rund 100.000 Busfahrer seien derzeit in Deutschland tätig. Im Schienenverkehr arbeiten rund 40.000 Triebfahrzeugführer. Jährlich gingen rund 6.000 Mitarbeiter im Bus- und Tram-Fahrdienst in den Ruhestand. Deshalb sei wichtig, möglichst genau einzuschätzen, wie die aktuellen, aber auch potenziellen künftigen Fahrer auf ihren Job und seine Rahmenbedingungen blicken.
Was waren die wichtigsten Gründe für die Wahl des Arbeitgebers?
Die Ergebnisse der Großen Deutschlandumfrage ließen sich vor diesem Hintergrund in Anforderungen an die Politik und an die Branche unterteilen, so Kraus. Die Politik müsse die Finanzierung für die Anpassung von Arbeitszeitmodellen und Löhnen ausbauen, es brauche bundeseinheitliche Sicherheitsstandards, etwa bei technischer Ausstattung, Videospeicherfristen, Sicherheitspartnerschaften und es könne das Potenzial in Aus- und Weiterbildung besser ausgeschöpft werden, etwa durch den Abbau von Qualifizierungshürden, die Förderung von Umschulungen und einen vereinfachten Busführerscheinerwerb. Nicht zuletzt müsse die Integration von Migranten über „angepasste Sprachanforderungen und gezielte Förderung“ erleichtert werden. Außerdem sei die Branche bei den Themen Quereinsteigergewinnung, Arbeitgeberattraktivität und Digitalisierung der Rekrutierungsprozesse gefordert.
Arbeitsbedingungen, Image, bürokratische Hürden
Für die Fahrer sind laut ersten Umfrage-Ergebnissen bessere Arbeitsbedingungen und ein wertschätzenderer Umgang durch die Fahrgäste zentrale Faktoren, die ihren Beruf attraktiver machen würden. 30 Prozent der Beschäftigten empfinden die Dienstpläne in Teilen als nur schwer vereinbar mit dem Privatleben. Ebenfalls werden der unmittelbare Fahrgastkontakt und der zunehmende Stress im Straßenverkehr von vielen als belastend empfunden. „Die Verkehrsunternehmen tun bereits viel, um Dienstpläne, Arbeitsbelastung und finanzielle Rahmenbedingungen im Fahrdienst zu verbessern“, so Kraus. „Aber ein höherer Verdienst oder eine arbeitnehmerfreundlichere Dienstplangestaltung können nur durch weitere finanzielle Mittel umgesetzt werden. Geld, das die Unternehmen allein nicht aufbringen können. Wenn die Politik mehr Leistung und Angebot bei Bus und Bahn fordert, muss sie Möglichkeiten schaffen, dies umzusetzen.“
Die Empfehlungen an die Branche
„Über 54 Prozent der Befragten kamen als Quereinsteigende in die Branche“, so Lisa Behrendt, Lead Consultant Employer Branding bei nexum. „Die Prozesse zur Bewerbung, Einarbeitung und Qualifikation müssen stärker auf diese Zielgruppe ausgerichtet sein.“ Vor allem bei den digitalen Bewerbungsprozessen sieht Behrendt Potenzial. 31 Prozent der Befragten nannten Social Media als Bewerbungskanal, 50 Prozent fanden über Karriereseiten in den Beruf. Empfehlungen aus dem privaten oder beruflichen Umfeld folgen rund 53 Prozent. Vor allem für die unter 30-Jährigen scheinen digitale Ansprache und moderne Unternehmenskultur wichtig zu sein. „Für manches Unternehmen ist das noch ungewohnt, denn bislang konnte die Branche ihren Bedarf an Fahrpersonal oft durch regionale oder lokale Aktivitäten decken“, weiß Behrendt. „Doch wer die jungen Zielgruppen und Quereinsteiger besser erreichen will, muss mit Authentizität, Respekt und digitalen Mitteln kommunizieren – und auf Augenhöhe. Eine zeitgemäße Karriereseite mit echten Einblicken, klaren Erwartungen und Gehaltsinformationen ist keine Zusatzleistung mehr, sondern Grundvoraussetzung. Gleichzeitig braucht es interne Kulturveränderung: Mitarbeitende müssen sich als Botschafter verstanden fühlen.“
Erkenntnisse für die Politik
„Gute Arbeitsbedingungen sind eine Grundvoraussetzung für einen funktionierenden Bus- und Bahnverkehr, der gegenwärtig darum kämpft, den bestehenden Fahrplan zu fahren und für unseren ökölogischen und ökonomischen Ziele wachsen soll“, sagt Andreas Schackert, Bundesfachgruppenleiter Busse und Bahnen bei der Gewerkschaft Verdi. Es brauche sichere Arbeitsumgebungen, tarifliche Absicherung und faire Bezahlung. Mit den zusätzlichen Kosten, die daraus resultierten, dürften Bund und Länder die Kommunen nicht allein lassen. Laut Umfrage gaben 57 Prozent der Befragten an, dass Arbeitsplatzsicherheit und Gehalt (30 Prozent) für ihre Berufswahl entscheidend war. Tarifbindung, sichere Arbeitsumgebungen und Qualifizierung seien laut Schackert dabei so wichtig wie ein gesellschaftlich anerkanntes Berufsbild.
Welche Gründe waren entscheidend für die Wahl des Berufs?
Alle Ergebnisse der Großen Deutschlandumfrage Fahrpersonal Bus&Bahn 2025 gibt es unter: www.vdv.de/d-umfrage.