Kommunale Verkehrsnetze sind die Lebensadern unserer Gesellschaft – sie sorgen dafür, dass Menschen vor Ort mobil sind, Unternehmen gut zu erreichen sind und lokales Wachstum auch des Verkehrs im Einklang mit Klimaschutzzielen realisiert werden kann. Der Neu- und Ausbau sowie der Erhalt und die Modernisierung stellen die Kommunen jedoch vor eine doppelte Herausforderung, die ohne weitere finanzielle Unterstützung von Bund und Ländern nicht zu schultern sei, so der VDV in einer Mitteilung: Um Treibhausgasemissionen substanziell zu senken, müsse eine Transformation hin zu einem nachhaltigen Verkehrssystem vollzogen werden. Gleichzeitig gelte es, ein funktionierendes und leistungsfähiges Straßen- und Schienennetz vorzuhalten. Für den passgenauen Einsatz künftiger Investitionen sei es unerlässlich, detaillierte Kenntnisse über Umfang und Zustand der Netze zu haben.


Die wichtigsten Ergebnisse der Studie fasst der VDV wie folgt zusammen:

  • Der Investitionsbedarf für Erhalt und Erweiterung von Schienennetzen und Straßen in Städten, Landkreisen und Gemeinden bis 2030 betrage insgesamt rund 372 Milliarden Euro.
  • Ein Drittel der Kommunen bewertet den Zustand ihrer bestehenden Streckennetze für alle Verkehrsträger mindestens mit „gut“.
  • Ein Drittel der Straßen weist größere Mängel auf
  • Fast jede zweite Straßenbrücke in den Kommunen ist in keinem guten Zustand, ebenso wie die ÖPNV-Netze.
  • Die ÖPNV-Brücken und -Tunnel sind im Vergleich besser erhalten: Etwa zwei Drittel davon sind neuwertig oder in einem guten Zustand.
  • Mit rund 283 Milliarden Euro entfällt der deutlich größte Teil auf den Nachhol- und Ersatzbedarf bei der Straßenverkehrsinfrastruktur der Kommunen.
  • Bei der ÖPNV-Infrastruktur lässt sich der Nachhol- und Ersatzbedarf bis zum Jahr 2030 auf 64 Milliarden Euro beziffern.

 

VDV-Hauptgeschäftsführer Oliver Wolff kommentiert: „Die vorliegenden Studienergebnisse zeigen ein alarmierendes Bild des Zustands der kommunalen Verkehrsinfrastruktur. Die städtischen ÖPNV-Netze sind vom Umfang her wesentlich kleiner als die kommunalen Straßennetze. Von daher sind die Ergebnisse von Straße und ÖPNV in ihrer Brisanz durchaus vergleichbar. Wir haben als VDV immer betont, dass der angestrebte Fahrgastzuwachs und die Verlagerung auf den ÖPNV vor allem dann nachhaltig funktioniert, wenn das Angebot für die Menschen attraktiv genug ist. Dazu gehört neben dem nötigen Ausbau des Angebots vor allem eine gute und leistungsfähige Infrastruktur. Für Investitionen in die ÖPNV-Netze gibt es ein gut funktionierendes Bundesprogramm, das Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz (GVFG), bei dem wir gerade einen massiven Hochlauf an angemeldeten Projekten sehen. Die jährlichen GVFG-Fördermittel werden daher ab 2025 nicht mehr ausreichen, so dass wir hier eine Erhöhung von zwei auf zunächst drei Milliarden Euro jährlich für geboten halten.“

Bauindustrie-Hauptgeschäftsführer Tim-Oliver Müller fügt hinzu: „Wir reden über wesentliche Grundbedürfnisse, über die Mobilität von Bürgerinnen und Bürgern, Verbindung von Stadt und Land. Eine gesunde Verkehrsinfrastruktur ist essenziell für unsere Gesellschaft – und Wirtschaft. Wir brauchen deshalb einen Verkehrsplan für Deutschland, der nicht in Legislaturperioden und regionalen Zuständigkeiten denkt, sondern den flächendeckenden Verkehr ermöglicht. Wir brauchen Partnerschaftsmodelle, flexibles Vergaberecht – also weg von der ausschließlichen Klein-Kein-Vergabe, hin zu einer Vielfalt an Vergabemodellen, wenn wir zügiger und produktiver werden wollen.“

Der Leiter des ADAC-Ressorts Verkehr, Stefan Gerwens wiederum betont: „Die Studie zeigt, erhebliche Investitionen in den Erhalt von Straßen und insbesondere Brücken sind dringend geboten, denn der Nachhol- und Ersatzbedarf ist hier enorm. Es geht nicht allein darum, Mobilität dauerhaft zu gewährleisten, sondern sie auch nachhaltig weiterzuentwickeln, also insbesondere für Fußgänger und Radfahrer attraktiver und sicherer zu machen. Die Kommunen sollten mit Unterstützung der Länder die Modernisierung der kommunalen Verkehrsnetze bei Straße und Schiene aktiv angehen, also den Zustand verbessern und in Anpassungen investieren.“

 

Deutliche Reaktionen von Verbänden

Dass der riesige Investitionsbedarf von der Politik bis 2030 vollständig gedeckt wird, ist angesichts der aktuell schwierigen Haushaltslage unwahrscheinlich. Mehrere Verkehrsverbände kritisierten am Mittwoch laut Presseagentur dpa, dass die Bundesregierung derzeit grundsätzlich nicht erkennen lasse, wo Deutschland bei der Verkehrswende hinwolle.

Schlechte Noten für die Ampel-Koalition gab es von der Allianz pro Schiene, dem Fahrradclub ADFC und dem Autoclub ACE vor allem bei den Vorhaben, den Radverkehr zu stärken, die Verkehrssicherheit zu verbessern sowie klimaschädliche Subventionen abzubauen, wie aus einem gemeinsamen Papier hervorgeht. Es fehle eine Gesamtstrategie für die Verkehrsträger Straße, Schiene und Radwege. Die Ampel blinke verkehrspolitisch immer wieder in unterschiedliche Richtungen, sagte Dirk Flege, Geschäftsführer der Allianz pro Schiene.

Mit Blick auf den Radverkehr kritisierte Angela Kohls, Leiterin Verkehrspolitik beim Fahrradclub ADFC, es gebe keinen klaren Umsetzungsplan des Nationalen Radverkehrsplans. Zu geplanten Kürzungen bei der Förderung des Radverkehrs im Entwurf des Bundeshaushalts 2024 sagte sie, die Ampel lege den Rückwärtsgang ein und halte nicht, was sie versprochen habe.

Als befriedigend werteten die Verbände aber die Stärkung der Schiene sowie des Öffentlichen Personennahverkehrs. Das Deutschlandticket im Nah- und Regionalverkehr sei verkehrspolitisch ein «Riesenschritt» nach vorn, hieß es. Flege kritisierte aber den Streit zwischen Bund und Ländern um die künftige Finanzierung des Tickets.

 

Die komplette Studie kann hier eingesehen werden: www.vdv.de/infrastruktur