Die Online-Talkrunde mit den beiden prominentesten Gesichtern der Tourismuspolitik, Marcel Klinge (FDP) und Markus Tressel (Bündnis 90/Die Grünen), Mitglieder des Tourismusausschusses des Deutschen Bundestages, lockte über 100 Teilnehmer vor die Bildschirme.

Dass die beiden Tourismusexperten, die sich seit Jahren im Tourismusausschuss für die Belange der Branche stark machen und verstanden haben, wie die Branche tickt, im September nicht mehr für den Bundestag kandidieren und somit aus dem Tourismusausschuss ausscheiden werden, löst in der Bus- und Gruppentouristik großes Bedauern aus. Die Sorge ist groß, dass die Reisebusbranche bei den Nachfolgern von Klinge und Tressel wieder bei null anfangen muss.

Marcel Klinge merkte bei der Online-Talkrunde, die von Michaela Rothe (Bus Blickpunkt) und Gerald Thür (Service-Reisen) moderiert wurde, positiv an, dass die Reisebranche wesentlich politischer geworden sei in der Corona-Krise, sich in diesem Zusammenhang weiterentwickelt habe und sichtbar sei. Allerdings fehle ihr ein Professionalisierungsschub. Der Tourismus müsse stärker mit einer Stimme sprechen. Die Verbandslandschaft in der Reisebranche sei von einer starken Fragmentierung einzelner Interessen gekennzeichnet, bemängelte der FDP-Politiker. Es müsse eine gemeinsame Strategie bzw. Vision her, neue Ideen und neue Formate. Dabei müsse es um das große Ganze gehen.

Markus Tressel räumte ein: „Die Komplexität der Reisebranche wird in der Politik nicht verstanden.“ Daher sei es für ihn nicht verwunderlich, dass die Branche erneut mit einem Flickenteppich von Regelungen und Vorschriften konfrontiert werde. Dafür verantwortlich sei eine fehlende einheitliche nationale Tourismusstrategie, die den föderalen Flickenteppich der einzelnen Bundesländer begünstige. „Wir haben ein Koordinationswirrwarr und -verweigerung“, sagte Tressel mit Blick auf die chaotische Situation in den einzelnen Bundesländern. „Kein Mensch blickt mehr durch, was geht und was nicht geht.“ Als Problem benannte er u.a., dass Tourismuspolitik in Deutschland überwiegend Ländersache sei. Doch auch auf europäischer Ebene seien viele Fehler gemacht worden in der Pandemie. „Wir hätten uns besser abstimmen und koordinieren müssen, wie wir Europa bereisbar halten“, gesteht Tressel. Klinge kritisierte die „flache Lernkurve der Bundesregierung“.

Am 09. Juni tagte auch der Tourismusausschuss. In der Sitzung des Tourismusausschusses wurde eine Studie zur bundesweiten Tourismusstrategie vorgestellt, die als Grundlage dienen soll, um einen Aktionsplan zur nachhaltigen Stärkung des Tourismus zu erarbeiten. Sowohl Tressel als auch Klinge zeigten sich enttäuscht von den Ergebnissen, die präsentiert wurden. Selbst nach dreieinhalb Jahren sei das Projekt immer noch nicht zu Ende.

Thema in der Online-Talkrunde war auch die Forderung der Reisebusbranche nach einem reduzierten Mehrwertsteuersatz für den Gelegenheits- und Fernverkehr mit Bussen, den der Grünenpolitiker, an den die Frage gerichtet wurde, befürwortete. Er habe seine ursprünglich gegensätzliche Meinung dazu mittlerweile revidiert und sei überzeugt, dass der Bus nicht benachteiligt werden dürfe.

Thematisiert wurde auch die derzeit stattfindende Reform der Insolvenzabsicherung, die nach aktuellem Stand eine weitere Ausbeutung und massive Belastung für die Reisebusbranche bedeutet. „Wir werden erneut mit Anforderungen belastet, die nicht zu stemmen sind“, beklagte Uli Basteck, Chef des Berliner Reiseveranstalters Wörlitz Tourist, der als Gast in der Talkrunde zu diesem Thema die Branchensicht darstellte. Das Hochfahren der Betriebe nach elf Monaten Stillstand sei eine riesen Aufgabe, verdeutlichte der Touristiker. All das, was sich die Reisebusunternehmer an finanziellen Hilfen in der Corona-Krise erkämpft haben, müssten sie in den Reisesicherungsfonds stecken, der nur dazu diene, die großen Konzerne abzusichern, so Basteck weiter.