Ein entsprechendes Positionspapier wurde heute (14. Juli 2020) an Julia Heesen, Staatssekretärin im Thüringer Ministerium für Bildung, Jugend und Sport, übergeben.

Durch die Auswirkungen der Corona-Pandemie sei auf den Punkt gebracht worden, was bereits seit Jahren unerledigt schwele. „Die bestehenden Regelungen zur Organisation, Vertragsgestaltung und Abrechnung von Wandertagen und Klassenfahrten sind praxisfern, bürokratisch und belasten die beteiligten Partner über Gebühr hinaus. Sie sind für die Zukunft untauglich“, teilt die entsprechenden Verbände und Fachvertretungen in einer Presseinformation mit.

Mit pragmatischen Entscheidungen hätten Lehrer, Eltern und Dienstleister in der Vergangenheit dafür gesorgt, „auf kurzem Dienstweg“ Klassenfahrten und Wandertage zu ermöglichen. Das Einhalten der Thüringer Verwaltungsvorschrift zu Wandertagen und Klassenfahrten sei nie in vollem Umfang möglich gewesen. Mit der Corona-Pandemie sei der Ärger gekommen und habe dazu geführt, dass unter den bestehenden Regelungen deutlich weniger bis gar keine Klassenfahrten und Wandertage mehr stattfinden werden.

Mit der bestehenden „Verwaltungsvorschrift für die Durchführung von Wandertagen und Klassenfahrten“ und deren nun offensichtlich gewordenen Mängeln habe das Thüringer Ministerium für Bildung, Jugend und Sport den eigenen Bildungsauftrag konterkariert. Dies müsse schnellstens beendet werden und sei nicht mit etwas Feinarbeit getan. Vielmehr müsse das grundlegende Prinzip in der Verantwortung und Abwicklung umgekehrt werden.

„Vom bestehenden Reiserecht und dem BGB muss ausgegangen und nicht versucht werden, durch eine Verbiegung der gesetzlichen Grundlagen eine scheinbar verwaltungsfreundliche Regelung zu konstruieren, welche aber in der Praxis nicht funktioniert“, heißt es weiter.

Im Wortlaut fordern die Unterzeichner des Positionspapiers von der Thüringer Landesregierung:

 

Bildungsziele für Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene sind wesentlich

Wandertage und Klassenfahrten sind Bildungsveranstaltungen und damit Teil des gesamtheitlichen Bildungsauftrages. Flexibilität in der Programmgestaltung ist notwendig. Dem stehen derzeit zu hohe Hürden der Verwaltungspraxis entgegen.

Wir fordern:

  • Antrags- und Bearbeitungsfristen der Fahrten müssen an praktische Gegebenheiten des Schulalltags angepasst werden, dies kann eine Verkürzung oder gar Abschaffung von Fristen bedeuten.
  • Wandertage und Klassenfahrten sind am Bildungs- und Erziehungsauftrag auszurichten und in die volle Verantwortung der Schulen zu geben. Diesem Ansatz widerspricht die derzeitige Regel, dass Verträge mit Eltern geschlossen werden und die Schule bzw. der Lehrer nur vermittelt.
  • Bei der Findung von Lösungen muss dringend die Praxis einbezogen werden. Theoretische Lösungen aus den Verwaltungen sind praxisfern und werden somit nicht gelebt! Es müssen praktikable Ansätze verfolgt werden.

Praxisbeispiele: 

Aktuell müssen Anträge für Klassenfahrten viel zu lang im Voraus gestellt werden.
Zum Beispiel müssen Klassenfahrten beantragt werden, obwohl die Kurse für Klassenstufe 11 noch nicht feststehen. Gleiches trifft für Wiederholer in allen Schularten zu. Zudem stehen die Klassenleitungen ein Jahr vorher noch gar nicht fest.
Gerade Teambuilding-Veranstaltungen am Anfang des Schuljahres - insbesondere in den 5. Klassen – sind nach der derzeitigen Verwaltungsvorschrift überhaupt nicht möglich!

Rechtssicherheit für alle Beteiligten

Praxisnähe kann hergestellt werden, wenn Lehrer und Schulen im Namen des Freistaates Thüringen Verträge mit den Dienstleistern für alle Teilnehmer abschließen. Die Schule bestimmt ohnehin über den Ablauf und die Rahmenbedingungen des Tagesausfluges oder der Reise. Dabei ist es unerheblich, ob als Dienstleister eine Vielzahl einzelner Partner durch die Lehrer selbst organisiert oder ein Generaldienstleister beauftragt wird.

Wir fordern:

  • Die Schule muss Vertragspartner gegenüber den Dienstleistern sein und namens des Freistaates Thüringen die Verträge abschließen.

Aktuelles Problem:

Im Zuge der Corona-Pandemie ist die Frage nach einer pauschalen kostenfreien Stornierung von Fahrten aufgekommen. Nach Informationen des Thüringer Ministeriums für Bildung, Jugend und Sport vom 02.04.2020 ist vorgesehen, dass Neubuchungen von Klassenfahrten für das Schuljahr 2020/2021 nur noch dann zulässig sind, wenn sie problemlos rückgängig gemacht bzw. kostenfrei storniert werden können. Diese Forderung entspricht nicht dem BGB, unterläuft das System von Dienstleistungen und sollte präzisiert werden.

Wir geben zu bedenken, dass Stornierungsregeln auf alle Vertragspartner gleichermaßen wirken. Ohne wirkungsvolle Stornierungsregeln könnten sich Dienstleister nicht an die Durchführung der zugesicherten Fahrt gebunden fühlen.

Damit Fahrten im kommenden Schuljahr möglich sind, wenden Dienstleister an die Corona-Bestimmungen angepasste AGB an. Diese nehmen die aktuellen Besonderheiten in der Pandemie auf und können im Einzelfall vor Vertragsschluss auch verhandelt werden. 

Schulen zur Umsetzung des Bildungsauftrages als Vertragspartner qualifizieren

Abgesehen von einer neu zu schaffenden Rechtsstellung müssen Schulen auch praktisch handlungsfähig sein. Dazu gehört der sichere und unkomplizierte Umgang mit Geld zur Finanzierung der Fahrten. Die derzeitige Vermischung von privaten Konten, Handkassen oder Konten von Fördervereinen muss beendet werden.

Wir fordern:

  • Schulen sind mit einem eigenständigen Schulkonto zu versehen.
  • Reisekostenabrechnungen der Lehrer sollen beschleunigt und entbürokratisiert werden.

Flickenteppich beenden – Rahmenbedingungen vereinheitlichen

Die bestehenden Regelungen für Wandertage und Klassenfahrten sind durch den Föderalismus in den Bundesländern unterschiedlich ausgestaltet. Das ist ein nicht erträglicher Zustand für alle Dienstleister, die einerseits bundesweit agieren (Beförderungsunternehmen, Reiseveranstalter) oder andererseits Kunden aus dem gesamten Bundesgebiet haben (Anbieter von Übernachtungen, Sehenswürdigkeiten).

Wir fordern:

  • Der Freistaat Thüringen möge sich im Rahmen seiner Möglichkeiten, aber engagiert, auf Bundesebene dafür einsetzen, die Rahmenbedingungen für Klassenfahrten zu vereinheitlichen.

 

Unterzeichner:

Verband Mitteldeutscher Omnibusunternehmer e.V.

Bundesverband Deutscher Omnibusunternehmer e.V.

Verband Deutscher Verkehrsunternehmen e.V.

Bundesverband führender Schulfahrtenveranstalter e.V.

Landesschülervertretung Thüringen

Landeselternvertretung Thüringen

TLV Thüringer Lehrerverband

Thüringer Philologenverband

Verband kinderreicher Familien e.V.

Museumsverband Thüringen e.V.

Dehoga Thüringen e.V.

Deutscher Jugendherbergsverband e.V., LV Thüringen

Verband Deutscher Schullandheime e.V.

Landesverband der Schullandheime in Thüringen e.V.

LSB Sportmanagement GmbH