Die E-Mobilität elektrisiert immer mehr Menschen und Unternehmen überall auf der Welt. Auch international nimmt sie rasant an Fahrt auf, das besonders im Stadtbusbereich, aber auch zunehmend im Überland- und Reisesektor. Analysten gehen davon aus, dass die Nachfrage nach Elektrobussen auch in den nächsten Jahren weiter steigt. Bis 2040 soll der Absatz von emissionsfreien Bussen auf über 80 Prozent des Weltmarkts steigen, MAN spricht davon, dass 2030 bereits 90 Prozent der eignen neuen Busse elektrisch angetrieben werden. Dazu soll dem Vernehmen nach Mitte des Jahrzehnts auch ein elektrischer Reisebus an den Start gehen. Um die ehrgeizigen Ziele zu erreichen, ändert MAN jetzt seine anfängliche Produktstrategie, dem Kunden sehr wenig Wahlmöglichkeiten zu geben. Zwei Fahrzeuglängen mit jeweils einer fixen Batterieleistung und einer Ladeoption. Diese kargen Zeiten sollen nun endlich vorbei sein. Der bisher eher mäßige Absatz von rund 1.000 Bussen und einem Marktanteil in Europa von 6,4 Prozent (Quelle: CME Chatrou Marketing Solutions) nach 4,1 Prozent in 2021 (EU27+UK+ICE+NO+CH) konnte die Münchener bisher nicht besonders elektrisieren. Mercedes-Benz kommt demgegenüber 2022 mit seinem eCitaro auf 12,6 Prozent, Marktführer VDL auf 13,7 Prozent, und das trotz des verspäteten Starts seines neuen Citea, der erst auf der Innotrans in Berlin erstmals gezeigt wird.

Kurz und gut: MAN Lion’s City 10 E

 

Den Anfang macht bei der Münchener Elektro-Offensive aktuell der verkürzte Zweiachser Lion‘s City 10 E, der etwas vor dem Mercedes eCitaro K an den Start gehen dürfte. Um den Midibus zu realisieren, griffen die Konstrukteure auf den Baukasten des großen Bruders Lion’s City 12 E zurück. An den Basis-Abmessungen und Eigenschaften des Elektrobusses hat sich also nicht viel geändert. Breite, Höhe und Überhänge bleiben unangetastet, ebenso auch das Konzept des motorturmfreien Hecks, durch den vier Sitzplätze (maximal 33 Sitze und 80 Fahrgäste gesamt) mehr zur Verfügung stehen als bei den wenigen Wettbewerbern im Segment, die allerdings teilweise eine schmalere Silhouette von 2,35 Metern für bessere „Innenstadtgängigkeit“ bieten – so der Solaris Urbino 9 LE. Die „Kürzung“ der MAN-Karosserie findet ausschließlich zwischen den Achsen statt, wo ein Fenstermodul herausgenommen wird, was in einer Gesamtlänge von 10,5 Meter resultiert und rund 350 Kilogramm Gewicht einspart.

Der Radstand schrumpft durch die Maßnahmen von rund sechs Metern deutlich auf 4,40 Meter und der Wendekreis sinkt auf rekordverdächtige 17,2 Meter, was den Wagen enorm wendig macht jedoch etwas lustig anzuschauen. Zur Wendigkeit trägt auch das ausgewachsene Fahrwerk mit Einzelradaufhängung und dem 56 Grad großen Einschlagwinkel der Räder des für Stadtbusse typischen Formats 275/70 R22,5 bei. Die Produktion erfolgt ab Jahresbeginn 2023 im polnischen Werk in Starachowice nach den gleich hohen Qualitätsstandards wie bei allen anderen Stadtbussen von MAN Truck & Bus. Auch wenn er der kleinste ausgewachsene Stadtbus der neuen MAN Lion’s City Generation ist, so bietet er all das an hochentwickelter Technik wie seine längeren Kollegen. Das betrifft auch die modernen Sicherheitssysteme wie ESP, aktiv warnender Abbiegeassistent auf Kamera- statt Radarbasis, taghelle LED-Scheinwerfer oder das kamerabasierte MAN OptiView Spiegelersatzsystem.

Der Lion’s City 10 E greift zudem wie alle MAN eBusse auf die bewährten Lithium-Ionen-Batterien (NMC) aus dem Konzern mit besonders hoher Energiedichte und Lebensdauer zurück. Auf dem Dach sind entweder vier oder sogar fünf Packs verbaut. Bei der vollen Bestückung lauten die Leistungsdaten 400 Kilowattstunden (nutzbar 320 kWh, entspricht 80 Prozent Entladetiefe nach „Maximum Range“ Strategie) und bis zu 300 km Reichweite bzw. 320 Kilowattstunden (nutzbar 250 kWh, entspricht 78 Prozent Entladetiefe) und 235 Kilometer Reichweite. Geladen wird der 10-Meter-eBus wie die 12-Meter und 18-Meter-Varianten im Depot per CCS-Stecker und mit bis zu 150 kW.

 

Überlandbusse endlich elektrifiziert: Lion’s City LE und eChassis

Aber es geht an weiteren Elektro-Fronten erkennbar vorwärts: „Um der internationalen Nachfrage gerecht zu werden und einen wichtigen Beitrag in Sachen nachhaltige Mobilität zu leisten, bieten wir jetzt mit unserem eBus-Chassis die MAN-Elektrobus-Lösung für die internationalen Märkte außerhalb Europas“, sagt Rudi Kuchta, Head of Business Unit Bus bei MAN Truck & Bus, und ergänzt: „Aufbauherstellern aus aller Welt geben wir mit dem Chassis die perfekte Basis für ihre vollelektrischen Modelle an die Hand.“

Bei der Entwicklung und Markteinführung des eBus-Chassis setzt MAN auf das Wissen und die Kompetenzen, die mit dem Lion’s City E bereits aufgebaut werden konnten. „Zudem vertrauen wir auf unsere langjährigen Partnerschaften und arbeiten intensiv mit unserem weltweiten Netzwerk an Aufbauherstellern zusammen, um auch Märkte in Asien, Afrika, Südamerika, Australien und Neuseeland bestmöglich bedienen zu können“, so Kuchta. Bereits 2023 werden die ersten Vorserienmodelle des MAN eBus-Chassis ausgeliefert. Der Start der Serienproduktion ist für 2024 geplant. Produziert werden soll das eBus-Chassis im polnischen MAN Werk in Starachowice, wo auch der Lion’s City E gefertigt wird. „In den letzten Jahren haben unsere Mitarbeiter in Entwicklung und Produktion wertvolle Erfahrungen rund um unseren eBus und dessen Serienproduktion gesammelt. Diese lassen wir selbstverständlich in die Fertigung unseres neues eBus-Chassis einfließen, wovon unsere Kunden maßgeblich profitieren werden. Angeboten werden soll sowohl ein Niederflurchassis für Stadtbusse als auch ein Low Entry Chassis für Überlandbusse. Der Lion’s City LE, der in seiner Cityvariante 2023 auch mit milder Hybridisierung startet, soll 2023 ebenfalls als E-Modell kommen - mithin zwei Jahre vor dem Setra S 500 LE business E. Allerdings kommt der MAN zuerst nur mit Klasse I-Zulassung, erst ein bis zwei Jahre später soll die Überlandtauglichere Klasse II-Zulassung folgen, die dann auch die ECE R 66.02 erfüllt.

Effiziente CO2-Klimaanlage und flexible Batterietechnologie

Neben den neuen Modellen im Portfolio feilen die Münchener auch an der bestehenden Technik der e-Busse. „Wir arbeiten kontinuierlich an der Verbesserung unserer Produkte. Und auch unseren eBus entwickeln wir ständig weiter“, sagt Rudi Kuchta, Head of Business Unit Bus bei MAN Truck & Bus, und ergänzt: „Dabei haben wir unsere Kunden stets im Blick. Unser Ziel ist ganz klar: Simplifying customer business through leading sustainable solutions!“

So sorgt die ab Herbst 2022 serienmäßig verbaute und effizienzgesteigerte Hinterachse dank ihres leichteren Gewichts für eine signifikante Energieeinsparung. Mittels umfangreicher Verbesserungen bei Ölfluss und Entlüftung können zudem die Wartungsintervalle ausgedehnt werden, was Betreibern Zeit und Kosten einspart.

Für mehr Effizienz, aber auch mehr Reichweite sorgt die CO2-Klimaanlage, die es seit Mitte 2022 optional zu ordern gibt. Verfügbar ist diese für den Lion‘s City 12 E, den Lion‘s City 18 E und ab 2023 auch für neuen Lion’s City 10 E. „Die moderne CO2-Klimaanlage besitzt mehrere Vorteile: Sie ist umweltfreundlicher und gleichzeitig deutlich effizienter, was für eine zusätzliche Reichweite von bis zu 25 km sorgen kann“, sagt Heinz Kiess, Leiter Produktmarketing Bus bei MAN Truck & Bus. Betrieben wird die kompakte Aufdachanlage mit klimaneutralem und günstigerem Kohlenstoffdioxid (R744) statt dem Kältemittel R134a. Da das System im Vergleich zu konventionellen Wärmepumpen zudem in einem größeren Temperaturbereich arbeitet, bleibt die CO2-Anlage bis zu -20 °C einsatzfähig. Weil so auch der optionale, fossile Zuheizer bei kälteren klimatischen Bedingungen seltener zum Einsatz kommt, ist die Klimaanlage so deutlich nachhaltiger. Denn folglich wird weniger flüssiger Brennstoff für das Heizen des Fahrgastraums verbraucht.

 

Batterielebensdauer überrascht sogar MAN

In Sachen Batterietechnik hat MAN schon seit einiger Zeit erkannt, dass man en Kunden deutlich mehr Flexibilität entgegenbringen muss. Für besonders hohe Tagesreichweiten von bis zu 350 km gibt es seit kurzem die sogenannte „Maximum Range“-Strategie. Dank eines erweiterten Ladefensters von 80 Prozent lässt sich pro Ladung genug Energie für größere Distanzen entnehmen. Für Betreiber, die während der kompletten Einsatzdauer ihrer vollelektrischen Busse eine konstant zuverlässige Reichweite benötigen, eignet sich die Batterienutzungsstrategie „Reliable Range“. Denn sie bietet durch ein begrenztes Ladefenster von 65 Prozent ausreichend Reserven – der bisherige Serienwert. So garantiert sie über die gesamte Nutzungsdauer hinweg eine gleich hohe Reichweite von bis zu 270 Kilometern unter günstigen Bedingungen.

Ab Herbst dieses Jahres bietet MAN seinen eBus-Kunden außerdem noch eine weitere Möglichkeit, in Sachen Batterien noch flexibler zu agieren: Sie können über die Anzahl der Batteriepacks selbst entscheiden. Auch diese Neuerung bewirkt, dass sich der vollelektrische Stadtbus noch besser an die individuellen Kundenbedürfnisse und Anforderungen bezüglich Reichweite und Fahrgastkapazität anpassen lässt. Während beim Lion's City 12 E vier (320 kWh), fünf (400 kWh) und sechs Packs (Serie mit 480 kWh) möglich sind, können Kunden beim Gelenkbus Lion's City 18 E zwischen sechs (480 kWh), sieben (560 kWh) oder acht Packs (Serie mit 640 kWh) wählen. Indem die Batteriepacks reduziert werden, lässt sich die Fahrgastkapazität erhöhen: Bei einem Batteriepack weniger, haben bis zu 8 Fahrgäste mehr Platz und bei zwei Packs weniger bis zu 16 Fahrgäste – bisher ein deutliches Manko der Maximalbestückung mit Batterien. „Dazu kommt ein nicht unerheblicher wirtschaftlicher Vorteil, wenn bei Bussen, die generell kürzere Distanzen fahren, weniger Batterien zum Einsatz kommen. Denn Betreiber profitieren von den geringeren Total Cost of Ownership“, so Rudi Kuchta.

Maßgeblich profitieren eBus Kunden zudem von der hohen Batterielebensdauer – ein Punkt der gerade bei den hochgezüchteten NMC-Batterien bisher eher kritisch gesehen wurde in der Branche. „Dank neuer Erkenntnisse zum Batterieverhalten ist je nach Einsatzbedingungen eine Batterienutzung von bis zu 14 Jahren möglich“, sagt Heinz Kiess und ergänzt: „Mit Hilfe der Erkenntnisse, die wir aus Feldversuchen und Kundenfahrzeugen auf der Straße erzielt haben, konnten wir das Berechnungsmodell verfeinern, das den Batteriezustand vorhersagt.“ Mit dem neuen Berechnungsverfahren können sowohl die kalendarische als auch die zyklische Alterung individuell modelliert werden, was eine genauere Abbildung kundenspezifischer Anwendungsfälle ermöglicht. Inwieweit hierbei der wählbare Ladehub (“DoD“) eine Rolle spielt, sagt MAN zwar nicht, aber es sollte eine physikalische Selbstverständlichkeit sein, dass der „Reliable Range“ DoD von 65 Prozent deutlich batterieschonender ist.

 

MAN schwenkt zusätzlich auf die Pantografen-Ladung ein

Auch in Sachen Ladetechnik gibt es Neuerungen, die Unternehmern und Kunden den Arbeitsalltag so simpel wie möglich machen sollen und ein Umdenken von der bisherigen „Depotladung Only“-Strategie bedeutet. So gibt es ab Anfang 2024 eine neue Ladelösung für MAN Elektrobusse. Diese können dann mit Pantograph im Depot von oben über Ladeschienen auf dem Dach automatisiert geladen werden (Inverted Pantograph mit Ladeschienen). Der Vorteil: Die direkte Umgebung bleibt frei von Kabeln oder Ladesäulen. Die maximale Ausstattung an Batteriepacks bleibt dabei unberührt, weshalb der Lion’s City E auch beim Laden mit Pantograph von einer der größten Batteriekapazitäten am Markt profitieren kann. Die Ladeleistung wird im ersten Schritt maximal 150 kW betragen. Lösungen mit höherer Ladeleistung und einem auf dem Dach montierten Pantographen sind bereits in Planung und sollen später folgen. Auch ein späteres teilautonomes Rangieren im Depot ist mit dieser Technologie einfacher zu realisieren. Auch hierzu ist MAN schon in ersten Projekten tätig. Rund 48 Monate lang entwickelte und erprobte MAN Truck & Bus mit 14 Partnern aus Automobil-, Zulieferindustrie, Softwareentwicklung und Wissenschaft in der Initiative @CITY („Automated Cars and Intelligent Traffic in the City“) automatisierte Fahrfunktionen für den sicheren, effizienten und komfortablen Stadtverkehr der Zukunft. MAN konzentrierte sich dabei auf den Einsatz im ÖPNV und versetzte Busse in die Lage, selbstständig und hochpräzise die Haltestelle anzufahren. Die elektrische und autonome Zukunft kann also kommen – auch in München!

(Fotos: MAN Truck & Bus)