„Autonomes Fahren, davon bin ich zutiefst überzeugt, ist die Zukunft“, sagte Schnieder. Das Projekt in Burgdorf sei daher wegweisend. „Wir wollen in den Echtbetrieb kommen. Also von den Projekten raus in den Alltag. Hier sind wir auf einem guten Weg.“

Ob eine weitgehende Umstellung des Straßenverkehrs realistisch sei, hänge aber vom Einsatzszenario ab, teilt das Niedersächsische Forschungszentrum Fahrzeugtechnik (NFF) an der TU Braunschweig mit, das auch einen selbst entwickelten autonomen Personenshuttle betreibt. Auf dedizierten Strecken in der Stadt oder im ländlichen Raum, sei die Umsetzung schon kurzfristig möglich. „Ein umfänglicher Betrieb auf dynamischen Routen bei Interaktion in komplexen Situationen mit Mischverkehr und allen Arten an Verkehrspartnern wird dagegen noch auf sich warten lassen.“ 

 

Wie fühlt es sich an, im autonomen Bus zu fahren?

Minister Schnieder schilderte seine Testfahrt positiv: „Beeindruckend dadurch, dass sie ganz normal war.“ Nach wenigen Metern merke man nicht mehr, dass man in einem autonom fahrenden Fahrzeug sitze.

Bei der Demonstration in Burgdorf bremste der „Albus“ gelegentlich noch recht abrupt und wartete beim Abbiegen lieber etwas länger ab, als es wohl ein Mensch getan hätte - getreu dem Motto safety first. Insgesamt lief die Fahrt aber ziemlich flüssig.

 

Ist das sicher?

In bestimmten Situationen reagiere die künstliche Intelligenz eines autonom fahrenden Fahrzeugs sicherer und schneller, als der Mensch es kann, sagte Schnieder. Wichtig sei dafür, nun mehr Erfahrungen im Realbetrieb zu sammeln. Denn je mehr Daten man habe, umso sicherer würden die Fahrzeuge.

Eine vollständige Vermeidung von Unfällen werde es jedoch auch mit autonomen Fahrzeugen nicht geben, sagen die Experten des NFF. Mögliche Unfallquellen seien dabei gerade im Mischverkehr aber eher menschliche als technische Ursachen - auch, weil die Fahrstrategie autonomer Fahrzeuge defensiv ausgelegt sei.

 

Fährt der Bus wirklich alleine?

Das ist das Ziel - noch sitzt im „Albus“ aber immer ein Fahrer am Steuer, der eingreifen kann, wenn es nötig ist. Laut Alexander Kilich, der diese Aufgabe bei der Fahrt mit dem Minister übernommen hat, ist das bisher auch regelmäßig der Fall. Vor allem das Bremspedal müsse er doch noch häufiger selbstständig treten. In vielen Situationen funktioniert das autonome Fahren dennoch schon ziemlich gut. „Bis hin zur Erkennung von Personen, die einsteigen möchten unterwegs, macht er alles automatisch“, hob Minister Schnieder hervor.

 

Fürchten Busfahrer jetzt um ihre Jobs?

„Albus“-Fahrer Kilich gibt sich gelassen. Der 48-Jährige ist seit 25 Jahren Busfahrer, und ihm gefällt die Abwechslung, die der autonome Bus in seinen Berufsalltag bringe. Dass die Technologie seinen Job gefährden könnte, glaubt er nicht. 

Der Verkehrsbetrieb Üstra betont, es gehe nicht darum, mit autonomen Bussen den Fahrern ihre Arbeit wegzunehmen. Allerdings werde bald eine ganze Generation an Busfahrern aufhören - autonome Busse könnten daher helfen, dem grassierenden Fachkräftemangel zu begegnen. „Das Rückgrat der Üstra bleibt unser Fahrpersonal, das mit Leidenschaft Bus oder Stadtbahn fährt“, versicherte Üstra-Vorständin Denise Hain im Mai. „Daran wird sich in den kommenden Jahren nichts ändern.“

Stefanie Weiß, Fachbereichsleiterin bei der Gewerkschaft Verdi, erklärte: „Eine einfache Kürzung der Beschäftigten im Fahrpersonal lehnen wir ab.“ Vielmehr müssten Beschäftigte im Fahrpersonal für andere Tätigkeiten qualifiziert werden oder mit ihnen alternative Beschäftigungen gefunden werden. Das autonome Fahren solle zudem nicht zu mehr Individualverkehr führen.

 

Wie funktioniert der Testbetrieb in Burgdorf?

Der reguläre Testbetrieb des „Albus“ beginnt am 15. September. Die Fahrten sollen stündlich stattfinden und sind kostenlos. Die Fahrgäste müssen allerdings volljährig sein und sich auf der Seite der Üstra anmelden. In dem bis Jahresende angelegten Testbetrieb ist geschultes Personal immer mit an Bord.

Die Strecke ist rund sieben Kilometer lang und führt über 13 Haltestellen durch den Stadtverkehr. Dabei durchquert der Bus zehn Ampelkreuzungen, Kreisverkehre und Fußgängerüberwege. Die Maximalgeschwindigkeit beträgt 40 Kilometer pro Stunde. Sitzplätze gibt es in dem acht Meter langen „Albus“ für bis zu 22 Fahrgäste.

Eingesetzt wird ein Bus des türkischen Herstellers Karsan, der vom Projektpartner Adastec für den vollautomatisierten Betrieb mit Sensoren, Hardware und Software ausgerüstet wurde. 

 

Was kostet das Projekt „Albus“?

Insgesamt sind laut Region Hannover rund 6,3 Millionen Euro veranschlagt. Etwas mehr als die Hälfte (3,6 Millionen Euro) der Summe fließt als Fördergeld vom Bundesverkehrsministerium.

 

Welche vergleichbaren Projekte gibt es bundesweit?

In dieser Form - mit einem großformatigen Linienbus - ist das Projekt in Deutschland einzigartig. Ein baugleiches Fahrzeug ist jedoch bereits im norwegischen Stavanger im regulären Nahverkehr im Einsatz.

Andere Projekte hierzulande setzen meist auf kleinere Fahrzeuge: So sind im nordrhein-westfälischen Monheim schon seit 2020 selbstfahrende Kleinbusse im Regelbetrieb. Andere Städte wie Hamburg oder Darmstadt sind noch dabei, den Einsatz autonomer Shuttles und Autos zu erproben.

Der Bund hat das autonome Fahren laut Verkehrsministerium seit 2016 in mehr als 80 Forschungsvorhaben mit mehr als 300 Millionen Euro gefördert. Der Einsatz eines automatisierten Busses sowie eng hintereinander fahrender Busse im Fahrgastbetrieb ist demnach auch im Projekt Minga in München geplant. Im Landkreis Ludwigslust-Parchim (Mecklenburg-Vorpommern) fördert der Bund zudem ein Projekt für autonome Rufbusse auf dem Land.

 

(dpa)